Inhalt: Der polnische Arzt Dr.Leon Bronek (Walter Richter),
dessen Frau (Winnie Markus) von der SS ermordet wurde, wird jeden Tag im
Konzentrationslager gezwungen, die schon völlig entkräfteten Männer für den
Arbeitsdienst freizugeben. Mit einer echten ärztlichen Diagnose hat seine
Arbeit nichts zu tun, weshalb die Masse an ausgemergelten Leibern vor seinen
Augen langsam verschwimmt, bis er in Trance von „arbeitstauglich“ in
„untauglich“ wechselt, womit er die Männer quasi zum Tod verurteilt.
Während diese in einer Baracke auf ihre baldige Hinrichtung
warten, kommt ihnen Dr.Bronek zu Hilfe und ermöglicht Ihnen die Flucht, indem
er den Strom kurz ausschaltet und Bretter gibt, mit den sie über den
Stacheldraht klettern können. Die meisten von ihnen werden erschossen, aber
Bronek und vier Männer können in einem dichten Wald untertauchen, wo sie in
einer kleinen Lichtung auf andere Flüchtlinge treffen. Diese ernähren sich von
Hilfsgaben aus den umliegenden polnischen Dörfern und warten auf die
heranrückende Front…
"Morituri" (1948) gehört nicht nur zu den ersten Filmen, die nach dem Krieg in Westdeutschland entstanden, sondern setzte sich als einer der ersten mit der unmittelbaren Vergangenheit auseinander - Nationalsozialismus, KZ, Judenverfolgung und Krieg. Produzent Arthur Brauner, der das Drehbuch auf Basis seiner eigener Erfahrungen als polnischer Jude schrieb, stieß auf erheblichen Widerstand bei der Umsetzung, weshalb die Finanzierung erst nach seinem Erfolg mit der Komödie "Herzkönig" feststand. Doch auch in den Kinos wurde der Film heftig abgelehnt und ein großer Misserfolg. Dass die PIDAX ihn ab dem 22.08.2014 wieder der Vergessenheit entreißt, war überfällig. (Die grünen Links führen zur Amazon-Bestellseite).
Es benötigt nicht viel Fantasie, um sich die Schwierigkeiten
vorzustellen, die sich vor einem jungen Produzenten auftürmten, als er
unmittelbar nach dem Ende des 2.Weltkriegs im zerstörten Deutschland versuchte,
ein Filmprojekt auf die Beine zu stellen. Doch mit einem derartig großen Widerstand
hatte Arthur Brauner, ein überlebender polnischer Jude, nicht gerechnet, als er
bei den Besatzungsmächten um eine Genehmigung nachsuchte. Sein selbst
verfasstes Drehbuch trug autobiografische Züge in der Beschreibung von
Flüchtigen und Untergetauchten, die sich unter lebensunwürdigen Umständen vor
der SS und der Wehrmacht versteckten, aber trotz der kritischen Sichtweise auf
die unmittelbare Vergangenheit brauchte er lange, um mit den Dreharbeiten
beginnen zu können - zudem erst nach dem Erfolg mit der Komödie
"Herzkönig" (1947), der ihm die notwendigen finanziellen Mittel
einbrachte.
Für Brauner, einem der aktivsten und einflussreichsten
Produzenten im deutschen Film nach dem Krieg bis in die Gegenwart, blieb die
Mischung aus massenkompatiblen ("Die große Star-Parade" (1954)) und
gesellschaftskritischen Themen ("Der 20.Juli" (1955)) stilprägend.
Unabhängig davon bewies er immer auch ein Gefühl für angesagte, kassentaugliche
Stoffe - nur sein Herzensprojekt "Morituri" (lateinisch „Die
Todgeweihten“) erlitt völligen Schiffbruch und wurde nur in wenigen Kinos
aufgeführt, die den Film nach der Premiere auf Grund heftiger Reaktionen des
Publikums schnell wieder absetzten. Die reflektierte und ernsthafte
Auseinandersetzung mit Nationalsozialismus und Judenverfolgung kam für die
Deutschen offensichtlich viel zu früh und erlitt das häufige Schicksal zeitnah
erschienener gesellschaftskritischer Filme - erst wurde er abgelehnt, dann geriet
er in Vergessenheit. Nur dem ersten Auftritt von Klaus Kinski verdankte der
Film noch eine gelegentliche Erwähnung - bemerkenswert an dessen kleiner Rolle
als KZ-Gefangener ist, wie sehr sie schon die psychopathischen Züge der
Charaktere trägt, für die Kinski später berühmt werden sollte.
Dabei bemühte sich Brauner um das damalige Publikum und engagierte
bekannte Filmschauspieler wie Winnie Markus („Sommerliebe“ 1942), Lotte Koch („Anschlag
auf Baku“ 1942), Carl-Heinz Schroth („Krach im Vorderhaus“, 1941) und den
Theater-Mimen Walter Richter für die Hauptrollen, die schon während der Zeit
des Nationalsozialismus erfolgreich waren. Regisseur Eugen York drehte zwar
seinen ersten Kinofilm, war aber viele Jahre bei der „Universum“ für Kulturfilme
verantwortlich und an der Propaganda-Serie „Liese und Miese“ beteiligt, was im
Widerspruch zu Brauners späterer Aussage stand, nicht mit Wolfgang Staudte und
Hildegard Knef wegen ihrer Nazi-Vergangenheit zusammenarbeiten zu wollen. Insgesamt
verharrte die Inszenierung noch in den damaligen Konventionen und erinnert,
bedingt durch die schwierigen Produktionsbedingungen, die nur wenige
Außenaufnahmen zuließen, mehr an ein Theaterstück.
Frühjahr 1945 im besetzten Polen - nachdem der polnische
Arzt Dr.Leon Bronek (Walter Richter), ermüdet von dem Anblick ausgemergelter
Körper, denen er Arbeitsfähigkeit bescheinigen sollte, einige Männer nahezu in
Trance als „arbeitsuntauglich“ bezeichnete, warten diese in einem Trakt des KZ
auf ihr Todesurteil – bis Dr.Bronek, der sich freier bewegen kann, ihnen zur
Flucht verhilft. Angesichts der schwer bewachten Konzentrationslager, wirkt
diese spontane Aktion etwas naiv, aber Brauner ging es nicht um einen
Ausbruchfilm, sondern um die Zusammenkunft von Flüchtlingen unterschiedlicher
Beweggründe und Nationen an einem Ort. Mitten im Wald treffen die wenigen
Überlebenden der Flucht auf eine Not-Gemeinschaft, die versucht so lange durchzuhalten, bis die Front bis zu ihnen vorgerückt ist und sie befreit werden.
Der Verzicht auf bewusst zugespitzte Gefahrenmomente zugunsten
einer ruhigen, sprachlastigen Auseinandersetzung unter den Flüchtlingen - erst
in den letzten Minuten steigert „Morituri“ sein Spannungspotential – war dem
Erfolg des Films sicherlich nicht dienlich, ist so kurz nach dem Krieg aber
erstaunlich in dem Versuch einer ausgewogenen Betrachtung. Ein junger
Wehrmachtssoldat gerät zufällig in das Versteck und wird gefangen genommen.
Einige der psychisch und physisch misshandelten Opfer wollen sich zuerst an ihm
rächen, aber in einer Art Gerichtsverhandlung, die an Fritz Langs „M“ (1931)
erinnert, beschließen sie, sich nicht wie ihre Peiniger zu verhalten und
Unrecht mit Unrecht zu vergelten. Indem Brauner die Menschen in ihrer
jeweiligen Muttersprache reden ließ – konsequent ohne Untertitel, leider nicht
immer überzeugend, da sich deutsche Darsteller polnisch, englisch und
französisch ausdrücken mussten – betonte er noch den Zusammenhalt dieser
zusammengewürfelten Gruppe, die die Utopie eines übergreifenden Friedens symbolisieren
sollte.
Die klare Benennung der Nazi-Gräuel und das offensichtliche
Leid der Opfer sind auch aus heutiger Sicht bemerkenswert, ebenso der Verzicht
auf typische Nazi-Klischees oder Einzeltäter-Thesen, aber der verständliche
Versuch Brauners, seinen engagierten Film dem damaligen Publikum schmackhaft zu
machen, lässt diesen zu oft in Unterhaltungsfilm-Mechanismen verfallen
mit einer netten Liebesgeschichte und komisch-herzig bis dramatisch
angelegten Nebengeschichten. Geholfen hat es dem Film nicht – im Gegenteil. Die
Mehrheit der westdeutschen Zuschauer lehnten „Morituri“ trotzdem als
„deutschfeindlich“ ab, für einen kritischen Film blieb er dagegen zu oberflächlich und wirkte in seiner ideologiefreien Perspektive zu naiv. Erst mit dem zeitlichen Abstand wird
die Leistung Brauners ersichtlich, der sich aus dem Blickwinkel eines unmittelbar Betroffenen ohne Ressentiments mit der
nationalsozialistischen Vergangenheit als einer der Ersten im Rahmen eines Unterhaltungsfilms
auseinandersetzte.
"Morituri" Deutschland 1948, Regie: Eugen York, Drehbuch: Arthur Brauner, Gustav Kampendonk, Darsteller : Walter Richter, Lotte Koch, Carl-Heinz Schroth, Winnie Markus, Hilde Körber, Klaus Kinski, Laufzeit : 84 Minuten
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