Inhalt:
April 1945, kurz vor dem Ende des 2.Weltkriegs – der Gefreite Rudi Kleinschmidt
(Walter Giller) wartet darauf, dass er dem Militärgericht vorgeführt wird.
Wirklich ernst nimmt er die Situation nicht, da er nur dabei erwischt wurde,
wie er sich zwei Dosen Schokolade „organisiert“ hatte, wie es auch bei vielen Offizieren
üblich war. Doch er gerät an den Kriegsgerichtsrat Schramm (Martin Held), der
von Wehrkraftzersetzung und Verrat an der Sache spricht, offensichtlich noch
vom Glauben an den „Endsieg“ beseelt, und für den es in dieser Angelegenheit
nur eine angemessene Strafe gibt – die Todesstrafe. Doch Kleinschmidt hat Glück
– beim morgendlichen Marsch zum Standgericht, werden sie von einem Flugzeug
angegriffen, und er kann in dem entstehenden Chaos fliehen. Das von Schramm
unterschriebene Todesurteil flattert ihm dabei zufällig entgegen.
1959 – in
der BRD sind die Folgen des Wirtschaftswunders überall ersichtlich. An allen
Ecken wird gearbeitet und den Menschen geht es wirtschaftlich gut, nur Rudi Kleinschmidt
fristet als fahrender Händler ein wenig illustres Dasein. Einzig das
Todesurteil, das er immer bei sich trägt, verhilft ihm hin und wieder zu einer
gewonnenen Wette, während seine Verkaufserlöse schwach sind. Von den
Lastwagenfahrern Karl (Wolfgang Müller) und Paul (Wolfgang Neuss) wird er in
einer Großstadt abgesetzt, wo er Lissy (Ingrid van Bergen) besuchen will, eine
alte Freundin. Damit gerät er, ohne es zu ahnen, wieder in die Nähe von Dr.
Schramm, der nach dem Krieg zum Oberstaatsanwalt aufgestiegen ist…
Zwischen
Regisseur Wolfgang Staudte und der von ihm erdachten Figur Rudi Kleinschmidt,
lassen sich Parallelen feststellen. Weniger hinsichtlich des Erfolges, den
Staudte dank seiner Regie-Tätigkeit erlebte - im Gegensatz zu dem fahrenden Händler
Kleinschmidt (Walter Giller) - als hinsichtlich seiner Haltung zur Entwicklung
Deutschlands nach dem Krieg. Auch Staudte war Teil der nationalsozialistischen
Filmindustrie, übernahm eine kleine Rolle im Propagandafilm "Jud
Süss" (1940) und drehte mit "Akrobat Schö-ö-ö-n" 1943 seinen
ersten Langfilm, bevor er in Ungnade fiel und nur dank Heinrich Georges
Intervention nicht den Wehrdienst antreten musste. Rudi Kleinschmidt entkommt
dem Tod ebenfalls nur dank eines Eingriffs von Außen. Weil er Schokolade
gestohlen haben soll, wird er von dem Kriegsgerichtsrat Schramm (Martin Held)
noch unmittelbar vor dem Ende des Kriegs zum Tode verurteilt, kann aber
fliehen, als ein feindliches Flugzeug das Strafkommando angreift.
So wie Rudi
Kleinschmidt sein eigenes Todesurteil in die Hände flattert als Beweis für den
menschenverachtenden Irrsinn im Generellen, aber auch für die Mittäterschaft
des Einzelnen, so entstanden nach dem Krieg Staudtes Filme "Die Mörder sind unter uns" (1946) und "Rotation" (1949), die sich der der
Schuld-Thematik stellten, ohne einseitig zu verurteilen. Staudte verarbeitete
damit auch seine eigene Rolle während des Nationalsozialismus, geriet aber
zwischen die Mühlen des "Kalten Krieges", da diese Filme bei der DEFA
unter sowjetischer Führung entstanden waren und von der westlichen Seite
abgelehnt wurden. Seine Verfilmung des Heinrich Mann Romans "Der
Untertan" (1951) wurde in der BRD sogar für fünf Jahre verboten und
erstmals 1971 ungeschnitten gezeigt - zu einem Zeitpunkt als Staudte schon
viele Jahre regelmäßig für das westdeutsche Fernsehen arbeitete. 1952 hatte er
noch die Forderung des BRD-Innenministerium, nicht mehr für die DEFA zu
arbeiten, abgelehnt, aber nach Eingriffen in seine geplante DEFA-Verfilmung von
"Mutter Courage" entschied sich der gebürtige Saarländer endgültig in
der BRD zu bleiben.
Aus dieser
Zeit stammt seine Aussage "wie schwer es sei, die Welt verbessern zu
wollen mit dem Geld von Leuten, die die Welt in Ordnung finden", was sich
auch weiterhin bewahrheitete, denn in den folgenden Jahren sollte es ihm nicht
gelingen, eine Finanzierung für seine zeitkritischen Projekte zu bekommen. Bis
1959 dauerte es, bis mit "Rosen für den Staatsanwalt" ein
Unterhaltungsfilm entstand, dessen ironisch-desillusionierter Charakter Staudtes
Haltung widerspiegelte, indem er seine Gesellschaftskritik unter dem äußeren
Gewandt einer Komödie verbarg, die ihm diese Produktion erst ermöglichte.
Die
Überblendung vom Chaos der letzten Kriegstage zu einer in der Sonne
strahlenden, frisch glänzenden BRD, in der an allen Ecken gewerkelt wird -
begleitet von schmissiger 50er Jahre Musik - könnte nicht kontrastreicher sein.
Einzig Rudi Kleinschmidt wirkt darin wie ein Fremdkörper, wenn er auf die gut
gefüllten Teller sieht, die der Kellner einen Moment lang auf seinem Tisch
abgestellt hatte. Er selbst kann sich ein solches Essen nicht leisten. Erst als
er eine Wette dank seines Todesurteils gewinnt, spendiert ihm der
Lastwagenfahrer Paul - Wolfgang Müller wie immer gemeinsam mit seinem
kongenialen Partner Wolfgang Neuss - eine Mahlzeit. Doch das Todesurteil ist
mehr Fluch als Segen, denn es hängt wie ein Damoklesschwert über Rudi
Kleinschmidt, der sich in einer Umgebung nicht mehr zurechtfindet, die von
dieser Vergangenheit, die er schwarz auf weiß bei sich trägt, nichts mehr
wissen will - ähnlich dürfte es auch Staudte empfunden haben.
Besonders
gelungen ist "Rosen für den Staatsanwalt" in den Momenten, in denen
die Menschen mit diesem kleinen Schriftstück konfrontiert werden. Werner
Peters, seit seiner Hauptrolle in "Der Untertan" auf die Rolle des
opportunistischen Kleinbürgers spezialisiert, Kabarettist Werner Finck und
Komödiant Ralf Wolter sind großartig als Durchschnittsbürger, die erst mit
Erstaunen und Empörung reagieren, bevor sie die Sache wieder zu den
gedanklichen Akten legen, da sie Nachteile für ihr eigenes Dasein befürchten.
Einzig Werner Peters als Bauunternehmer Otto Kugler geht persönlich zu
Oberstaatsanwalt Dr. Schramm, dessen Unterschrift unter dem Todesurteil steht,
aber keineswegs um dessen damaliges Vorgehen als Kriegsgerichtsrat anzuprangern,
sondern um ihn dazu zu erpressen, bei städtischen Bauvorhaben ein Wort für
seine Firma einzulegen.
Waren diese
ironischen Anspielungen noch hinzunehmen, durfte besonders die Figur des Oberstaatsanwalts,
die stellvertretend für eine Justiz stand, die den Übergang zwischen Diktatur
und Demokratie ohne größere personelle Verluste hin bekommen hatte, nicht zu
sehr konfrontieren. Martin Held entwarf den Dr. Schramm als Abbild eines
deutschen Patriarchen, der zu Hause Moral und Anstand predigt, bei sich selbst
aber gerne eine Ausnahme macht. Dank seines pointierten Spiels gelingt Held die
Gratwanderung zwischen Lächerlichkeit und ernsthafter Charakterisierung, aber
sein Festhalten an den Idealen der Nazi-Zeit, das er zu Beginn beweist, als er
einem Mann die Flucht ermöglicht, für den schon ein Haftbefehl wegen
antisemitischer Äußerungen vorlag, schwächt die Wirkung dieser Figur ab. Zwar
orientierte sich Staudte damit an einem realen Vorfall, aber innerhalb des
generell noch sehr konservativen Klimas Ende der 50er Jahre, galt eine konkrete
Parteinahme für nationalsozialistische Ideale als ungeschickt.
So wird Dr.
Schramm zu einem Präzedenz-Fall, der bei der Entnazifizierung zudem gelogen
haben soll – eine beschönigende Darstellung, da der größte Teil der
Justizbeamten nach dem Krieg übernommen wurde und die Überprüfungen keineswegs
streng waren, wie noch der Fall des baden-württembergischen Ministerpräsidenten
Hans Filbinger im Jahr 1978 bewies, dessen Akten aus den Jahren 1943 – 45
selbst zu diesem Zeitpunkt noch nicht vollständig eingesehen werden konnten.
Dem Film daraus einen Vorwurf zu machen, wäre übertrieben, denn „Rosen für den
Staatsanwalt“ ist zuerst ein Unterhaltungsfilm, der trotz seiner
unterschwelligen Kritik ein großes Publikum erreichen konnte. Dieser Tatsache
ist es zudem geschuldet, das Wolfgang Staudte Rudi Kleinschmidt auch ein wenig
Glück gönnte – in Person der selbstständigen und emanzipierten Lissy Flemming
(Ingrid van Bergen), deren Moral noch nicht vom Pragmatismus erschlagen wurde.
Für diese Zeit eine sehr modern gestaltete Frauenrolle.
Am Beispiel
von „Rosen für den Staatsanwalt“ ließe sich trefflich diskutieren, welche Form
der Inszenierung geeigneter ist, um gesellschaftskritische Inhalte zu
transportieren. Ein Unterhaltungsfilm, der seine Kritik satirisch formuliert,
dabei in Kauf nehmend, dass sie nicht wahrgenommen wird, oder ein ernsthafter,
konkret den Finger in die Wunde legender Film, der nur ein zahlenmäßig kleines
Publikum erreicht. Nachdem Wolfgang Staudte gemeinsam mit Harald Braun und
Regisseur Helmut Käutner eine eigene Produktionsgesellschaft gegründet hatte,
brachte er 1960 „Kirmes“ heraus, eine kompromisslose Abrechnung mit der
Entwicklung Deutschlands nach dem Krieg. 1964 erschien mit „Herrenpartie“ sein
letzter Film, der sich mit den Folgen des Nationalsozialismus
auseinandersetzte, der ihm heftige Kritik und den Vorwurf der
„Nestbeschmutzung“ einbrachte. Beide Filme wurden vom damaligen Publikum
abgelehnt und sind heute nahezu unbekannt – nur „Rosen für den Staatsanwalt“
hat überlebt.
"Rosen für den Staatsanwalt" Deutschland 1959, Regie: Wolfgang Staudte, Drehbuch: Wolfgang Staudte, George Hurdalek, Darsteller : Martin Held, Walter Giller, Ingrid van Bergen, Werner Peters, Werner Finck, Wolfgang Neuss, Wolfgang Müller, Ralf Wolter, Laufzeit : 94 Minuten
weitere im Blog besprochene Filme von Wolfgang Staudte:
"Die Mörder sind unter uns" (1946)
"Kirmes" (1960)
"Herrenpartie" (1964)
"Die Herren mit der weißen Weste" (1970)
"Kommissariat 9" (TV-Serie, 1975)
"Kirmes" (1960)
"Herrenpartie" (1964)
"Die Herren mit der weißen Weste" (1970)
"Kommissariat 9" (TV-Serie, 1975)
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