Inhalt: Hermann
Knittel (Heinz Rühmann), Beamter der Berliner Gaswerke, befindet sich kurz vor
der Ankunft am Anhalter Bahnhof, als ihn ein fremder Mann (Walter Steinbeck) anspricht,
der noch mit einem Pyjama bekleidet ist, womit er im Zug zur allgemeinen Belustigung
beiträgt. Dieser bittet Knittel darum, ihm seinen Anzug zu verkaufen, damit er
unerkannt den Bahnhof verlassen könnte. Knittel reagiert irritiert, wodurch er
den Preis unbewusst in die Höhe treibt. Bis die Männer ihre Bekleidung tauschen
und der kleine Beamte einen Scheck in Höhe von 10.000 Reichsmark in den Händen
hält - eine für ihn unvorstellbar hohe Summe.
Zuerst noch
ganz begeistert, beschließt er, nachdem er seine Frau (Anni Ondra) zu Hause
nicht antraf, doch lieber zur Behörde zu gehen, um den Vorfall anzuzeigen. Nachdem
er sich in den endlos scheinenden Gängen mehrfach verlaufen hatte, gerät er
scheinbar an die richtige Stelle. Doch anstatt seine Befindlichkeiten zu
verstehen, wird er von den Herren mit Fragen unter Druck gesetzt: hat er einem
Verbrecher geholfen oder eine Notlage ausgenutzt, um einen Wucherpreis zu
erzielen? – Er behauptet, der Scheck wäre sowieso nicht gedeckt, um sich der
Situation zu entziehen, und begibt sich sofort zu einer Bank. Zu seiner eigenen
Überraschung erhält er das Geld ohne weitere Probleme – eine verführerische
Situation, die ihn erst in Schwierigkeiten bringen wird…
Davon ausgehend, dass Heinz Rühmann als Hauptdarsteller und Autor Heinrich Spoerl, entscheidend zum großen Erfolg der "Feuerzangenbowle" (1944) beigetragen haben, hätte der drei Jahre zuvor gedrehte Film "Der Gasmann" ein
ähnlicher, weit über seine Entstehungszeit hinaus, bekannt bleibender Film werden
können. Dass er es nicht wurde und im Gesamtwerk Rühmanns eher eine
untergeordnete Rolle spielt, macht eine genauere Betrachtung des Films
"Der Gasmann" so interessant.
Der größte
Unterschied zu Heinrich Spoerls erstem Roman „Die Feuerzangenbowle“ von 1933
zeigt sich in der Entstehungsgeschichte zu „Der Gasmann“, denn der Autor schrieb ihn
Ende der 30er Jahre in Berlin in Folge der erfolgreichen Verfilmungen von „Die Feuerzangenbowle"
(in der ersten Fassung von 1934 unter dem Titel "So ein Flegel"
heraus gebracht), "Wenn wir alle Engel wären" (1936) und "Der
Maulkorb" (1938). Im Gegensatz zu seinen früheren Romanen, die der
gebürtige Düsseldorfer in seiner rheinländischen Heimat ansiedelte, spielte
"Der Gasmann" konsequenterweise in der deutschen Hauptstadt, lässt
darüber hinaus aber neue Ideen vermissen. Die Geschichte ist eine leicht
veränderte Variante von "Wenn wir alle Engel wären“, ohne dessen
hintergründige, selbstkritische Komplexität. Statt von einem nachvollziehbaren,
die damaligen moralischen Standards provozierenden Seitensprung zu erzählen,
muss in „Der Gasmann“ eine übertrieben konstruierte Situation als Auslöser für
die weiteren Ereignisse herhalten.
Der Beamte
der Berliner Gaswerke Knittel (Heinz Rühmann) kehrt nach einer kurzen
Dienstreise mit dem Zug nach Berlin zurück, als ein sichtlich erregter Mann in
einem Pyjama (Walter Steinbeck), ihn dazu bewegen will, ihm seinen Anzug zu
verkaufen. Desto mehr sich der Zug dem Anhalter-Bahnhof nähert, umso höher
steigt der Preis, bis Knittel sich selbst im Pyjama wieder findet mit einem
Scheck über 10.000 Reichsmark in der Hand. Angesichts der Preisverhandlungen,
die sich zuerst noch unter 1.000 Reichsmark bewegten, überrascht die hohe
Summe, denn auch ein deutlich niedrigerer Tausenderbetrag hätte seinen Zweck
erfüllt, bedenkt man Knittels Monatsgehalt von etwa 270 Reichsmark. Diese Summe
hatte nicht nur etwas Sensationelles an sich, weshalb Knittel zuerst an einen
schlechten Scherz glaubte, sondern sollte dem Protagonisten vor allem die
Sympathien erhalten. Denn wer würde bei 10.000 Reichsmark nicht weich werden? –
Anders als in Spoerls sonstigen Romanen, die sich an alltäglichen menschlichen Verhaltensmustern orientierten, fehlt diesem Beginn der Realitätsbezug.
Zudem schwächte Spoerl in seinem Drehbuch die im
Roman entlarvendere Betrachtung des Charakters, angesichts der
großen Versuchung, ab. Die Filmcrew unter der Leitung von Carl
Froelich, inzwischen Präsident der Reichsfilmkammer, der Spoerls "Wenn wir alle Engel wären" ebenfalls mit Heinz Rühmann in der Hauptrolle 1936 noch wesentlich frivoler inszeniert hatte, wagte diese Komplexität 1941 offensichtlich nicht mehr,
als Kinofilme ausschließlich beschwerdefrei unterhalten sollten. Dem zunehmenden Hang zur Prüderie ist es zu verdanken, dass Rühmann als Knittel selbst in Momenten "größter Verfehlungen" brav und bieder blieb. Im Roman wirkten seine Eskapaden, heimlich auszugehen und sich eine Geliebte (Erika
Helmke) zuzulegen, der er zudem einen Parfümladen finanziert - dabei seiner
Frau Erika (Anny Ondra) vorschwindelnd, mit einem Nebenjob Geld zu verdienen - noch
gewagt, aber im Film scheint der einfache Angestellte nie Spaß daran zu finden, sondern
wird nur von seiner Geliebten nach Strich und Faden ausgenommen, ohne auf seine
(leiblichen) Kosten zu kommen - eine so unglaubwürdige, wie konstruierte Konstellation. Heinz
Rühmann sollte in seiner Rolle ein geistiger Täter bleiben, der der Versuchung (über einen offensichtlich mehrere Wochen andauernden Zeitraum) nicht
wirklich erliegt - für das Publikum eine noch verzeihliche Sünde. Wie verlogen diese Konzeption
war, wird an seinem Schwager deutlich, der ihn überwachen sollte. Nachdem
Knittel ihn mit "geliehenen" 50 Reichsmark bestochen hatte, hat dieser
kein Problem damit, sofort mit einem „netten Fräulein“ zu verschwinden - er
durfte sich menschlich fehlbar verhalten.
Knittel
erkennt dagegen selbstkritisch die Oberflächlichkeit seines Handelns und kehrt reumütig
in den Schoss der Familie zurück. Spörls Buchvorlage ist in dieser Hinsicht
wesentlich differenzierter und ließ keinen Zweifel daran, dass Knittel den Versuchungen
tatsächlich erlegen war, was auch dessen Rückkehr ins traute Heim erschwerte.
Von schlechtem Gewissen geplagt überträgt er deshalb seiner Frau den üppigen Rest der
großen Geldsumme, die darüber sofort eigenmächtig verfügt und ebenfalls den
materiellen Versuchungen erliegt. Während der Roman ein Gleichgewicht zwischen den
Geschlechtern beibehielt, kommt Erika Knittel im Film deutlich schlechter weg.
Ihre Kaufsucht wirkt angesichts des "schnell" zur Vernunft gekommenen Ehemanns,
der sich angeblich nichts vorzuwerfen hat, maßlos - und ist schließlich schuld
daran, dass Knittel zu Unrecht vor Gericht landet.
Man könnte
die oberflächliche Komödie vom kleinen Beamten, der einmal groß rauskommen
möchte, schnell vergessen, besäße die Inszenierung für ihre Entstehungszeit
nicht einige außergewöhnliche Details. Der Film verstieß gegen das damalige Gebot
Goebbels, Realitätsbezüge zu vermeiden, um die Bevölkerung vom Alltag
abzulenken. Zwar wird der Krieg nicht explizit erwähnt, aber die Nachrichten,
die Knittel im "Angriff am Abend" liest, sind von aktuellem Zeitbezug
und betreffen Roosevelts Haltung zum Kriegseintritt der USA (natürlich aus
Sicht der NSDAP interpretiert). Dazu gibt es erstaunlich realistische
Einblicke, die auch die Geldknappheit der Bevölkerung nicht aussparen.
Besonders der Weg zu den Behörden, den Knittel mehrfach beschreitet, wirkt Furcht
erregend und verdeutlicht schon in einer frühen Szene, als er die Sache mit dem
Scheck noch anzeigen will, wie auch lautere Absichten argumentativ ins
Gegenteil gewandelt wurden. Später als die Polizei früh am Morgen bei Knittel
klingelt und ihm dabei ihre Marke zeigt, sieht er gar nicht hin, wohl wissend,
dass Niemand sonst um diese Zeit vor der Tür steht.
Nicht nur Deutschland
wirkt in "Der Gasmann" wenig freundlich, auch die Filmkomödie beweist
nur in wenigen Momenten Humor. Interessanterweise gilt der Film in vielen Publikationen
als "Propagandafilm", ist es aber nicht im üblichen Sinne einer
kritiklosen Verherrlichung. Offensichtlich galt es, der eigenen Bevölkerung die
Grenzen aufzuzeigen. Obwohl Knittel nur dezent vom Pfad der Tugend abwich, gerät
er durch sein Verhalten in große Gefahr, der er nur durch einen glücklichen Zufall
am Ende entkommt. Das die Polizeimethoden und das Gerichtsverfahren -
angesichts der Tatsache, dass man Knittel immerhin des Landesverrats
verdächtigt - verharmlosend dargestellt werden, ist der äußerlichen Komödienform
geschuldet, wird damals aber nicht missverstanden worden sein. Im Gegensatz zur
Buchvorlage, die das behördliche Tun auch etwas spöttisch betrachtete und damit
in das heiter menschliche Geschehen mit einbezog, sind im Film alle offiziellen
Vertreter des Staates von unbeirrbarem Ernst und nur da sich Knittel als
unschuldig erweist, bleibt er ungeschoren. Rühmann, der in seiner Rolle den
„Hitlergruß“ zeigte – das einzige Mal in einem seiner Filme – wird so zum
Vorbild des kleinen Mannes, der weiß, das Anstand und Ruhe erste Bürgerpflicht
ist. Eine Umkehrung der Intention Heinrich Spörls, der in seinen Romanen immer
Verständnis für die allzumenschlichen Verfehlungen zeigte.
Aus
heutiger Sicht ergibt sich ein zwiespältiges Bild. Oberflächlich betrachtet erzählt
der Film eine harmlos wirkende Geschichte mit einem typisch agierenden Rühmann
als "kleinem Mann" auf Abwegen. Die realistische Sichtweise auf
Behördenwillkür wirkt zudem fast gewagt. Bedenkt man aber, wie fortgeschritten
1941 schon die Judenverfolgung (Knittel verirrt sich in ein Büro mit der
Aufschrift "Arier-Nachweis"), die Jagd auf Andersdenkende und der
Krieg waren, dann zeigt sich hinter der Komödienfassade ein erschreckendes Bild Deutschlands.
weitere im Blog besprochene Filme von Carl Froelich:
"Das Herz der Königin" (1940)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen