Inhalt:
Erneut wird eine Leiche in der Themse gefunden, die keinerlei Gewaltspuren
aufweist, weshalb die Polizei von „Tod durch Ertrinken“ ausgehen muss. Nur
Inspector Holt (Joachim Fuchsberger) glaubt nicht an ein Unglück, da es sich
jedes Mal um reiche ältere Herren aus Übersee handelte, die keine Verwandten
mehr haben, dafür ihr Leben aber bei der selben Gesellschaft versichert hatten.
Stephen Judd (Wolfgang Lukschy), der Chef des Unternehmens, wirkt nicht nur
seriös, sondern zeigt sich auch ehrlich betroffen. Inspector Holt ahnt nicht,
dass Judd von „Flimmer-Fred“ (Harry Wüstenhagen) erpresst wird, wundert sich
aber über dessen Umgang – auch sein Sekretär Edgar Strauss (Klaus Kinski) ist
ein alter Bekannter der Polizei.
Um einen
Zettel mit Blindenschrift entziffern zu können, die sie bei einer der Leichen
gefunden haben, holt sich die Polizei Nora Ward (Karin Baal) zur Hilfe, die als
ehemalige Blinden-Betreuerin dazu in der Lage ist. Inspector Long glaubt, dass
die „Bande der blinden Hausierer“ unter der Leitung des „Blinden Jack“ (Ady
Berber) wieder aktiv ist, den er im Blindenheim vermutet. Doch Reverend
Dearborn (Dieter Borsche), der das Heim seit einiger Zeit leitet, hat Jack
schon länger nicht mehr gesehen…
Der fünfte
von der Rialto produzierte Edgar-Wallace-Film brachte einige Neuerungen, die zu
einem weiteren Anstieg der Besucherzahlen der inzwischen etablierten Reihe führen
sollten. Erstmals unterbrach mit Alfred Vohrer ein neuer Regisseur die bisher
alternierende Besetzung von Harald Reinl und Jürgen Roland. Roland hatte mit
seiner ironischen Umsetzung des vierten Wallace-Streifens "Der grüne Bogenschütze" (1961) seinen Abschied genommen und Reinl, der normalerweise
an der Reihe gewesen wäre, kam erst wieder beim siebten Wallace-Film "Der
Fälscher von London" (1961) zum Zuge, da das Drehbuch zum geplanten "Das
Geheimnis der gelben Narzissen" (1961) - der dann als sechster Film
herauskam - noch überarbeitet werden musste.
Neben
Alfred Vohrer traten weitere Akteure ins Rampenlicht, die prägend für die
Wallace-Reihe werden sollten, allen voran Klaus Kinski, der hier in der Rolle
des Sekretärs eines Versicherungsunternehmens noch einen für seine Verhältnisse
gemäßigten Charakter spielte. Abgesehen von seinem Auftritt in der weniger
bekannten Wallace-Verfilmung "Der Rächer" (1960), die nicht von der
Rialto produziert wurde, steht "Die
toten Augen von London" für den Beginn eines nervösen, zum Irrsinn
neigenden Verbrecher -Typus, auf den Klaus Kinski noch in vielen weiteren
Genre-Filmen festgelegt sein sollte. Auch Dieter Borsche und Karin Baal als
"Love-Interest" von Joachim Fuchsberger - immerhin schon zum dritten
Mal in der männlichen Hauptrolle besetzt - traten erstmals in einem
Wallace-Film auf, blieben aber seltene Gäste der Reihe. Dagegen begann hier der
ehemalige österreichische Freistilringer Ady Berber seine Karriere als
"Monster vom Dienst", die ihm bis zu seinem frühen Tod 1966 noch
einige Rollen in diversen Kriminalfilmen, darunter zwei weiteren
Wallace-Streifen („Das indische Halstuch“, 1963), einbringen sollte.
Das
Drehbuch zu "Die toten Augen von London" übernahm ein alter
Bekannter, denn mit Egon Eis - wie immer unter dem Pseudonym Trygve Larsen auftretend
- setzte wieder der schon für die ersten beiden Wallace-Filme verantwortliche
Autor die 1924 erschienene Romanvorlage "The dark eyes of London" in
ein filmisches Konzept um. Entsprechend konservativ und deutlich ernsthafter
als "Der grüne Bogenschütze" näherte sich Alfred Vohrer seinem ersten
Wallace-Film und setzte dabei verstärkt auf die typischen Merkmale der Reihe.
Nebelschwaden, starker Kontrast der Schwarz-Weiß Bilder (im Vorspann wurde
erstmals Farbe eingesetzt) und beliebte Orte wie dunkle Hafengegenden,
verwinkelte Gassen oder anrüchige Nacht-Clubs bildeten den Hintergrund für eine
klassische Story, in der es an Leichen nicht mangeln durfte. Selbst der
obligatorisch besetzte Eddie Arent als Sgt. „Sunny“ Harvey wurde entgegen
seinen beiden letzten Auftritten wieder deutlich zurückgefahren und gibt einen
ernsthaften Polizeibeamten mit kleinen Schrullen.
Opfer
werden reiche, ältere Herren aus Übersee, die über keine weitere Verwandtschaft
verfügen, aber hohe Versicherungen auf ihr Leben abgeschlossen haben – zwar gelten sie offiziell als ertrunken,
aber ihr doch sehr präzises Profil lässt auf eine perfide Planung schließen. Inspector
Larry Holt (Joachim Fuchsberger) begreift schnell, dass die Männer ermordet
wurden, kann seinen Verdacht aber nicht beweisen. Eine Spur führt zu der Greenwich-Versicherung, bei der alle Toten ihr Leben abgesichert hatten, aber
Stephen Judd (Wolfgang Lukschy), Rechtsanwalt und Chef des Unternehmens, dessen
Bruder und Partner vor kurzem verstorben war, wirkt seriös und ist zudem
Leidtragender der überraschenden Sterbefälle, da er gezwungen ist, die Versicherungssummen
auszuzahlen. Bewegung kommt in die Angelegenheit als mit Gordon Stewart ein
Mann in der Themse aufgefunden wird, der sein Erbe noch zuvor seiner Tochter
vermacht hatte, die aber bei der Geburt gestorben sein soll, was nicht nur den
Tätern zusätzliche Schwierigkeiten bereitet.
Trotz
vieler undurchsichtiger Vorgänge und Nebenfiguren, gelang es Alfred Vohrer den
Überblick zu bewahren, weshalb die Story nachvollziehbar bleibt, auch wenn die
Zufälle sich wie gewohnt häufen. Selbst hinter Nora Ward (Karin Baal) -
ursprünglich dem Inspector nur zur Seite gestellt, um die Zettel mit Blindenschrift
zu entziffern, die den Leichen zugesteckt wurden und ihn auf die Spur des von
Reverend Dearborn (Dieter Borsche) geleiteten Blindenheims bringen - verbirgt
sich noch ein typisches Wallace-Geheimnis. Weniger geheimnisvoll entwickelte
sich hingegen die Liebesgeschichte zwischen Nora und dem Inspector, der auf
seine Macho-Allüren zwar größtenteils verzichtete, an Noras zukünftiger Rolle
als Ehefrau und Mutter aber keinen Zweifel ließ – so viele Leichen auch die
Themse herunter schwimmen, die moralische Ordnung blieb gewahrt.
Alfred
Vohrer gelang mit „Die toten Augen von London“ ein großer Erfolg, der ihn zum
wichtigsten und meist beschäftigten Regisseur der Reihe werden ließ. Er nahm
die wesentlichen Standards der Reihe, die Harald Reinl schon in „Der Frosch mit der Maske“ (1959) etabliert hatte, wieder auf, und entwickelte sie konsequent
weiter, dabei weniger auf Humor, als auf eine ernsthafte Handlung setzend.
Kombiniert mit den „Toten Augen“, mit denen der „Blinde Jack“ (Ady Berber) und
Reverend Dearborn in die Kamera starren, entstand eine gruselige Atmosphäre,
die die konventionelle Story vergessen ließ.
"Die toten Augen von London" Deutschland 1961, Regie: Alfred Vohrer, Drehbuch: Egon Eis, Wolfgang Lukschy, Edgar Wallace (Roman), Darsteller : Joachim Fuchsberger, Karin Baal, Ida Ehre, Klaus Kinski, Dieter Borsche, Wolfgang Lukschy, Harry Wüstenhagen, Eddie Arent, Joseph Offenbach, Laufzeit : 95 Minuten
weitere im Blog besprochene Filme von Alfred Vohrer:
"Schmutziger Engel" (1958)
weitere im Blog besprochene Filme von Alfred Vohrer:
"Schmutziger Engel" (1958)
Einer der großen "Krimi"-Satiren von Vohrer. Er wird ebenso wie die Darsteller seinen Spaß daran gehabt haben, dass man diesen und die anderen Wallace-Filmchen jahrelang in vollem Ernst als Krimis rezipiert hatte. Gleichwohl lieferte Dieter Borsche eine eindringliche Darstellung ab.
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