Inhalt:
April 1945 - die 16jährigen Jungen der Schulklasse eines kleinen Ortes hoffen,
dass sie noch zur Wehrmacht eingezogen werden, um Deutschland zum Sieg zu
verhelfen. Zwar haben auch sie die alltäglichen Probleme Jugendlicher mit
Eltern oder der ersten Liebe, aber vorherrschend bleibt ihre Begeisterung für
einen Krieg, dessen Verlauf sie genau verfolgen, dabei jedes Wort der
nationalsozialistischen Propaganda aufsaugend. Ihr Lehrer hatte diese
Sichtweise lange Zeit unterstützt, sie aber angesichts der immer näher
kommenden us-amerikanischen Armee inzwischen aufgegeben.
Doch seine
Einsicht kommt zu spät. Voller Begeisterung folgen die Jungen dem
Einzugsbefehl, obwohl die Erwachsenen ihre Rekrutierung für sinnlos halten.
Dank der Einflussnahme ihres Lehrers und der Einsicht der Wehrmachts-Offiziere
kommen sie nicht an die Front, sondern erhalten einen Wachposten an einer
strategisch unwichtig scheinenden Brücke…
"Die
Brücke" war nicht nur Bernhard Wickis erster abendfüllender Spielfilm, er
gilt zudem als der erste deutsche Anti-Kriegsfilm, der das unmenschliche System
des Nationalsozialismus ungeschönt wieder gegeben hat. "Die Brücke"
wurde mit Preisen überhäuft bis hin zu einem "Golden Globe Award" und
der Nominierung für den "Oscar" als bester fremdsprachiger Film -
eine Vielzahl an Auszeichnungen, wie sie bis heute kaum ein anderer deutscher
Film aufzuweisen hat, weshalb es nicht erstaunt, dass "Die Brücke"
als einziger deutscher Film der Nachkriegszeit in den Filmkanon zur
Schulbildung aufgenommen wurde. Angesichts seiner Entstehungszeit, Ende der
50er Jahre, als die damals populären Kriegsfilme noch den anständigen, nur
unter einem mörderischen Regime leidenden Wehrmachtssoldaten in den Mittelpunkt
stellten, erstaunt der allgemeine Konsens, den "Die Brücke" national
wie international erfuhr, der dem Film einen bis heute andauernden
Bekanntheitsgrad zusicherte.
Die
Entstehung von "Die Brücke" hat eine längere Vorgeschichte, auch wenn
die Story auf dem autobiografischen Roman von Gregor Dorfmeister basiert, der
diesen 1958 unter dem Pseudonym Manfred Gregor veröffentlichte. Bernhard Wicki,
in St.Pölten bei Wien geborener Schweizer Staatsbürger, wuchs zeitweise in
Deutschland auf und machte sein Abitur in Bad Warmbrunn, Schlesien, bevor er
später nach Berlin ging. Dort wurde er 1939 wegen seiner Mitgliedschaft bei der
"Bündischen Jugend" verhaftet und war mehrere Monate im KZ Sachsenhausen
inhaftiert. Nach seiner Entlassung arbeitete er erst in Österreich, später
wieder in Deutschland als Theaterschauspieler, bevor er Anfang 1945 mit seiner
Frau Agnes Fink das Land verließ und in die Schweiz übersiedelte. Ab 1950
gehörte er zum Ensemble des bayrischen Staatsschauspiels in München, von wo aus
er seine Filmkarriere begann.
Die
Begegnung mit Helmut Käutner wurde zum entscheidenden Schritt in Richtung einer
engagierten kritischen Auseinandersetzung mit der Zeit des Nationalsozialismus.
In Käutners 1954 entstandenem Film "Die letzte Brücke", der konsequent
am Beispiel jugoslawischer Partisanen und einer deutschen Ärztin den Wahnsinn
des Krieges demaskierte, spielte Wicki seine erste Hauptrolle. „Die letzte
Brücke“ erfuhr internationale Anerkennung, kam für die Deutschen aber zu früh und
ist heute fast vergessen. In "Die Zürcher Verlobung" (1957) spielte
er ein weiteres Mal unter Käutner, bei dessen Film "Monpti" (1957) er
als Regie-Assistent erstmals hinter der Kamera stand. Zuvor hatte er eine Rolle
in Laslo Benedeks Film "Kinder, Mütter und ein General" (1955)
übernommen, der früh die gleiche Thematik einer verführten Jugend behandelte,
die kurz vor dem Ende des Krieges sinnlos geopfert wurde. Doch obwohl der Film
ebenfalls den "Golden Globe Award" als bester fremdsprachiger Film
gewann, ist er heute nahezu unbekannt. Ähnliches gilt für "Unruhige
Nacht", der mit Bernhard Wicki als Priester unter der Regie des ehemaligen
Widerstandskämpfers Falk Harnack 1958 entstand und die letzte Nacht eines
Soldaten vor seiner Abordnung nach Stalingrad beschreibt.
Angesichts
der engagierten und die Zeit des Nationalsozialismus kritisch betrachtenden
Werke, an denen allein Bernhard Wicki beteiligt war, stellt sich die Frage,
warum "Die Brücke" heute eine so singuläre Bedeutung besitzt und quasi
als erster Anti-Kriegsfilm gilt? - Wickis an den expressiven
Schwarz-Weiß-Bildern der Stummfilmzeit orientierte Optik, verleiht dem Ort des
Geschehens eine karge, grobkörnige Anmutung, der Storyaufbau erfolgt zügig und ist
klar strukturiert in drei Teile gegliedert - das Leben der Jugendlichen als
Vorgeschichte, ihre Musterung und Stationierung an der Brücke, das eskalierende
Gefecht - wodurch der beabsichtigte dokumentarische Charakter entstehen konnte.
Mit dieser gestalterischen Konsequenz entfernte sich Wicki vom typischen
deutschen Nachkriegskino, womit er dem allgemeinen Konsens eher widersprach, zumal
in einer Phase, in der die Bereitschaft zur selbstkritischen Analyse noch kaum
vorhanden war – Helmut Käutners „Der Rest ist Schweigen“ (1959) und Wolfgang
Staudtes „Kirmes“ (1960) scheiterten bei Publikum wie Kritik grandios.
Entscheidend
für den Erfolg des Films ist die konsequent aus dem Blickwinkel der 16jährigen
Jungen erzählte Story, mit der Wicki Angriffspunkte vermied. Typisch war der
Vorwurf einer klischeehaften Darstellung von Nationalsozialisten oder mangelnde
Authentizität der realen Hintergründe, klassische Totschlagargumente, mit denen
jeder kritische Ansatz zunichte gemacht werden konnte. Auch in „Die Brücke“
gibt es einen NSDAP-Bürgermeister, der seine Frau angeblich in Sicherheit
bringt, um sich mit seiner Geliebten amüsieren zu können, so wie ein Vater eine
Liebesbeziehung mit der jungen Angestellten seines Friseurladens hat, in die
sein Sohn heimlich verliebt ist. Doch das bleiben kleine Geschichten am Rande,
immer aus der Sicht der Jungen erzählt. Dagegen widmet sich Wicki ausführlich
der Jugendliebe zwischen Klaus (Volker Lechtenbrink) und Franziska (Cordula
Trantow), die ihren Höhepunkt hat, als sich Franziska beim Abschied einen Kuss
erhofft, Klaus aber nur seine ihr zuvor geschenkte Uhr zurückhaben möchte, die
er bei seinem soldatischen Einsatz angeblich benötigt. Der leere Blick des
Mädchens, wenn er - sie kaum noch beachtend – mit kindlich wirkender
Begeisterung seiner Mutter von dem Einzugsbefehl am Telefon berichtet, bleibt in Erinnerung - eine Szene,
auf die sich Alle einigen können.
„Die Brücke“
vermischte typische Verhaltensweisen pubertärer junger Männer und die ihnen von
einem mörderischen Regime anerzogenen Begriffe von Ehre und Vaterland, um die
Ausbeutung auch der Jüngsten für eine sinnlose Sache zu verdeutlichen – doch
den Hintergrund einer Gesellschaft, die diese Haltung erst ermöglichte,
beleuchtete er nicht. Im Gegenteil reagieren die Erwachsenen fassungslos auf
die Einberufungsbefehle der Jungen, die fast losgelöst von der sonst
vorherrschenden Meinung voller Hoffnung in den Kampf ziehen. Auch die Soldaten,
allen voran Heilmann (Günter Pfitzmann), halten nichts von dem Einsatz der
„Volksfront“, mit der die Nationalsozialisten die Rekrutierung alter Menschen
und Jugendlicher rechtfertigten, und versuchen die Jungen vor ihrem eigenen Eifer
zu schützen. Neben dem diktatorischen System steht einzig der Lehrer, der
seinen Schülern den selbst zerstörerischen Corps-Geist eintrichterte, als
Schuldiger dar, hat seinen Fehler aber inzwischen eingesehen und versucht noch,
die Jungen zu retten. Die tragischen Ereignisse, die zum Tod fast aller Jugendlicher
führen, wirken wie eine Verkettung unglücklicher Umstände, gespeist aus
Misstrauen und falschem Gehorsam, aber auch normalem männlichen Imponiergehabe,
etwa wenn der Jüngste von ihnen bei einem Fliegerangriff stehen bleibt, weil
ihn seine Kameraden zuvor in einer ungefährlichen Situation, bei der er sofort
zu Boden gegangen war, ausgelacht hatten.
Bernhard
Wickis Film hat den Vorteil einer hohen Identifikation mit den jugendlichen
Darstellern um Fritz Wepper, Folker Bohnet oder Michael Hinz - für fast Jeden
von ihnen wurde „Die Brücke“ der Startschuss einer langen Karriere - weshalb
die schonungslosen Bilder der verzweifelten und tödlich verwundeten Jungen ihre
Wirkung bis heute nicht verloren haben. Das ihre Erziehung und Verblendung nur
in einem Umfeld geschehen konnte, welches diesen Geist generell transportierte,
lässt der Film hingegen weg, womit er ähnliche Kompromisse einging wie beinahe
alle kritischen Filme dieser Phase - dank der Konzentration auf die
Jugendlichen, fällt die oberflächliche Gestaltung der Erwachsenen nur weniger
ins Gewicht. Für seine Entstehungszeit, aber auch wegen seiner Zugänglichkeit
für ein junges Publikum, bleibt „Die Brücke“ ein wichtiger Beitrag des
deutschen Films, sein singulärer Charakter steht dagegen signifikant für die
Schwierigkeiten einer Vergangenheitsbewältigung, die sich hier auf einen
gemeinsamen Nenner einigen konnte.
"Die Brücke" Deutschland 1959, Regie: Bernhard Wicki, Drehbuch: Michael Mansfeld, Karl-Wilhelm Vivier, Bernhard Wicki, Manfred Gregor (Roman), Darsteller : Fritz Wepper, Folker Bohnet, Michael Hinz, Volker Lechtenbrink, Günter Pfitzmann, Cordula Trantow, Siegfried Schürenberg, Laufzeit : 98 Minuten
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen