Sonntag, 5. Mai 2013

Der Meineidbauer (1956) Rudolf Jugert


Inhalt: Als Paula Roth (Heidemarie Hatheyer) erfährt, dass der Vater ihrer zwei Kinder, mit dem sie nicht verheiratet war, tödlich verunglückt ist, trauert sie um ihn, fühlt sich aber abgesichert, da er ihr versprochen hatte, ihr und den Kindern seinen Bauernhof zu vererben. Sie weiß nicht, das dessen jüngerer Bruder Mathias (Carl Wery) das Testament schon vor dessen Tod geöffnet hatte und einen Brief an ihn schickte, in dem er seine Enttäuschung darüber ausdrückte, den Hof nicht selbst zu erben.

Als sie ihre Stellung als Bäuerin einnehmen will, erklärt ihr Mathias, es gäbe kein Testament, was er auch vor Gericht beeidet, womit er Paula und ihre Kinder dazu zwingt, wieder zu ihrer Mutter zu ziehen, die in den Bergen eine ärmliche Schankwirtschaft betreibt. Doch der Gerichtsdiener (Joseph Offenbach) hatte in den Sachen des Verstorbenen den Brief gefunden, in dem dieser sich über das Testament beklagte, und beginnt ihn zu erpressen...


Regisseur Rudolf Jugert hatte viele Jahre an der Seite Helmut Käutners als Regie-Assistent gearbeitet, bevor er 1948 mit "Film ohne Titel" erstmals selbst Regie führte, nicht zufällig nach einem Drehbuch Käutners. Ab diesem Zeitpunkt konzentrierte er sich auf das Regie-Fach, drehte später mit "Nachts auf den Straßen" (1952) noch einen weiteren Film auf Basis eines von Käutner verfassten Drehbuchs, spezialisierte sich aber zunehmend auf den Unterhaltungsfilm, etwa mit Liebesdramen ("Illusion in Moll" (1952)) oder Romanverfilmungen ("Rosen im Herbst" (1955) nach Theodor Fontane). Heimatfilme gehörten nicht zu seinem Repertoire, weshalb "Der Meineidbauer" vordergründig aus seinem Schaffen heraus sticht, aber tatsächlich handelte es sich vor allem um eine Verfilmung des Dreiakters von Ludwig Anzengruber, auch wenn der Film einige für das Heimatfilm-Genre typische Merkmale aufweist.

Wie populär das 1871 in Wien uraufgeführte "Volksstück" war, wird daran deutlich, dass es sich schon um die vierte Filmversion handelte, deren letzte erst 15 Jahre zurücklag. Zwar entschlackte Drehbuchautorin Erna Fentsch - Ehefrau des Hauptdarstellers Carl Wery - Anzengrubers Bühnenstück, verzichtete auch auf einige Protagonisten, aber an der Ausgangssituation änderte sie trotz der in der damaligen Gegenwart spielenden Handlung nichts. Anzengrubers Intention, die Konsequenzen eines Fehlverhaltens noch für die kommenden Generationen aufzuzeigen, basierte auf einer Realität, die ihre Gültigkeit Mitte der 50er Jahre noch nicht verloren hatte.

Paula Roth (Heidemarie Hatheyer) war von dem Vater ihrer zwei Kinder, dem Gutsbesitzer Jakob Ferner, nie geheiratet worden, weshalb sie im Dorf einen schlechten Leumund besitzt und ihre Tochter und ihr Sohn ständigen Hänseleien ausgesetzt sind. Als Jakob nach einem Unfall im Krankenhaus stirbt, glaubt sie seinen Hof zu erben, da er ein Testament zu ihren Gunsten aufgesetzt hatte. Als sie dieses zum Nachweis aus dem Geheimfach des Sekretärs hervor holen will, ist es verschwunden. Sie ahnt nicht, dass Mathias Ferner (Carl Wery), der sein Leben lang als Knecht auf dem Hof seines Bruders beschäftigt war und nach dem Tod seiner Frau allein für seinen Sohn Franz (Hans von Bosordy) verantwortlich ist, das Testament verschwinden ließ, nachdem er es - fassungslos über den Inhalt - geöffnet hatte.

Seine Behauptung, von einem Testament nie etwas gewusst zu haben, hatte er vor Gericht beeidet, worauf hin er den Bauernhof zugesprochen bekam. Als unverheiratete Frau mit zwei unehelichen Kindern galt Paulas entgegengesetzte Meinung nichts. Doch Ferner hatte den Fehler begangen, seinem Bruder noch einen Brief an dessen Krankenbett zu schicken, in dem er das Testament erwähnt hatte. Nach dessen Tod fährt er zum Nachlassgericht, in der Hoffnung den Brief, der ihn des Meineids überführen würde, wieder zurück zu bekommen. Doch dieser befindet sich nicht unter den letzten Habseligkeiten des Toten, weshalb er sie bei Gericht belässt und beruhigt nach Hause fährt. Er ahnt zu diesem Zeitpunkt noch nicht, dass dem Gerichtsdiener Ludwig Demuth (Joseph Offenbach) der Brief entgegen fällt, als er die Sachen ein letztes Mal untersucht. Bis dieser überraschend auf seinem Bauernhof auftaucht, um ihn zu erpressen.

Diese Konstellation widerspricht Anzengrubers ursprünglicher Intention, der das Wissen über den Meineid innerhalb der Familie beließ, um die gegenseitige Schuld noch zuzuspitzen. In seiner Fassung wurde der damals 12jährige Franz Zeuge der Lüge seines Vaters, profitierte aber selbst von der Erbschaft und hielt den Mund, auch als er zusehen musste, wie Paula (im Original "Vroni") und ihre Kinder vom Hof gejagt wurden. Er trägt entsprechend eine Mitschuld an deren Situation. Für einen Heimatfilm wäre deshalb die Wiederbegegnung mit Paulas inzwischen erwachsen gewordener Tochter Marei (Christiane Hörbiger) moralisch zu zwiespältig geworden. Zehn Jahre nachdem Paula gezwungen wurde, mit ihren Kindern zu ihrer Mutter zurückzukehren, die hoch in den Bergen eine schlecht beleumundete Schankwirtschaft betrieb, sollten sich Franz und Marei möglichst unbeschwert ineinander verlieben können - dabei kam ein außerhalb der Familie stehender Erpresser durchaus gelegen.

Trotz dieser Konzession an einen Unterhaltungsfilm, überzeugen die psychologisch genauen Dialoge zwischen der betrogenen Paula und dem sich moralisch im Recht glaubenden Mathias, die auf die qualitative Basis des Theaterstücks zurückzuführen sind. Diesen Charakter verliert der Film nie vollständig, auch wenn in der zweiten Hälfte versucht wird, mit Naturaufnahmen die auf wenige Räume beschränkte Handlung aufzubrechen. Obwohl die Gespräche zwischen dem Erpresser Demuth und dem "Meineidbauer" nicht in der literarischen Vorlage vorkommen, gehören sie in ihrer raffinierten Gestaltung zu den Höhepunkten des Films. Offenbach gelingt es, seine Forderung aus einer passiven, kleinbürgerlichen Haltung heraus zu formulieren, die beinahe den Eindruck entstehen lässt, er hätte ein legitimes Anrecht auf die erpresste Summe, während aus Carl Werys Spiel das schlechte Gewissen spricht, welches es ihm unmöglich macht, sich zu wehren.

Heidemarie Hatheyers Rolle ist dagegen von einem Selbstbewusstsein geprägt, das im Widerspruch zu ihrer Abhängigkeit steht und den Film in seiner zweiten Hälfte zunehmend in Richtung Heimatfilm drängt. Ihrer Situation fehlt die Tragik des Theaterstücks, denn ihre "Schankwirtschaft" hat mehr den Charakter eines Ausflugslokals für städtische Touristen - zudem inmitten einer idyllischen Landschaft gelegen - als den eines finsteren Molochs. Auch ihr früheres moralisches Ansehen spielt scheinbar keine Rolle mehr - der Chef der Grenzpolizei (Attila Hörbiger) möchte sie heiraten - und ihr Haus wirkt keineswegs ärmlich. Einzig aus ihren Worten ist ihre Verbitterung heraus zu hören und ihr Sohn Jakob (Heino Hallhuber), der gegen das Gesetz verstößt, bereitet ihr  Sorgen.

Anstatt den inneren Konflikt zu vertiefen, der bei Anzengruber für die weiteren dramatischen Ereignisse verantwortlich ist, verlegt "Der Meineidbauer" diesen in den Außenraum. Jakob versucht die finanzielle Situation seiner Mutter durch Schmuggeln aufzubessern, wodurch er mit den Grenzpolizisten in einen gefährlichen Konflikt gerät - ein typisches Motiv für den Heimatfilm, in dem Kriminalität häufig als Reaktion auf eine tragisch erhöhte Situation geschildert wurde. Die Schuld daran trägt allein Mathias, da er diese erst durch seinen Meineid herauf beschworen hatte. Auch hier gelingt es dem Film, trotz der wesentlich eindimensionaler gestalteten Charaktere, wieder zu den Ursprüngen der Vorlage zurückzukehren. Das Drama nimmt im Anzengruberschen Sinn seinen Lauf, auch wenn gewisse Konzessionen an den Mitte der 50er Jahre sehr populären Heimatfilm nicht zu übersehen sind.

"Der Meineidbauer" Deutschland 1956Regie: Rudolf Jugert, Drehbuch: Erna Fentsch, Ludwig Anzengruber (Bühnenstück), Darsteller : Heidemarie Hatheyer, Carl Wery, Christiane Hörbiger, Hans von Bosordy, Joseph Offenbach, Attila Hörbiger, Laufzeit : 100 Minuten

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