Freitag, 26. Juli 2013

Max, der Taschendieb (1962) Imo Moszkowicz



Inhalt: Schon lange verdient Max Schilling (Heinz Rühmann) seinen Unterhalt als Taschendieb. Während er nach außen hin ein bürgerliches Leben führt, damit seine zwei Kinder, Freunde und Nachbarn nichts davon erfahren, weiß seine Frau Pauline (Elfie Pertramer), mit der er seit 15 Jahren verheiratet ist, natürlich Bescheid. Und ist entsprechend besorgt, da sie jedes Mal befürchtet, dass er von der Polizei erwischt wird. Doch Max hat seine eiserne Regel, nur Portemonnaies zu stehlen, bisher immer eingehalten, um keine längere Gefängnisstrafe zu riskieren. So reagiert er auch diesmal wieder ablehnend auf ein Angebot von Joe (Harald Maresch) bei einem größeren Coup mitzumachen, obwohl er das Geld gut gebrauchen könnte.

Denn die „Geschäfte“ laufen von Jahr zu Jahr schlechter, da der bargeldlose Zahlungsverkehr zunimmt und die Menschen weniger Geld in der Tasche haben. Auch ein gelungener Fischzug bei dem Auftritt eines Zauberers in einem Varieté stellt sich als Niete heraus, da es sich bei den vielen Dollars, die Max seinem Tischnachbarn geklaut hatte, um Falschgeld handelt. Doch die Polizei erfährt nichts von ihm, denn Max verpfeift Niemanden. Noch mehr Sorgen macht ihm Fred (Hans Clarin), sein Schwager und der jüngere Bruder seiner Frau, der keinem Beruf nachgeht und immer pleite ist, obwohl seine Freundin Desiree (Ruth Stephan) schon von ihm schwanger ist. Zudem will Fred es Max zeigen, über dessen Bescheidenheit er sich lustig macht, und dabei ganz groß absahnen…


"Max, der Taschendieb" gehört nicht zu den Filmen innerhalb des Rühmannschen Gesamtwerks, die besondere Erwähnung finden - zu häufig hatte er einen anständigen und sympathischen Kerl gespielt, dem das Publikum seine kleinen Fehltritte gerne verzieh. Hier verrät schon der Filmtitel, welche Abweichung von der Norm er sich leistet, denn Max Schilling (Heinz Rühmann) verdient seinen Unterhalt als Taschendieb. Doch darüber hinaus ist er ein Muster an Zuverlässigkeit und Bescheidenheit, ein liebevoller Ehemann und treusorgender Vater zweier halbwüchsiger Kinder. Kurz, eine Kunstfigur, der nur Heinz Rühmann Leben einhauchen konnte, dem man abnimmt, dass er sich zwar an die Regeln der "Unterwelt" hält, gleichzeitig aber nie in Versuchung gerät, jemals über seine Position als kleiner Dieb hinaus zu wollen. Zudem verbreitet der Film die Mär, dass Max nur wohlhabende Leute bestiehlt, was angesichts seiner eigenen Aussage, im letzten Jahr hätte er nur durchschnittlich acht DM in den Portemonnaies gefunden, kaum möglich sein kann.

Mit dieser Bemerkung wollte er gegenüber seinem alten Freund und ständigen Partner im Taschendiebstahl-Geschäft, Arthur (Hans Hessling), der auf Grund eines Gips-Fußes gerade pausieren muss, begründen, dass die Zeiten generell schlechter werden (ein historisch interessanter Aspekt, da die Wirtschaft nach 1960 nur langsamer wuchs als zuvor, was damals offensichtlich als Verschlechterung empfunden wurde - noch mehrmals redet Max von schwierigen Zeiten). Arme Leute zu bestehlen, macht keinen Spaß, erwähnt Max noch, womit die Verzeihlichkeit gegenüber seiner Profession zunimmt. Konsequenterweise wird Max nur bei Anlässen in Aktion gezeigt, zu denen gut situierte Menschen zusammen kommen, womit der Film weiter auf der Klaviatur der Verharmlosung spielt, als ob das Ausbaldowern viel versprechender Gelegenheiten nicht zum alltäglichen Handwerk eines Diebes gehört. Gepaart mit Rühmanns häufig schuldbewusster und sorgenvoller Miene, die ihn auf die Stufe jedes kleinen Malochers stellt, der nur möchte, dass seine Frau zum Friseur gehen kann und es seine Kinder einmal besser haben werden, verliert sein Job jeden kriminellen Gestus. Betont wird das noch durch die Figur des Kommissars, der Max sehr schätzt und seine "Verfehlungen" nur leicht vorwurfsvoll rügt.

Vielleicht liegt es an dieser vollständig konstruierten Figur, dass "Max, der Taschendieb" in sämtlichen Publikationen als Komödie eingeordnet wird, obwohl der Film keinerlei komödiantische Story-Elemente aufweist, sondern im Gegenteil von zwei brutalen Morden erzählt, darunter an einem unmittelbaren Familienmitglied. Schwarzer Humor, verbunden mit einem unrealistischen Umfeld, bildete schon häufig den Hintergrund für gelungene Gauner-Komödien, in denen der Protagonist augenzwinkernd nicht nur gegen das Gesetz, sondern auch gegen gängige moralische Standards verstoßen durfte, aber "Max, der Taschendieb" ist abgesehen von seinem "Unterwelt" - Sujet, dass sich auf die Kneipe von Lizzy (Lotte Ledl) beschränkt, in dem ihr Freund Joe (Harald Maresch) die lokale Ganoven-Größe gibt, zutiefst bürgerlich und konservativ. Der einzige wirkliche Schwerverbrecher im Film, der US-Amerikaner Charlie Gibbons (Benno Sterzenbach), ist Ausländer.

"Max, der Taschendieb" ist kein Film, der mit einer leicht individuellen Lebensweise sympathisiert, wie es der Titel vermuten lassen könnte, sondern der im Gegenteil die totale Anpassung an die gesellschaftliche Norm predigt. Die Figur des Fred (Hans Clarin) wird als warnendes Beispiel für den Fall präsentiert, dass ein Mensch seine Stellung innerhalb der Gesellschaft nicht akzeptiert, wofür er hart bestraft wird. Dass ihm zudem Egon (Friethjof Vierock), Max jugendlicher Sohn, mit Sätzen Jean-Paul Sartres den Kopf verdrehte, gab Rühmann in seiner Rolle die Gelegenheit, an Hand klischeehaft aus dem Zusammenhang gerissener Zitate, die damals unter Jugendlichen populären existentialistischen Thesen zu verunglimpfen - natürlich leicht ironisch. Auch das Fred seine Freundin Desiree (Ruth Stephan) schwängerte - von Max gegenüber seiner 12jährigen Tochter Brigitte (Helga Anders) als Ausnahme von der Regel bezeichnet - passt in das Gesamtbild eines jungen Menschen, der sich nicht an die Regeln hielt. Obwohl es sich bei Fred immerhin um den jüngeren Bruder von Max' Frau Pauline (Elfie Pertramer) handelt und er eine schwangere Frau hinterlässt, vermittelt der Mord an ihm keine wirkliche Tragik - ein solcher Typus war offensichtlich verzichtbar, weshalb sein Tod auch die generelle Einordnung des Films als "Komödie" nicht weiter störte.

Neben dieser Charakterisierung eines Außenseiters, fällt auch das sehr konservative Frauenbild des Films auf. Geradezu unangenehm ist die körperliche Auseinandersetzung zwischen der schwangeren Desiree, die sich Babywäsche strickend schon als zukünftige Ehefrau sieht, mit der Barfrau Lizzy, die sie als "Schlampe" bezeichnet, weil ihr Fred in den Ausschnitt gesehen hatte. Max muss die Furien wieder trennen, was die Rolle seiner Ehefrau Pauline als Hausfrau und Mutter noch zusätzlich idealisiert. Wenn sie - nachdem Max ihr mitteilte, dass er nicht mehr weiter stehlen will und deshalb nicht weiß, wie er Geld verdienen soll - ihm antwortet, ihr sei das egal, hauptsache sie bekäme wie immer pünktlich ihr Haushaltsgeld, dann wirkt das nicht nur aus heutiger Sicht unfreiwillig komisch, sondern auch für das Entstehungsjahr des Films nicht mehr zeitgemäß.

"Max, der Taschendieb" wirkt wie ein letzter Versuch, das Rad der Zeit nochmals zurück zu drehen. Auch die zuvor von István Békeffy und Hans Jacoby gemeinsam geschriebenen Drehbücher zu den Rühmann-Filmen "Ein Mann geht durch die Wand" (1959), "Der Jugendrichter" (1960), "Das schwarze Schaf" (1960) oder "Der Lügner" (1961) vermittelten noch den Zeitgeist der 50er Jahre in der Bundesrepublik und trafen damit den damaligen Publikumsgeschmack, aber der "kriminelle" Hintergrund des Protagonisten zwang sie offensichtlich dazu, die Anstandsschraube möglichst weit hochzudrehen. Trotz dieses inhaltlichen und zeitlichen Kontextes wäre der Film aus heutiger Sicht nur noch schwer erträglich, gelänge es Heinz Rühmann dank seines schwerelosen Spiels nicht, sowohl die in der Grundanlage ernsthafte Story, als auch den reaktionären Subtext zu verschleiern, weshalb der Film seinen unterhaltenden Charakter beibehalten konnte. Diesem hat "Max, der Taschendieb" auch seine "Komödien" - Klassifizierung zu verdanken, vielleicht die einzige Möglichkeit, den Film nicht allzu ernst zu nehmen. Heinz Rühmann spielte hier das letzte Mal den "einfachen Mann aus dem Volke", womit "Max, der Taschendieb" doch eine Sonderstellung in seinem Gesamtwerk zukommt - wenn auch nicht aus qualitativen Gründen.

"Max, der Taschendieb" Deutschland 1962, Regie: Imo Moszkowicz, Drehbuch: István Békeffy, Hans Jacoby, Darsteller : Heinz Rühmann, Elfie Pertramer, Hans Clarin, Benno Sterzenbach, Frithjof Fierock, Helga Anders, Laufzeit : 91 Minuten

2 Kommentare:

  1. "Max der Taschendieb" war in seiner Leichtigkeit der Auslöser dafür warum ich mich überhaupt (wieder) verstärkt mit Rühmann-Filmen auseinander gesetzt habe, da ich ansonsten nur die verkrampften, eher sperrigen Werke "Der Hauptmann von Köpenick" und "Kleider machen Leute" gesehen habe, einfach jene Werke die man zur Schulzeit passend zur Lektüre im Unterricht sehen musste. Die waren sicherlich in gewisser Weise anspruchsvoller zu nennen, allein aufgrund der literarischen Vorlage, aber sie waren eben auch nicht so unterhaltsam wie ein "Max, der Taschendieb". Das weiß ich seit ich zumindest "Der Hauptmann von Köpenick" noch einmal in meiner aktivsten Rühmann-Phase zweitsichtete. Von daher teile ich die recht strengen Worte Deiner Besprechung nicht, abgesehen von der Moral die, typisch Rühmann, hochgehalten wird. Dass Dir komödiantische Story-Elemente fehlen verwundert mich schon sehr. Allein der Einstieg mit der Bühnenshow ist schon ein witziger Start in den Film und bereitet den Zuschauer gut auf den Grundton vor. Sicher, Rühmann-Filme werden häufig fehlerhaft als Komödien betitelt, so z.B. gerne geschehen bei "Gefundenes Fressen" und "Mein Schulfreund". "Max, der Taschendieb" habe ich hingegen als Komödie verstanden und mich dabei auch gut amüsiert. Für mich zählt er zu den besseren Rühmann-Filmen, aber irgendwie ticke ich scheinbar immer was anders. Keine Ahnung warum. Trotz aller Kritik: schön dass Du diesen unbekannten Film auf Deinem Blog mal vorgestellt hast. :)

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  2. Danke für deine persönlichen Worte - das gibt mir Gelegenheit, selbst etwas Persönliches hinzuzufügen. Ich bin ja mit den Rühmann-Filmen in den 70er Jahren aufgewachsen und war ein absoluter Fan, sicher noch heute eine Basis meiner Beschäftigung mit seinem Werk. Für mich ist es aber wichtig, von meinen persönlichen Erfahrungen hin zu einer analytischen Auseinandersetzung zu finden, die auch den Zeitkontext mit einbezieht - etwas das im Internet und in sonstigen Publikationen kaum stattfindet.

    Ich gebe dir recht, die Anfangssequenz ist witzig, aber durch den Kontext, dass sich die Dollars als falsch herausstellen und deren Besitzer der Hauptverbrecher ist, relativiert das diese Szene im Nachhinein. Das grundsätzliche Problem einer Analyse liegt aber darin, dass ich gewichten muss, also nicht jeden Aspekt detailliert bearbeiten kann, denn dann wird das hier eine unlesbare Abhandlung. Allein der Fakt, dass der einzige echte Kapitalverbrecher ein US-Amerikaner ist (was storytechnisch nicht notwendig gewesen wäre), gäbe Anlass zu weiteren Überlegungen, aber darauf habe ich verzichtet.

    Dass Rühmanns Spiel den komödiantischen Charakter betont und damit von der inhaltlichen Ernsthaftigkeit ablenkt, habe ich ja erwähnt, aber aus heutiger Sicht ist die Charakterisierung von Fred und sein "billiges Fallenlassen" genauso wenig witzig, wie die Gestaltung der weiblichen Rollen, was ich in meinem Text detailliert begründe. Im Jahr 1962 war die Gesellschaft schon deutlich in Bewegung geraten - dem versucht der Film penetrant entgegen zu wirken. Heinz Rühmann war immer ein Moralist und mit der Gestaltung seiner künstlichen Gauner-Rolle hätte ich gut leben können, aber hier wird es übertrieben, denn sein Umfeld wird mit der "Verliererfigur" Fred im Mittelpunkt sehr realistisch und zudem aus einer äußerst konservativen Sicht betrachtet. Wenn Max am Ende nicht will, dass er als Held gefeiert wird, weil er Angst hat, dass seine Kinder in der Schule beleidigt werden, wenn die Öffentlichkeit erfährt, dass er ein Dieb ist, dann ist das zutiefst ernst gemeint. Aber nicht im Sinn einer Kritik an gesellschaftlichen Vorurteilen, sondern im Gegenteil - Max will nicht aus dem Rahmen fallen und sich anpassen - er vertritt deren Werte. Mit einer "Gauner-Komödie", die es bei der kreativ, unrealistischen Anlage der Hauptfigur hätte werden können, hat das nichts zu tun.

    Ich habe mich beim erneuten Ansehen des Films gut unterhalten gefühlt, aber ich habe mich entschieden, seine Filme ernsthaft zu betrachten und nicht als reine Unterhaltung anzusehen, bei der nach verbreiteter Ansicht "sowieso alles egal ist". Jeder wird die Kritikpunkte unterschiedlich gewichten, vielleicht gar nicht sehen wollen, aber ich denke, ich habe sie nachvollziehbar heraus gearbeitet - und das mache ich, weil ich Heinz Rühmann ernst nehme, dessen Filme heute meist über einen Kamm geschert werden.

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