Donnerstag, 30. Mai 2013

Die Bande des Schreckens (1960) Harald Reinl

Inhalt: Als ein älterer Mann (Otto Collin) eine Bank betritt, um Geld abzuheben, steht plötzlich Inspector Long (Joachim Fuchsberger) vor ihm und bezeichnet ihn als den gesuchten Schwerverbrecher Clay Shelton. Zuerst bestreitet der Beschuldigte noch diese Anschuldigung, aber die ihm gestellte Falle schnappt zu und auch sein Fluchtversuch bleibt vergebens. Er wird zum Tode verurteilt, aber bevor er seinem Henker vorgeführt wird, wird ihm noch sein letzter Wunsch erfüllt – bis auf Mrs. Ravenstock (Elisabeth Flickenschild) sind alle an seiner Festnahme und Verurteilung beteiligten Personen versammelt. Trotz seiner Hinrichtung droht Shelton, sie danach der Reihe nach zu töten. Eine verwegene Behauptung, gegen die Inspector Long sogleich eine Wette eingeht.

Die er schon kurz danach zu verlieren scheint, denn er entgeht nur knapp einem Attentat. Im Gegensatz zu dem Schützen, den er ermordet auffindet. Zudem erfährt er von seinem Chef, Sir Archibald (Ernst F. Fürbringer), dass Shelton schon vor dem Vollzug der Todesstrafe vergiftet worden war. Der Täter kann sich nur unter den Anwesenden befunden haben. Long gibt seinen Plan auf, den Polizeidienst zu quittieren, sondern sucht einen Mörder, der scheinbar wieder aus dem Grab gestiegen ist, indem sich nur Steine und die Liste mit den zukünftigen Opfern befindet…


Planmäßig übernahm beim dritten Edgar Wallace-Film der Rialto Produktionsgesellschaft wieder Harald Reinl den Regiestuhl von Jürgen Roland, der zuvor "Der rote Kreis" (1960) gedreht hatte. Sie sollten sich abwechseln, aber Roland nahm nach "Der grüne Bogenschütze" (1961) seinen Abschied vom Wallace-Universum, weshalb dieser anfängliche Rhythmus nur kurze Zeit Bestand hatte und sich der Kreis der Regisseure sukzessive erweitern sollte.

Hatte der Täter in Reinls "Der Frosch mit der Maske" (1959) einen Froschstempel am Tatort hinterlassen und zierte der titelgebende rote Kreis die Opfer des Mörders im zweiten Edgar-Wallace-Film, ist es hier eine verkrampft in die Höhe gereckte Hand, die die Bedrohung versinnbildlicht, aber damit hören die Gemeinsamkeiten schon auf. Erstmals wurde mit "Die Bande des Schreckens" einer der Wallace-Geschichten verfilmt, deren Opferkreis klar definiert ist - ein beliebtes Subgenre, dass Edgar Wallace mehrfach verwendete (unter anderen in "Das indische Halstuch" (verfilmt 1963)) und Agatha Christie mit "Und dann gabs keines mehr..." (Originaltitel "Ten little niggers") 1939 so exzellent umsetzte, dass sie damit den erfolgreichsten Kriminalroman aller Zeiten schuf. Der Vorteil dieser Konstellation liegt in der klaren Struktur, die die Spannung innerhalb eines begrenzten Personenkreises aufbaut und damit dem späteren Slasher-Film den Weg bereitete.

Die Konsequenz des Christie-Romans - ein in sich abgeschlossener Raum, der Täter muss sich unter den Anwesenden befinden - besaß der 1926 erschienene "The terrible people" noch nicht, denn Wallace erzählte vordergründig eine Gruselstory über einen hingerichteten Mörder. Clay Shelton (Otto Collin) wird in der ersten Szene des Films von Inspector Long (Joachim Fuchsberger) in einer Bank gefasst und wenig später seinem Henker vorgeführt. Zuvor wird ihm noch sein letzter Wunsch erfüllt, der ihm die Gelegenheit gibt, allen an seiner Festnahme und Verurteilung Beteiligten, persönlich ihren baldigen Tod zu versprechen. Auch wenn die Anwesenden - darunter der Richter, der Staatsanwalt und natürlich der zum Chefinspector beförderte Long - diese Drohung verständlicherweise nicht ernst nehmen, wirkt diese Szene konstruiert und unrealistisch, denn warum sollten sie einem verurteilten Mörder diese infame Gelegenheit geben ?

Zumal Long vorhat seinen Dienst zu quittieren, um seinen Vater (Fritz Rasp) bei dessen Bankgeschäften zu unterstützen. Doch nachdem ein Attentat auf ihn begangen wurde - der ihn verfehlende Schütze wurde daraufhin selbst ermordet - und er von seinem Chef Sir Archibald (Ernst F. Fürbringer) erfährt, dass Shelton schon vor seiner Hinrichtung vergiftet wurde, kann er den Fall noch nicht zu den Akten legen. Wer die Wallace-Romane kennt, weiß, dass der Autor niemals eine fantastische Lösung wählte, sondern auch für die unwahrscheinlichsten Fälle einen natürlichen Täter hervor zauberte. Das Spiel mit dem Geist von Shelton, in dessen Sarg sich nur Steine und eine Liste mit den zukünftigen Opfern befand, soll ein wenig Grusel verbreiten, aber zur Sache kommt Reinl in dem Moment, indem das Vorgeplänkel vorbei ist und sich die schon reduzierte Anzahl der von Shelton bedrohten Personen zu einem Golfturnier treffen - natürlich unter strenger polizeilicher Bewachung. Wagt es der Mörder trotzdem, sein schändliches Spiel weiter zu treiben?

Ausgehend von der literarischen Vorlage fehlt in "Die Bande des Schreckens" das in den ersten zwei Filmen betonte Londoner Flair mit schummrigen Bars und finsterer Hafengegend, denn die Handlung findet meist in mondänen Villen und in ländlichen Gegenden statt. Trotzdem schuf Reinl unter der Verwendung eines starken Hell/Dunkel-Kontrasts eine dichte Atmosphäre für die in der zweiten Hälfte des Films stringente Handlung, die ihre Situation zum Ende hin geschickt zuspitzt und mit einer nachvollziehbaren Lösung überrascht. Verlassen konnte er sich dabei auf die schon erfahrenen Mitstreiter Fritz Rasp, Dieter Eppler, Ulrich Beiger, Ernst F.Fürbringer und natürlich Eddie Arent, der hier seine Rolle als skurriler Polizeifotograf erstmals als komischer Side-Kick zum Helden interpretierte, nachdem er in den ersten beiden Filmen noch ernsthafter geblieben war.

Joachim Fuchsberger fährt nicht nur denselben Wagen, den er schon als amerikanischer Erbe in "Der Frosch mit der Maske" nutzte, er tritt auch genauso salopp auf. Diesmal ist er trotz seines Polizeiberufs ein Sohn aus reichem Haus, weshalb sein Werben um die schöne Nora Sanders (Karin Dor, damalige Ehefrau von Regisseur Reinl, die anders als ihre beiden Vorgängerinnen noch mehrfach die Wallace-Filme bereichern sollte) auch als adäquat angesehen werden kann, obwohl ihre Chefin Mrs. Ravenstock (Elisabeth Flickenschildt), die auch von Shelton bedoht wird, anderer Meinung ist. Die Theaterschauspielerin Flickenschildt, die ihre erfolgreiche Karriere während der Zeit des Nationalsozialismus begonnen hatte, wurde für die Verkörperung eines älteren, arrogant selbstbewussten Frauentyps, der trotz seiner damenhaften Attitüde kein Blatt vor den Mund nimmt, stilbildend im Wallace-Film.

Aus heutiger Sicht lässt sich ihre markante Erscheinung, deren bewusst übertriebenes Spiel Selbstironie spüren lässt, kaum wegdenken - damals wurde sie eindeutig negativ besetzt. Mit Ulrich Beiger als schmierigem Anwalt Mr.Henry, fehlte auch der Mann mittleren Alters nicht, der in selbstgefälliger Weise um die junge Schönheit wirbt - ebenfalls eine stark überzeichnete Wallace-Figur, die dem Liebespaar erwartungsgemäß nicht gefährlich werden konnte. In fast allen Wallace-Krimis kam eine Liebesgeschichte vor, aber sie war stärker mit der Handlung verzahnt und wurde langsamer entwickelt. Fuchsberger ging in seinen Rollen dagegen immer gnadenlos direkt vor, keinen Moment an seiner männlichen Überlegenheit zweifelnd. Karin Dor kokettiert zu Beginn anstandshalber mit ein wenig Widerstand, den sie aber bald aufgibt, um in den Armen des Helden zu landen.

"Die Bande des Schreckens" ist trotz typischer Logikschwächen einer der besseren Wallace-Krimis, zudem stimmig von Harald Reinl in Szene gesetzt, aber er ist auch signifikant für den großen Erfolg, den die Verfilmungen an der Kinokasse hatten. Durften auf der einen Seite eine Vielzahl an Morden stattfinden und finsterste Bösewichte angenehmen Grusel verbreiten, bleibt die Welt hier trotzdem noch überschaubar. Obwohl die Handlung in der Gegenwart stattfindet, wird die Todesstrafe bei Schwerverbrechen noch mit absoluter Selbstverständlichkeit angewendet. Auch jeder negative Charakterzug, ob selbstgefällig, geldgierig, eitel oder verlogen, verringert die Lebenserwartung erheblich. Dabei sind es diese zwiespältigen Figuren, die den Wallace-Kosmos erst ausmachen, denn sie gewähren einen kurzen Blick in menschliche Abgründe, um dem Betrachter am Ende das gute Gefühl zu vermitteln, dass die Wirklichkeit doch gar nicht so schlimm ist.

"Die Bande des Schreckens" Deutschland 1960, Regie: Harald Reinl, Drehbuch: Wolfgang Schnitzler, J.Joachim Bartsch, Edgar Wallace (Roman), Darsteller : Joachim Fuchsberger, Karin Dor, Elisabeth Flickenschild, Dieter Eppler, Ernst F. Fürbringer, Ulrich Beiger, Fritz Rasp, Eddie ArentLaufzeit : 88 Minuten

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