Samstag, 18. Mai 2013

08/15 In der Heimat (1955) Paul May


Inhalt: 1945 - kurz vor dem Ende des 2.Weltkrieges. Die amerikanischen Truppen rücken immer weiter vor, während sich Leutnant Asch (Joachim Fuchsberger) mit seiner Einheit ebenfalls der Heimat nähert. Allerdings ohne militärische Systematik, denn das Land befindet sich längst im Chaos.

Überall versuchen sich die Menschen schon auf die neuen Zeiten einzustellen, entfernen Parteiabzeichen oder ziehen sich als Soldaten zivile Kleidungsstücke an. Einige versuchen auch noch von der Situation zu profitieren und scheuen sich dabei nicht, über Leichen zu gehen...


Herbert Asch (Joachim Fuchsberger), inzwischen zum Leutnant befördert, nähert sich mit seiner Einheit dem heimatlichen Stützpunkt. Allerdings kann von einem geordneten Rückzug nicht mehr die Rede sein, denn das Land befindet sich im Frühling 1945, kurz vor dem Ende des 2.Weltkrieges, in Auflösung. Während die amerikanischen Truppen, ohne noch auf großen Widerstand zu treffen, die einzelnen Ortschaften übernehmen und neue Organisationen aufbauen, versuchen sich die Deutschen auf diese Verhältnisse einzustellen. Alles was eine zu große Nähe zur nationalsozialistischen Partei beweisen könnte, wird hastig entfernt, während viele Soldaten versuchen an Zivilkleidung zu kommen, um so der Gefangenschaft zu entgehen.

"08/15 - In der Heimat" vermittelt diese Übergangsphase in einer Authentizität, wie sie im Film ähnlich nicht mehr zu sehen war. Bernhard Wickis "Die Brücke" (1959) konzentrierte sich auf das letzte sinnlose Gefecht kurz vor dem Ende des Krieges, in dem Jugendliche in politischer Verblendung zu einem Zeitpunkt geopfert wurden, als es längst geboten war, die Waffen niederzulegen. "08/15 – In der Heimat" verwendete dieses Motiv ebenfalls, aber als ein Ereignis von vielen, weshalb der sinnlose Tod zweier Hitlerjungen an Prägnanz verliert. Wolfgang Staudtes "Die Mörder sind unter uns" (1946) beschäftigte sich mit der unmittelbaren Phase nach dem Krieg. Die Verdrängung der eigenen Vergangenheit spielte hier eine entscheidende Rolle und damit die Problematik, Schuldige zur Verantwortung zu ziehen, aber das totale Chaos wie es hier gezeigt wurde, war schon wieder einer gewissen Ordnung gewichen.

Nicht nur inhaltlich, auch inszenatorisch verließ der dritte Teil die gewohnte Ordnung. Erstmals findet die Story nicht mehr innerhalb militärischer Einheiten statt, denn die Soldaten sind nur noch auf sich allein gestellt. Stattdessen bestimmen zwei Kriegsverbrecher die Handlung. Oberst Hauk (Hannes Schiel) und sein Adjutant Oberleutnant Greifer (Michael Janisch), bei denen es sich in Wirklichkeit um Vertreter des Sicherheitsdienstes der SS handelt, haben sich fälschlicherweise Wehrmachts-Uniformen angezogen, um sich diverse Reichtümer anzueignen. Sie nutzen die allgemeine Verunsicherung und scheuen bei ihren Unternehmungen weder Folter noch Mord. Asch durchschaut schnell ihre wahren Beweggründe und macht sich zusammen mit Kowalski (Peter Carsten) auf die Verfolgung.

Während in „08/15 – zweiter Teil“ ein von der Berliner Zentrale geschickter Hauptmann für die "böse Tat" (in diesem Fall ein Angriff auf russische Soldaten) zuständig war, ist Kirst hier in der Schuldzuweisung noch rigoroser. Die negative Darstellung der SS-Sturmbannführer, die es zudem wagten, Armee-Uniformen anzuziehen, steht stellvertretend für deren alleinige Schuld an den Kriegsverbrechen. Auch die weiteren hier geschilderten rücksichtslosen Maßnahmen an der „Heimatfront“, haben mit dem tapfer kämpfenden Landser nichts zu tun - Todesstrafen für geringe Vergehen wegen angeblicher Wehrkraftzersetzung, alte Männer und Kinder, die in ein letztes Gefecht geschickt werden, nur weil einige wenige Verblendete immer noch an den Sieg glauben, während sich die Zivilbevölkerung genauso schnell an die Brust der Besatzer schmeißt, wie sie sich von ihren bisherigen politischen Überzeugungen verabschiedet.

Die Soldaten werden dagegen erneut zu "Opfern" der Umstände, denn Asch und seine Kameraden verhalten sich weit weniger flexibel, geraten in Gefangenschaft und müssen hilflos zusehen, wie schnell sich ihre Landsleute an die neuen Verhältnisse anpassen. Zum Schluss tritt Asch, unfreiwilliger Held der drei „08/15“ – Filme, als unerwünscht ab, womit Kirst das Lebensgefühl vieler ehemaliger Soldaten traf, die teilweise erst wenige Jahre zuvor aus der Kriegsgefangenschaft zurückkehrten, während die junge Bundesrepublik schon ihr Wirtschaftwunder erlebte. Damit wagte sich Kirst zwar erneut weit vor, hinterlässt im dritten Teil aber trotzdem den zwiespältigsten Eindruck.

Bisherige Konstanten, die in den zwei ersten Teilen von Bedeutung waren, wurden im abschließenden Teil nicht mehr aufgegriffen. Aschs Ehefrau, die dieser im zweiten Teil betrogen hatte (eine für die damalige Zeit bemerkenswerte Konsequenz) - und damit auch ihr gemeinsames Kind – existieren hier nicht mehr. Auch Aschs Schwester Ingrid, die mit ihrer BDM-Begeisterung für das nationalsozialistische Element in den ersten beiden Teilen sorgte und als Geliebte der tragischen Figur Vierbein versagte, wurde thematisch fallen gelassen. Selbst beim Wiedersehen Aschs mit seinem Vater finden sie keine Erwähnung mehr. Dieser Bruch in der sonst konsequent eingehaltenen Kontinuität der drei Filme - selbst O.E.Hasse spielt als Oberbefehlshaber hier wieder eine wichtige Rolle -  verdeutlicht, dass Aschs moralisches Verhalten in „08/15 – zweiter Teil“ der Erwartung an eine Identifikationsfigur nicht entsprochen hatte, weshalb er hier wieder zum Junggesellen wurde. Entsprechend unverkrampft kann er sich gegenüber einem Offiziersliebchen (Renate Ewert) verhalten, die er ungeniert mitnimmt - einem allein stehenden Mann ließ man diesen Flirt durchgehen.

Auch der generelle Fatalismus, der für „08/15 – zweiter Teil“ signifikant war, lässt sich in „08/15 – In der Heimat“ nicht mehr feststellen. Hinterließen die Soldaten im russischen Winter noch einen demoralisierten und ungepflegten Eindruck, tritt Leutnant Asch hier wieder adrett mit vorbildlicher Frisur auf und selbst Kowalski zeigt sich frisch rasiert. Bedenkt man, dass sie seit sechs Jahren in einem Krieg kämpfen, dessen Niederlage sich schon lange abzeichnete, ist ihnen das weder psychisch noch physisch anzumerken. Offensichtlich ging „08/15 –zweiter Teil“ für das damalige Empfinden zu weit in der Beschreibung des Verlusts jeder soldatischer Disziplin, denn obwohl „08/15 – In der Heimat“ den Niedergang Deutschlands noch steigerte und von strukturierten militärischen Aktionen nicht mehr die Rede sein konnte, hinterlassen die Wehrmachtssoldaten hier einen psychisch und physisch deutlich besseren Eindruck.

Durch die enge Verzahnung mit dem Zivilleben in Deutschland - in den ersten beiden Teilen fand die Handlung fast ausschließlich innerhalb des Militärs statt -  wird im letzten Teil der Trilogie erst offensichtlich, dass kontroverse Themen wie die Existenz von Konzentrationslagern - und damit die gezielte Verfolgung von Juden und politisch anders Denkender – vollständig ausgespart wurden, womit der Film die in den 50er Jahren noch verbreitete Haltung betonte, der "Durchschnittsbürger" hätte davon nichts bemerkt. Betrachtet man die Gestaltung der Identifikationsfigur Asch, dessen Intelligenz im Umgang mit seinen Vorgesetzten und sein frühes Durchschauen der Nationalsozialisten, lässt sich diese Behauptung nicht aufrecht erhalten. Kirst und Regisseur Paul May deshalb Verharmlosung vorzuwerfen, fällt schwer, denn „08/15 – In der Heimat“ ist in vielen Details erstaunlich kritisch, die Abschwächungen und Kompromisse, besonders hinsichtlich der Konsequenzen nach dem 2.Teil, verdeutlichen aber auch, bis zu welchem Punkt das Publikum damals bereit war, in dieser Hinsicht mitzugehen. 

"08/15 In der Heimat" Deutschland 1955, Regie: Paul May, Drehbuch: Ernst Von Salomon, Hans Hellmut Kirst (Roman)Darsteller : Joachim Fuchsberger, O.E.Hasse, Hans Christian Blech, Gustav Knuth, Emmerich Schrenk, Helen Vita, Renate Ewert, Mario Adorf, Laufzeit : 92 Minuten


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