Inhalt: Stefan
Staudacher (Helmuth Schneider) kommt nach Jahren der Ausbildung zum
Forst-Ingenieur wieder in seine Heimat zurück, um die Stelle als Verwalter auf
dem Gut der Baronin von Velden (Lil Dagover) anzutreten, die der verstorbene
Baron für ihn vorgesehen hatte. Doch nach dessen Tod hatte sich einiges
verändert, denn Wolfgang von Döring (Albert Lieven), der Neffe der Baronin,
hatte diese Aufgabe übernommen, weshalb er die Ankunft Staudachers als Kritik
an seinen Fähigkeiten ansieht. Doch die Baronin kann ihn beruhigen und
versichert ihm, dass er weiter die finanzielle Verantwortung trägt und der
junge Mann mit ihm zusammenarbeiten soll.
Für
Staudacher stellt sich diese Konstellation als schwierig heraus, da sich Von
Döring jede Einmischung in seine Angelegenheiten verbietet. Er ahnt nicht, dass
Von Döring kein Interesse daran hat, dass Jemand in die Bücher sieht, da er
heimlich Geld für sich abzweigt, um Gilchert (Siegfried Lowitz) zu bezahlen,
der ihn erpresst, weil er allein für einen von ihnen begangenen Betrug im
Gefängnis gesessen hatte. Auch die Annäherung Staudachers an die Baronesse
Sabine (Edith Mill) durchkreuzt seine Pläne, da er sich eine Heirat mit ihr
erhofft, um endgültig Zugriff auf das Vermögen der Familie Von Velden zu
bekommen…
Mitte der
50er Jahre befand sich der Heimatfilm in seiner Hochphase und die Standards,
die wirtschaftlichen Erfolg an der Kinokasse versprachen, hatten sich
entsprechend bewährt. Die Schönheit einer unberührten Landschaft, die das
Publikum von den im Krieg zerstörten Städten ablenken sollte, gab den
Hintergrund für die nach den immer gleichen Regeln entworfenen Geschichten, in
deren Mittelpunkt meist ein Liebespaar stand, dass auf Grund von Standesdünkeln
oder moralischer Entrüstung der örtlichen Bewohner nicht zusammen kommen
durfte. Dabei vertraten die Heimatfilme einen scheinbar modernen, gegen die
herrschende Meinung gerichteten Standpunkt, da sie die Liebe der zwei
attraktiven Protagonisten herauf beschworen, aber in der Regel fanden sich am
Ende - selbstverständlich nach einer gewissen dramatischen Zuspitzung -
begütigende Situationen, die sowohl das Happy-End ermöglichten, als auch eine
konservative Haltung bestätigten, mit der sich der Großteil der Zuschauer
identifizieren konnte.
Regisseur
Heinz H.König, dessen erster zu pessimistisch angelegten Heimatfilm "Rosen
blühen auf dem Heidegrab" (1952) kein großer Erfolg wurde, hielt sich in
"Der Fischer vom Heiligensee" an diese Kriterien, weshalb sein
zweiter Film mit Hauptdarstellerin Edith Mill, der damaligen Frau seines
Bruders, aus heutiger Sicht als typischer Vertreter des Genres angesehen wird.
Doch dieser Eindruck täuscht, denn die Zusammenarbeit mit Drehbuchautor
Johannes Kai, der später noch in "Heiße Ernte" (1956) und
"Jägerblut" (1957) an Königs Seite mitwirkte, unterscheidet sich in
wesentlichen Details von den überwiegend konventionellen Ablegern des Genres,
die dem Film zwar nicht die Vorhersehbarkeit nahmen, aber fast vollständig auf
reaktionäres Gedankengut und die damals propagierten konservativen
Geschlechterrollen verzichtete.
Neben dem
außergewöhnlichen Fakt, dass es hier die Frau ist - Baronesse Sabine von Velden
(Edith Mill) - die gesellschaftlich über dem Forst-Ingenieur Stefan Staudacher
(Helmuth Schneider) steht, der nur der Sohn des ortsansässigen Fischers
(Heinrich Gretel) ist und seine Ausbildung Sabines verstorbenem Vater verdankt,
sind es besonders die Darsteller Lil Dagover, Albert Lieven und Siegfried
Lowitz, die hier den Unterschied ausmachen. Lil Dagover als Sabines Mutter Baronin
Hermine von Velden ist jederzeit souverän in ihrem Standesdünkel, dabei angemessen
und selbstbewusst auftretend. Sie vertraut ihrem Neffen Wolfgang von Döring
(Albert Lieven), der das Gut nach dem Tod ihres Mannes verwaltet, ohne zu
ahnen, dass er sie hintergeht, um seinen früheren Kompagnon Gilchert (Siegfried
Lowitz) auszubezahlen, der für ein von ihnen gemeinsam begangenes Betrugsdelikt
ins Gefängnis gegangen war.
Diese
Gut-Böse-Konstellation ist zwar klischeehaft angelegt, weshalb jedem Betrachter
klar sein dürfte, dass Von Döring bei Sabine als Mann keine Chance gegen den
anständigen und tüchtigen Stefan Staudacher hat, aber Albert Lieffens Spiel
verliert in seinem immer verzweifelter werdenden Versuch, gegenüber seiner
Tante das Gesicht zu wahren, nie die Contenance, während Siegfried Lowitz
geradezu aufreizend lässig die Rolle des Erpressers übernimmt, der keine groben
Mittel anwendet, sondern mit gewählten Worten Druck ausübt. Heinz H.König
inszenierte diese Konstellation straff und mit fast vollständigem Verzicht auf
den sonst typischen Altherren-Humor (nur Beppo Brem darf einmal kurz
alkoholisch über die Stränge schlagen), herzige Kinder und folkloristische
Einlagen, die nur bei dem abschließenden Happy-End einen Moment lang ins Bild
gerückt werden. Der Landschaft widmet er einige beeindruckende
Kameraeinstellungen, aber sein Augenmerk liegt auf den Protagonisten, die
jederzeit nachvollziehbar und ohne die für den Heimatfilm typischen
Übertreibungen agieren – selbst die vorhersehbare Liebesgeschichte fällt
innerhalb des Gesamtkontextes nicht unangenehm ins Gewicht.
Stattdessen
entwickelt König geschickt eine Dramatik, die zwangläufig auf die Katastrophe
zuläuft, und erinnert damit in seinen besten Momenten an die Melodramen Douglas
Sirks. Auch wenn dem Ende die Konzession an den Heimatfilm anzumerken ist,
benötigt der Film keine zusätzlichen Beschönigungen und relativiert nicht, dass
der Sohn des Fischers die Baronesse heiratet – ein überraschender Moment der
Moderne im deutschen Heimatfilm.
"Der Fischer vom Heiligensee" Deutschland 1955, Regie: Hans H. König, Drehbuch: Johannes Kai, Darsteller : Edith Mill, Lil Dagover, Helmuth Schneider, Albert Lieven, Siegfried Lowitz, Anneliese Kaplan, Heinrich Gretler, Beppo Brem, Laufzeit : 87 Minuten
weitere im Blog besprochene Filme von Hans H. König:
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