Sonntag, 30. Juni 2013

Der Fischer vom Heiligensee (1955) Hans H. König

Inhalt: Stefan Staudacher (Helmuth Schneider) kommt nach Jahren der Ausbildung zum Forst-Ingenieur wieder in seine Heimat zurück, um die Stelle als Verwalter auf dem Gut der Baronin von Velden (Lil Dagover) anzutreten, die der verstorbene Baron für ihn vorgesehen hatte. Doch nach dessen Tod hatte sich einiges verändert, denn Wolfgang von Döring (Albert Lieven), der Neffe der Baronin, hatte diese Aufgabe übernommen, weshalb er die Ankunft Staudachers als Kritik an seinen Fähigkeiten ansieht. Doch die Baronin kann ihn beruhigen und versichert ihm, dass er weiter die finanzielle Verantwortung trägt und der junge Mann mit ihm zusammenarbeiten soll.

Für Staudacher stellt sich diese Konstellation als schwierig heraus, da sich Von Döring jede Einmischung in seine Angelegenheiten verbietet. Er ahnt nicht, dass Von Döring kein Interesse daran hat, dass Jemand in die Bücher sieht, da er heimlich Geld für sich abzweigt, um Gilchert (Siegfried Lowitz) zu bezahlen, der ihn erpresst, weil er allein für einen von ihnen begangenen Betrug im Gefängnis gesessen hatte. Auch die Annäherung Staudachers an die Baronesse Sabine (Edith Mill) durchkreuzt seine Pläne, da er sich eine Heirat mit ihr erhofft, um endgültig Zugriff auf das Vermögen der Familie Von Velden zu bekommen…


Mitte der 50er Jahre befand sich der Heimatfilm in seiner Hochphase und die Standards, die wirtschaftlichen Erfolg an der Kinokasse versprachen, hatten sich entsprechend bewährt. Die Schönheit einer unberührten Landschaft, die das Publikum von den im Krieg zerstörten Städten ablenken sollte, gab den Hintergrund für die nach den immer gleichen Regeln entworfenen Geschichten, in deren Mittelpunkt meist ein Liebespaar stand, dass auf Grund von Standesdünkeln oder moralischer Entrüstung der örtlichen Bewohner nicht zusammen kommen durfte. Dabei vertraten die Heimatfilme einen scheinbar modernen, gegen die herrschende Meinung gerichteten Standpunkt, da sie die Liebe der zwei attraktiven Protagonisten herauf beschworen, aber in der Regel fanden sich am Ende - selbstverständlich nach einer gewissen dramatischen Zuspitzung - begütigende Situationen, die sowohl das Happy-End ermöglichten, als auch eine konservative Haltung bestätigten, mit der sich der Großteil der Zuschauer identifizieren konnte.

Regisseur Heinz H.König, dessen erster zu pessimistisch angelegten Heimatfilm "Rosen blühen auf dem Heidegrab" (1952) kein großer Erfolg wurde, hielt sich in "Der Fischer vom Heiligensee" an diese Kriterien, weshalb sein zweiter Film mit Hauptdarstellerin Edith Mill, der damaligen Frau seines Bruders, aus heutiger Sicht als typischer Vertreter des Genres angesehen wird. Doch dieser Eindruck täuscht, denn die Zusammenarbeit mit Drehbuchautor Johannes Kai, der später noch in "Heiße Ernte" (1956) und "Jägerblut" (1957) an Königs Seite mitwirkte, unterscheidet sich in wesentlichen Details von den überwiegend konventionellen Ablegern des Genres, die dem Film zwar nicht die Vorhersehbarkeit nahmen, aber fast vollständig auf reaktionäres Gedankengut und die damals propagierten konservativen Geschlechterrollen verzichtete.

Neben dem außergewöhnlichen Fakt, dass es hier die Frau ist - Baronesse Sabine von Velden (Edith Mill) - die gesellschaftlich über dem Forst-Ingenieur Stefan Staudacher (Helmuth Schneider) steht, der nur der Sohn des ortsansässigen Fischers (Heinrich Gretel) ist und seine Ausbildung Sabines verstorbenem Vater verdankt, sind es besonders die Darsteller Lil Dagover, Albert Lieven und Siegfried Lowitz, die hier den Unterschied ausmachen. Lil Dagover als Sabines Mutter Baronin Hermine von Velden ist jederzeit souverän in ihrem Standesdünkel, dabei angemessen und selbstbewusst auftretend. Sie vertraut ihrem Neffen Wolfgang von Döring (Albert Lieven), der das Gut nach dem Tod ihres Mannes verwaltet, ohne zu ahnen, dass er sie hintergeht, um seinen früheren Kompagnon Gilchert (Siegfried Lowitz) auszubezahlen, der für ein von ihnen gemeinsam begangenes Betrugsdelikt ins Gefängnis gegangen war.

Diese Gut-Böse-Konstellation ist zwar klischeehaft angelegt, weshalb jedem Betrachter klar sein dürfte, dass Von Döring bei Sabine als Mann keine Chance gegen den anständigen und tüchtigen Stefan Staudacher hat, aber Albert Lieffens Spiel verliert in seinem immer verzweifelter werdenden Versuch, gegenüber seiner Tante das Gesicht zu wahren, nie die Contenance, während Siegfried Lowitz geradezu aufreizend lässig die Rolle des Erpressers übernimmt, der keine groben Mittel anwendet, sondern mit gewählten Worten Druck ausübt. Heinz H.König inszenierte diese Konstellation straff und mit fast vollständigem Verzicht auf den sonst typischen Altherren-Humor (nur Beppo Brem darf einmal kurz alkoholisch über die Stränge schlagen), herzige Kinder und folkloristische Einlagen, die nur bei dem abschließenden Happy-End einen Moment lang ins Bild gerückt werden. Der Landschaft widmet er einige beeindruckende Kameraeinstellungen, aber sein Augenmerk liegt auf den Protagonisten, die jederzeit nachvollziehbar und ohne die für den Heimatfilm typischen Übertreibungen agieren – selbst die vorhersehbare Liebesgeschichte fällt innerhalb des Gesamtkontextes nicht unangenehm ins Gewicht.

Stattdessen entwickelt König geschickt eine Dramatik, die zwangläufig auf die Katastrophe zuläuft, und erinnert damit in seinen besten Momenten an die Melodramen Douglas Sirks. Auch wenn dem Ende die Konzession an den Heimatfilm anzumerken ist, benötigt der Film keine zusätzlichen Beschönigungen und relativiert nicht, dass der Sohn des Fischers die Baronesse heiratet – ein überraschender Moment der Moderne im deutschen Heimatfilm.

"Der Fischer vom Heiligensee" Deutschland 1955, Regie: Hans H. König, Drehbuch: Johannes Kai, Darsteller : Edith Mill, Lil Dagover, Helmuth Schneider, Albert Lieven, Siegfried Lowitz, Anneliese Kaplan, Heinrich Gretler, Beppo BremLaufzeit : 87 Minuten 

weitere im Blog besprochene Filme von Hans H. König:

"Heiße Ernte" (1956)
"Jägerblut" (1957)

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