Inhalt: Schulinspektor
Wagner (Ernst F. Fürbringer) ist voll des Lobes für den Studienrat Dr. Hermann
Seidel (Heinz Rühmann), dessen Klasse wie gewohnt den besten Eindruck
hinterlässt. Doch diesmal belässt er es nicht bei der Anerkennung für den zwar
respektierten, aber wenig beliebten Lehrer, sondern fordert ihn heraus. Eine
Oberprima in der Großstadt bereite ihm Sorgen, die sich als schwer erziehbar
erwiesen hätte. Da der bisherige Klassenlehrer entnervt aufgegeben hätte, sucht
er eine neue Lehrkraft, aber das wäre eine ganz andere Herausforderung für
einen Pädagogen, als in einem Provinzstädtchen zu lehren. Als Wagner ihn fragt,
ob er sich diese Aufgabe zutraut, kann Dr. Seidel gar nicht anders, als sie
anzunehmen.
In der
neuen Schule angekommen, wird er mit einer allgemeinen Ablehnung konfrontiert.
Weder zollen ihm seine neuen Schüler Respekt, noch reagieren sie auf seinen
Unterricht. Stattdessen wird er versehentlich mit einem Faustschlag zu Boden
geschickt, als er auf dem Schulhof in eine Rangelei gerät. Seidel versucht es
deshalb mit Härte, als er Achim Bork (Peter Kraus) mit anzüglichen Fotos einer
jungen Frau erwischt. Er konfisziert sie und bestellt seine
Erziehungsberechtigten zu sich. Da seine Eltern beide tot sind, lebt Achim bei
seiner älteren Schwester Vera Bork (Wera Frydtberg), die auf den Aufnahmen zu
sehen ist, die sie für ihre Arbeit machen ließ. Achim hatte sie beim Fotografen
abgeholt, weshalb sie sehr abweisend auf die autoritären Methoden des Lehrers
reagiert und seine altmodische Haltung kritisiert. Ihr Bruder kann ihr da nur
beipflichten, denn ihn interessieren nur sein Moped und die Gang, mit der er um
die Häuser zieht. Ihr Anführer ist Harry Engelmann (Klaus Löwitsch), der vom
Gymnasium gewiesen wurde, wodurch sein Einfluss aber nicht geringer wurde, wie
Dr. Seidel bald feststellen muss…
In dem
kleinen Provinzstädtchen ist die Welt Ende der 50er Jahre noch in Ordnung. Wenn
Herr Studienrat Dr. Hermann Seidel (Heinz Rühmann) morgens zum Gymnasium
schreitet, hängt die Kioskbetreiberin schnell den "Spiegel" vor die
Blätter mit den unzüchtigen Fotografien, der Verkehrspolizist grüßt freundlich
und die Schüler stehen stramm, sobald er das Klassenzimmer betritt.
Selbstverständlich rattern sie perfekt die Jahreszahlen aus der Zeit Napoleons herunter,
die ihnen ihr Geschichtslehrer zuvor eingebläut hatte. Der anwesende
Schulinspektor Wagner (Ernst F. Fürbringer) ist zwar voll des Lobes für den
Vorzeigelehrer, aber es gelingt ihm, Seidel zu provozieren, indem er dessen
Leistung relativiert. Eine Oberklasse an einem großstädtischen Gymnasium wäre
eine deutlich anspruchsvollere Aufgabe für einen Lehrer, besonders da sie als
schwer erziehbar gilt und gerade einen Klassenlehrer verschlissen hätte. Das
lässt sich Dr. Hermann Seidel nicht zweimal sagen und zeigt sich bereit, auch
dort seine pädagogischen Fähigkeiten zu beweisen.
Sobald das
Stichwort „Oberklasse“ fällt, ist die Erinnerung an die „Feuerzangenbowle“
(1944) nicht fern, in der Heinz Rühmann noch als Schüler aktiv war. Regisseur
Axel von Ambesser und Drehbuchautor Curth Flatow nutzten diese Popularität, um
Rühmann erneut auf die Schule zu schicken - diesmal als Lehrkraft, die es mit
einer problematischen Klasse zu tun bekommt. Doch anders als die
„Feuerzangenbowle“, die aus ihrem fantasievollen Charakter kein Geheimnis
machte, verankerte Komödienspezialist Flatow seine Story um einen konservativen
Lehrer in der damaligen Gegenwart der BRD. Mit Heinz Rühmann wurde ein
Sympathieträger auf die rebellierende Jugend losgelassen, die ihre schulischen
Pflichten vernachlässigte, um lieber auf Mopeds die Gegend unsicher zu machen -
für die damalige Gesellschaft der direkte Weg zur Bandenkriminalität. Ähnlich
wie „Die Halbstarken“ (1956) verstand sich auch „Der Pauker“ als Warnung vor
den Versuchungen eines an us-amerikanischen Vorbildern orientierten
Lebensgefühls, versuchte aber seine Botschaft weniger offensichtlich zu
formulieren.
Dafür war
Heinz Rühmann die Idealbesetzung, denn selbst autoritäre Rollen wusste er immer
mit einem Augenzwinkern zu versehen, die seinen humanen Charakter verrieten. In
einer der ersten Szenen korrigiert er einen leicht begriffstutzigen Jungen
humorvoll und ohne ihn herab zu würdigen. Entsprechend unglaubwürdig wirken die
Charaktereigenschaften, die ihm zu Beginn angedichtet werden – zwar
respektiert, aber beim Kollegium wenig beliebt, fristet der etwa 50jährige Dr.
Seidel ein einsames Dasein in der Kleinstadt, hat aber unmittelbar nach seiner
Ankunft in der Großstadt kein Problem damit, Freunde wie den Catcher Freddie
Blei (Gert Fröbe) für sich zu gewinnen, dem er mit viel Verständnis die
Grundregeln der deutschen Grammatik beibringt - als Gegenleistung für ein paar
Ringertricks, die in der gefährlichen Großstadt unumgänglich zu sein scheinen.
Dahinter verbirgt sich der Versuch, seine Entwicklung vom streng autoritären
Lehrer zum einfühlsamen Pädagogen zu vermitteln, der auch Verständnis für die
„heutige Jugend“ aufbringt. Mehrfach wird er später betonen, dass er viel „von
seinen Jungs“ gelernt hätte, womit die Illusion einer Annäherung entstehen
soll, obwohl Rühmann sich in seiner Rolle wie immer treu blieb und die
Oberprimaner am Ende genau das tun, was von ihnen verlangt wird – stramm stehen
und Jahreszahlen herunter beten.
Wirkliches
Verständnis für die jungen Heranwachsenden versucht „Der Pauker“ gar nicht erst
zu entwickeln, sondern präsentiert mit Harry Engelmann (Klaus Löwitsch) den
geeigneten Sündenbock für die grundanständigen, aber fehl geleiteten
Oberprimaner – äußerlich in Marlon-Brando-Lederkluft gekleidet und um keinen
Spruch verlegen, erweist er sich nicht nur als Krimineller, sondern nutzt auch
das Vertrauen der anderen Jungs für seine Zwecke aus. Praktischerweise wurde er
schon vor Dr. Seidels Ankunft von dem Gymnasium verwiesen, so dass dessen
pädagogischen Fähigkeiten bei dem „hoffnungslosen Fall“ nicht mehr wirken
müssen. Diese einseitige Schuldzuweisung wird noch durch die Besetzung von
Peter Kraus als Oberprimaner Achim Bork unterstützt, der nur dank Dr.Seidels
Eingreifen davor bewahrt wird, auf die schiefe Bahn zu geraten, wonach er als
erster Geläuterter dessen Partei ergreift. Harry Engelmann hatte ihn nicht nur
in die Schulden getrieben, sondern auch einen nicht ganz legalen Tipp parat,
wie er diese abzahlen könnte.
Die gesamte
Jugend-Szenerie und der Wunsch, aus einem reglementierten Alltag auszubrechen,
werden hier verunglimpft. Unabhängiges Gedankengut und gute schulische
Leistungen galten Ende der 50er Jahre noch als nicht vereinbar, was angesichts
eines Unterrichtsstoffs, der nur daraus bestand, Wissen auswendig zu lernen,
nicht überrascht. Aus heutiger Sicht, ohne die damalige Brisanz, wirken die
Szenen wie ein folkloristischer Blick auf die 50er Jahre mit Rock’n Roll,
Motorrädern, Prügeleien und flotten Sprüchen. Doch obwohl sich Regisseur von Ambesser
am Zeitgeist orientierte und reale Ängste seines Publikums bediente - der
Erfolg an der Kinokasse gab ihm recht - nahm er die Konstruktion seiner Story
weniger genau. Die Zuspitzung eines Konflikts zwischen einem vorbildhaften,
etwas altmodischen Lehrer und einer aufmüpfigen Gymnasialklasse hätte nie so
stattfinden können. Wie schon die „Feuerzangenbowle“ anschaulich vermittelte,
sind viele Lehrer nötig, um eine Oberprima auf das Abitur vorzubereiten, aber
das hätte die einfache Botschaft des Films nur unnötig verkompliziert.
Axel von
Ambessers Film ist unterhaltsam und flott inszeniert, aber nur Gert Fröbe als
witziger Side-Kick und Heinz Rühmanns Mut, auch tragische Momente zuzulassen,
retten den Film vor der Beliebigkeit typischer Komödien dieser Phase, dessen
rückwärts gewandter Umgang mit der Jugend inzwischen komisch wirkt, damals aber
ernst gemeint war. Die Komplexität, die „Der Pauker“ wagt, als Dr. Seidel sein
Liebesleid mit Vera Bork (Wera Frydtberg) gegenüber der heimlich in ihn verliebten
Musiklehrerin Fräulein Selinski (Bruni Löbel) beklagt, hätte dem Film auch
gegenüber Harry Engelmann und seinen Freunden sehr gut getan.
"Der Pauker" Deutschland 1958, Regie: Axel von Ambesser, Drehbuch: Curth Flatow, Eckart Hachfeld, Darsteller : Heinz Rühmann, Wera Frydtberg, Gert Fröbe, Peter Kraus, Bruni Löbel, Ernst F. Fürbringer, Peter Vogel, Laufzeit : 89 Minuten
weitere im Blog besprochene Filme von Axel von Ambesser:
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