Inhalt:
Obwohl der Moritatensänger (Rudolf Vogel) vor den Räubern im Spessart warnt und
eine hohe Belohnung auf den Räuberhauptmann (Carlos Thompson) ausgesetzt ist,
wagen sich die Wanderburschen Felix (Helmut Lohner) und Peter (Hans Clarin) in
den finsteren Wald, ängstlich darauf vertrauend, dass sie als arme Schlucker
nicht beraubt werden. Ganz anders sieht die Situation für die Comtesse
Franziska von Sandau (Liselotte Pulver) und ihren Verlobten Baron Sperling
(Günter Lüders) samt ihrer Begleitung aus, die mit ihrer Kutsche in eine Grube
fahren und nicht mehr weiter können.
Zu ihrem scheinbaren
Glück erscheinen wie zufällig Knoll (Wolfgang Neuss) und Funzel (Wolfgang
Müller) an der Unglücksstelle, die ihnen den Tipp geben, die Nacht in einem
nahe gelegenen Wirtshaus zu verbringen. Doch die beiden Räuber locken sie damit
in die vorbereitete Falle, denn in dem abseits gelegenen Gasthaus taucht bald
die Räuberbande mit dem Hauptmann an der Spitze auf, der sich ein ordentliches
Lösegeld für die Comtesse erhofft. Um ihn zu täuschen, gibt sich Felix, der
gemeinsam mit Peter auch im Wirtshaus untergekommen war, verschleiert als
Comtesse aus, die selbst als Räuber verkleidet zu fliehen versucht. Doch als
ihr klar wird, dass sie ihre Freunde damit im Stich lässt, schließt sie sich
der Bande an…
Die Moritat
um die Räuberbande im Spessart, die im 18.Jahrhundert spielen soll, war nicht
nur die vierte Zusammenarbeit Kurt Hoffmanns mit Liselotte Pulver, sondern
wurde einer der erfolgreichsten deutschen Filme der 50er Jahre, der
folgerichtig mit „Spukschloss im Spessart“ (1960) und „Herrliche Zeiten im Spessart“ (1967) noch zwei Fortsetzungen nach sich zog, natürlich jeweils mit
Liselotte Pulver in der Hauptrolle. Ein Erfolg dieser Größenordnung
funktionierte nur mit einem genauen Gespür für den damaligen Publikumsgeschmack,
weshalb der Zahn der Zeit deutlich mehr an "Das Wirtshaus im
Spessart" genagt hat, als an einem weniger kompatiblen Werk wie "Die Zürcher Verlobung", den Helmut Käutner ein Jahr zuvor mit Lieselotte
Pulver drehte.
Der Grund
für den Erfolg der Geschichte um Comtesse Franziska (Liselotte Pulver) lag in
der idealen Kombination damals beliebter Genres. Beginnend mit einem
Vogelhändler und Moritatenerzähler (Rudolf Vogel), der dem Geschehen eine
erzählerische Klammer gibt, liegt ein Schwerpunkt auf dem Gesang, der nicht
kitschig klingt, sondern in einer Art Sprechgesang zwischen komödiantischen,
albernen und sanft kabarettistischen Momenten wechselt. Besonders die beiden Erz-Komiker
Wolfgang Neuss und Wolfgang Müller, die hier als gutmütige, leicht trottelige
Räuber in das Geschehen eingreifen, dürfen sich auf diese Weise über
kleinbürgerliches Denken amüsieren.
Die historisch
anmutende Kulisse vor dem Hintergrund von Wasserschloss Mespelbrunn im Spessart,
wirkt theatralisch künstlich mit betont schmutzigem Räuberlager und einem von
waberndem Nebel umflorten düsteren Wirtshaus mitten im Wald. Eine bewusst
herbei geführte Wirkung, denn trotz der gruseligen Atmosphäre macht Regisseur
Hoffmann kein Geheimnis daraus, dass es sich hier um eine leicht abgedrehte
Komödie handelt, deren Räubermilieu er für respektlose Bemerkungen und moralisch
gewagte Konstellationen nutzte. Der dicke Pfarrer, der das Geschehen mit weisen
Sprüchen und erhobenem religiösen Zeigefinger kommentiert, wirkt entsprechend
deplaziert und lächerlich – eine sanfte Kritik an den kirchlichen
Moralvorstellungen.
"Das
Wirtshaus im Spessart" vermittelt aus heutiger Sicht ein so vieldeutiges, wie
uneinheitliches Bild. Der historische Rahmen versucht trotz schöner Kostüme gar
nicht erst authentisch zu wirken. Einerseits gibt es den Oberst eines
Kavallerieregiments, dessen Auftritt an einen typischen preußischen Offizier (Hubert von Meyerinck) aus der Zeit von Wilhelm II. erinnert, obwohl der Film optisch früher
angesiedelt ist, andererseits spielt Liselotte Pulver die junge Adlige in einer
Mischung aus Rüpelhaftigkeit und Selbstbewusstsein, die für 1958 sehr modern
war. Noch heute ist es gut nachvollziehbar, dass diese Mischung aus Märchen,
gruseliger Räuber-Atmosphäre und Komödie mit vielen witzig frechen Sprüchen und
Gesängen sehr gut ankam, besonders dank der burschikos, respektlosen Liselotte
Pulver. Dazu werden Seitenhiebe auf das Militär, die Kirche, die adligen
geldgierigen Führungskräfte und das Spießbürgertum im Allgemeinen abgegeben.
Und zu alledem gibt es noch eine romantische Liebesgeschichte zwischen der
Comtesse und dem Räuberhauptmann (Carlos Thompson).
Die Story
selbst ist sehr einfach gehalten und liefert nur das Grundgerüst für die Gesänge
und komödiantischen Szenen - und für die frivolen Momente zwischen
unverheirateten Männlein und Weiblein. Leider geht dem wilden Treiben am Ende
ein wenig die Luft aus, da auch „Das Wirtshaus im Spessart“ nicht ohne
Happy-End auskommt und sich der Räuberhauptmann in Wirklichkeit als ganz lieber
und dazu noch adliger Kerl entpuppt. Auch daran wird der Geist von 1958
sichtbar, der sich in einem akzeptierten Rahmen ein wenig Kritik leistet, letztlich
aber doch die Erwartungshaltungen des Publikums an eine schöne unterhaltende
Geschichte erfüllen will.
Trotz
kleinerer Wagnisse wirkt "Das Wirtshaus im Spessart" heute
altmodisch, da sich die kabarettistisch komödiantischen Anspielungen am
damaligen Zeitgeist orientierten und inzwischen betulich und harmlos daher
kommen. Auch den emanzipatorischen Ansatz hält der Film nicht durch, denn die lange
Zeit in einer Hosenrolle agierende Liselotte Pulver akzeptiert am Ende ihre
mädchenhafte Unterordnung, um die Erwartung an Romantik und die gewohnten
Geschlechterrollen zu erfüllen. Die Räuberposse um eine Comtesse, die zusammen
mit Freunden von Räubern entführt wird und als Mann verkleidet entfliehen kann,
hat viel von ihrer damaligen Wirkung verloren, lässt aber den Spaß der
Beteiligten an dem Film nach wie vor spüren, denn Kurt Hoffmann konnte eine Vielzahl
komödiantischer Schauspieler von Hans Clarin, über Ralf Wolter bis Günter
Lüders aufbieten. Und das damals führende Komikerpaar Neuss/Müller befand sich
wie üblich in großartiger Spiellaune, weshalb "Das Wirtshaus im Spessart" auch heute noch bestens unterhalten kann.
weitere im Blog besprochene Filme von Kurt Hoffmann:
"Quax, der Bruchpilot" (1941)
"Drei Männer im Schnee" (1955)
"Ich denke oft an Piroschka" (1955)
"Heute heiratet mein Mann" (1956)
"Wir Wunderkinder" (1958)
"Das Spukschloss im Spessart" (1960)
"Schloss Gripsholm" (1963)
"Herrliche Zeiten im Spessart" (1967)
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