Inhalt: Wie
jedes Jahr im August kommen zahlreiche Erntehelfer nach Tettnang in die Nähe
des Bodensees, um bei der Hopfenernte mit anzupacken. Nach Geschlechtern
getrennt werden sie in Baracken untergebracht, von wo aus sie jeden Tag zu den
Feldern gebracht werden - für viele von ihnen eine wichtige Erwerbsquelle. Doch
diesmal kommt es für Konrad Stammer (Erik Schumann), Sohn des Gutsbesitzers und
engagierter Organisator des Ernteeinsatzes, zu einer überraschenden
Wiederbegegnung.
Unter den
Arbeiterinnen befindet sich Auschra (Edith Mill), eine junge Vertriebene, bei
deren Familie er als Soldat während des 2.Weltkriegs im Memelland Unterkunft
gefunden hatte. Schon damals hatte sie ihm gefallen, weshalb seine Gefühle für
sie erneut entflammen. Zuerst zurückhaltend, beginnt Auschra seine Liebe zu
erwidern, womit sie erhebliche Konflikte herauf beschwört. Konrad Stammer ist
mit Sybille Scharfenberg (Hanna Rucker), der Tochter des benachbarten
Gutsbesitzers (Ernst F.Fürbringer), verlobt und mit Stanislaus Sadowski (Harald
Schmid) taucht ein Mann aus Auschras Heimat auf, der für sich ältere Rechte an
ihr einfordert...
Während seiner
nur wenige Jahre andauernden Karriere als Regisseur und Drehbuchautor widmete
sich Hans H. König größtenteils dem Heimatfilm, bevor er nach
"Jägerblut" (1957) wieder ausschließlich als Schriftsteller
arbeitete. Beginnend mit "Rosen blühen auf dem Heidegrab" (1952),
entstanden seine Werke während der Hochphase des Genres, weshalb seine
außergewöhnliche Art der Inszenierung unter den die Erwartungshaltung des
Publikums meist auf übliche Weise bedienenden Heimatfilmen in Vergessenheit
geriet. An "Heiße Ernte" arbeitete König zudem das vierte Mal mit
Edith Mill zusammen, der damaligen Frau seines Bruders, die erneut die
weibliche Hauptrolle übernahm. Auch Johannes Kai, der seinen Namen nach dem
Krieg änderte, da er unter seinem gebürtigen Namen Hanns Wiedemann für
einschlägige Publikationen während der Zeit des Nationalsozialismus
verantwortlich war, war das dritte Mal an einem seiner Drehbücher beteiligt,
dass sich offensichtlich am neorealistischen Reißer "Riso amaro"
(Bitterer Reis, 1949) von Giuseppe De Santis orientierte.
In beiden
Filmen steht der Einsatz einfacher Arbeiter - hier zur Ernte von Hopfen, in
"Riso amaro" zur Anpflanzung von Reis - im Mittelpunkt, die aus
wirtschaftlichen Gründen gezwungen sind, entfernt von ihrer Heimat unter wenig
komfortablen Bedingungen einem harten Broterwerb nachzugehen. Auch die
Unterbringung in Baracken, die teilweise handgreiflichen Auseinandersetzung der
Frauen auf engstem Raum, die der Regisseur zur Befriedigung voyeuristischer
Einblicke nutzte (von König gleichzeitig wieder ironisiert, indem er die Männer
schamlos glotzen lässt) und die realistische Darstellung des Arbeitseinsatzes,
erinnern stark an "Riso amaro", aber König verzichtete auf jegliche
politische Relevanz und schilderte die Gutsherrn als untadelige Autoritäten,
die ihre Arbeiter unter fairen Bedingungen beschäftigen.
Auch
"Riso amaro" nutzte seinen gesellschaftskritischen Gestus nur
oberflächlich, legte seine Protagonisten aber komplexer an. Anders als Silvana
Mangano, die in ihrer Rolle kriminell handelte und provozierend erotisch
auftrat, muss allein der Hintergrund als nach dem Krieg Vertriebene dafür
herhalten, das Auschra (Edith Mill) mit den Vorurteilen ihrer Umgebung
konfrontiert wird. Ihr wird promiskuitives Verhalten und kalte Berechnung
unterstellt, um den Sohn des Gutsbesitzers Konrad Stammer (Erik Schumann), der
mit der Tochter des benachbarten Gutsbesitzers Sybille Scharfenberg (Hanna
Rucker) verlobt ist, zu verführen. Doch König lässt weder einen Zweifel am
Anstand von Auschra, noch an seiner kritischen Haltung gegenüber den so
Urteilenden. Die Vorurteile gegenüber den Vertriebenen waren sicherlich
Realität in der jungen BRD, aber König nutzte sie nur zur Dramatisierung, ohne
einen generellen gesellschaftskritischen Bezug herzustellen.
Auch die
männlichen Charaktere unterschieden sich deutlich zwischen beiden Filmen.
Vittorio Gassman ist als charmanter Krimineller in „Riso amaro“ differenzierter
gestaltet als Helmut Schmid, der – das dritte Mal von Hans H.König in seinen
Filmen besetzt - mit seiner
körperbetonten Energie für die Rolle des Bösewichts geradezu
prädestiniert wirkt. Wieder aus dem Gefängnis entlassen, verdingt sich
Stanislaus Sadowski (Helmut Schmid) ebenfalls als Erntearbeiter, hat es aber
nur auf Auschra abgesehen, der er bei der Flucht aus dem Memelland beigestanden
war, nachdem ihre Eltern gestorben waren. Daraus macht er gegenüber Konrad
Stammer - der im Vergleich zu Stanislaus blass bleibt, auch wenn er um seine Liebe kämpft - ältere Rechte an ihr geltend, als sich zwischen dem jungen Gutsherrn
und Auschra etwas anbahnt. So lässt es sich begründen, warum der Film später
den Titel "Der Gutsherr und das Mädchen" erhielt, der nur noch auf
diese klassenübergreifende Liebesgeschichte hinwies, obwohl diese Änderung sicherlich auch
von dem Vorbild "Riso amaro" ablenken sollte.
Unnötigerweise,
denn auch wenn Königs Film die italienische Lässigkeit im Umgang mit moralischen
Standards vermissen ließ, so unterschied sich sein Heimatfilm - sowohl in den spontan
wirkenden musikalischen Einlagen, den ungekünstelten Naturaufnahmen, als auch
dem Umgang der Geschlechter untereinander - wesentlich von vielen
volkstümelnden und moralisch verlogenen Kreationen des Genres. Zwar entsprach
die negative Charakterisierung der "selbstbewussten und unabhängigen
Frau" Sybille - die ihren Verlobten folgerichtig an Auschra verliert - der
damals gängigen Meinung, aber entscheidender für die abschließende Wirkung des
Films war, dass die Produktionsgesellschaft in das von König geplante Ende
eingriff. Anstatt dem eindrucksvoll agierenden Helmut Schmid als Wüterich
Stanislaus die abschließende Konsequenz zu überlassen, was den guten
Gesamteindruck gesteigert hätte, musste Edith Mill in einer später
nachgedrehten Szene unrealistischerweise einen meterhohen Absturz überleben,
da dem Publikum das negative Ende nicht zuzumuten gewesen wäre.
"Heiße Ernte" Deutschland 1956, Regie: Hans H. König, Drehbuch: Johannes Kai, Hans H. König, Carl Winston, Darsteller : Edith Mill, Erik Schumann, Helmut Schmid, Hanna Rucker, Maria Sebaldt, Ernst F. Fürbringer Friedrich Domin, Laufzeit : 92 Minuten
weitere im Blog besprochene Filme von Hans H. König:
Bißchen Korrektur lesen hätte nicht geschadet. Ansonsten vielen Dank für diese überaus ernsthafte Beschäftigung mit Filmen aus der deutschen Nachkriegsgesellschaft. Ob die es allerdings verdient haben, wage ich zu bezweifeln. Wie hieß es mal irgendwo in den Erinnerungen von Fritz Muliar: Für mein Geld werden Sie keinen künstlerisch wertvollen Film machen, sprach der Produzent zum Regisseur. Das war Deutschland damals: Restauration und Geld verdienen. Gelernt aus 12 Jahren Wahnsinn hatte man damit eigentlich so gut wie nichts.
AntwortenLöschenIch lese mehrfach Korrektur, häufig auch wiederholt mit zeitlichem Abstand, kann aber nicht ausschließen, Fehler zu übersehen. Worauf sie aber genau in diesem Fall anspielen, habe ich nicht erkennen können - mir ist kein Fehler aufgefallen. Aber das nur nebenbei, interessanter ist Ihre Bemerkung zur ernsthaften Auseinandersetzung mit den Filmen der Nachkriegszeit. Genau das beabsichtige ich, denn fast alle existierenden Texte zu dem Thema sind voller Klischees über die 50er Jahre, ohne differenzierte oder gar historisch in Kontext gesetzte Sichtweise. Dabei ist der Unterhaltungsfilm, gerade weil damit Geld verdient werden sollte, besonders aussagekräftig hinsichtlich der sich verändernden Sozialisation nach dem Krieg - das macht ihn für mich so interessant.
LöschenNaja, nur Kleinigkeiten, einmal Hans H. König, einmal Heinz. Und Helmut Schmid wird einmal zum Harald. Wie gesagt, Kinkerlitzchen, ansonsten meine echte Bewunderung für Ihre sehr aufwendige Riesenarbeit. Grundsätzlich noch eine Anmerkung: Menschen wie Sie, differenziert und mit viel Tiefgang, hochbegabt im Erstellen von Gedankengebäuden, ja sogar -Welten, dürfen nie eine alte Warnung aus den Augen lassen, die früher auf Lebensmittelpackungen zu finden war: Zum alsbaldigen Verbrauch bestimmt. Will sagen, Sie sind niemals der Adressat solcher Filme gewesen und ich auch nicht, obwohl ich ohne Zweifel deutlichst älter bin als Sie. Aber es ist natürlich verlockend, sich à la Rod Taylor in die Zeitmaschine zu setzen, zumal Sie dazu nur Ihr Gehirn brauchen, dem ich ehrlichen Respekt zolle.
AntwortenLöschenDanke, habe ich sofort korrigiert. Das mit den Namen passiert mir häufig, das erkenne ich offensichtlich auch bei mehrfachem Lesen nicht. Sie haben recht, der direkte Adressat dieser Filme bin ich nicht, aber sie übten während meiner TV-Sozialisation Ende der 60er Jahre/ 70er Jahre, als sie noch zum alltäglichen Programm gehörten, eine große Faszination auf mich aus. Meine Zeitreise, wie sie es so schön beschreiben, ist notwendig, um die Filme ernsthaft besprechen zu können und gleichzeitig auf die heute fast nur noch Vorurteile transportierende Kritik zu reagieren. Ich nehme als Beispiel "Die Brücke", der im kollektiven Gedächtnis heute als herausragende Auseinandersetzung mit der Nazi-Zeit gilt. Es gibt wesentlich konsequentere und unangenehmere Filme wie Staudtes "Kirmes", aber auf "Die Brücke" konnte man sich 1959 einigen, wie ich in meinem Text zu analysieren versuche - echte Verantwortung wird darin Niemandem zugewiesen. Im Zeitkontext war der Film trotzdem mutig, aber bis heute hat sich an der Bewertung nichts geändert, wurde der Film nicht hinterfragt. Das gilt auch für die mehr als 200 Heimatfilme, die undifferenziert und ohne die teilweise mehr als 10 Jahren auseinander liegende Veröffentlichung zu berücksichtigen, in einen Sack gesteckt werden.
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