Inhalt: Nachdem sie mit ihrem schicken Coupé vor der Schule
geparkt hatte, geht Susanne, genannt „Sue“ (Brigitte Skay), fröhlich tänzelnd
in den Unterrichtsraum, stolz einen Button auf der Brust tragend mit der
Aufschrift „Ich liebe Männer“ in französischer Sprache. Als ihre Lehrerin
(Heidy Forster) sie auffordert, den Button zu entfernen, antwortet sie mit
einem unschuldigen Blick, dass das doch für ein Mädchen ganz normal wäre. Für
ihre Klassenkameraden ist Sue Vorbild und Provokation zugleich, besonders ein
verklemmter Mitschüler weiß kaum, wie er an sich halten soll.
Im Gegensatz zur hilflosen Kollegin lässt sich der seriöse
Lateinlehrer nicht provozieren, bleibt ruhig und erklärt an der Tafel die
Funktion der Pille. Nicht zur Freude des Direktors, der die Moral seiner
Schüler für gefährdet sieht. Sue reagiert dagegen sehr freundlich auf ihn und
bietet ihm nach dem Unterricht an, ihn mit ihrem Auto nach Hause zu fahren. Doch
sie hat eine ganz andere Tour im Sinn und sein Widerstand ist angesichts des
schönen Autos und der weiteren Perspektive schnell gebrochen – ein Anruf bei
seiner zu Hause wartenden Ehefrau leitet einen aufregenden Tag ein…
Nach "Schwarzer Markt der Liebe" und "St.Pauli zwischen Nacht und Morgen". fügte die PIDAX am 12.08.2014 mit "Unruhige Töchter" einen weiteren wichtigen Baustein Erwin C.Dietrichs hinzu, auf dessen Weg zu einem der wesentlichen Pioniere des deutschsprachigen Erotik-Films - auch seine folgenden Werke ("...und noch nicht 16") werden bei der PIDAX erstmals auf DVD veröffentlicht und damit endlich wieder allgemein zugänglich. Mehr als lohnende Wiederentdeckungen, die sehr viel über ihre Entstehungszeit und die deutsche Gesellschaft an sich verraten. (Die grünen Links führen zur Amazon-Bestellseite).
Erwin C.Dietrich hatte offensichtlich Blut geleckt. Nach
seinem Einstieg als Produzent in das Erotik-Genre mit "Schwarzer Markt der Liebe" (1966, Regie Ernst Hofbauer) und "St.Pauli zwischen Nacht und Morgen" (1967), die vom Stil des französischen Erotik-Pioniers José
Bénazeraf geprägt waren, der beim "St.Pauli" - Streifen selbst Regie
führte, begann Dietrich sein Engagement und damit den Einfluss bei der
Entwicklung seiner Film-Produktionen zu erhöhen. Offiziell wurde er zwar
erstmals bei "Hinterhöfe der Liebe" (1968) als Regisseur geführt,
aber die sonst unbekannt gebliebenen Regisseure Georg Ammann
("Seitenstraßen der Prostitution" (1967)) und Hansjörg Amon
("Unruhige Töchter") hatten offensichtlich nur die Funktion seines
verlängerten Arms, bevor mit Kameramann Peter Baumgartner bei "...und noch
nicht sechzehn" (1968) sein ständiger Mitstreiter ausnahmsweise einmal auch
auf dem Regie-Stuhl Platz nahm.
Neben Baumgartner, seit "St.Pauli zwischen Nacht und Morgen" festes Crew-Mitglied, hatte der Schweizer Produzent für
"Unruhige Töchter" auch Drehbuchautor Wolfgang Steinhardt nach seiner
Mitwirkung beim Bénazéraf-Film ein weiteres Mal verpflichtet, um den "Quick"-Fortsetzungsroman
"Unruhige Töchter" der Autorin Ilse Collignon für seinen ersten erotischen
Farbfilm zu adaptieren. Der Handlungsort Zürich schien angesichts der zuvor in
Berlin und Hamburg angesiedelten Filme vordergründig provinziell, aber Baumgartner fing Zürich mit großstädtischem Flair ein. Begleitet von der Schweizer Beat-Band „The Countdowns“, die bei
einem Konzert auch im Bild ist und deren Musik den Film prägt, gelang es, das
stylische 60er Jahre Feeling der Vorgängerfilme fortzuführen, kombiniert mit
einer Farbgebung, die besonders bei der Garderobe von Hauptdarstellerin
Brigitte Skay die gewollte Wirkung erzielte.
Die Story selbst bedeutete hingegen eine Abkehr vom bisher
bevorzugten Gangster- und Prostitutions-Milieu und widmete sich jungen Frauen
aus der bürgerlichen Mitte, die nicht mehr klaglos bereit waren, die für sie traditionell
vorgesehene Rolle als Ehefrau und Mutter einzunehmen. „Unruhige Töchter“ war
ein typischer Kolportage-Roman dieser Zeit, der die sozialen Veränderungen in
Richtung Hedonismus und frei gelebter Sexualität unter Vorgabe eines angeblichen
Realitätsanspruchs bewusst dramatisierte. Damit wurden gleichzeitig
Sensationslust und aufkommende Ängste bedient, um diese durch die Beschränkung
auf ein Einzelschicksal wieder zu beruhigen.
In Dietrichs Film wurde die im Mittelpunkt stehende Susanne
(Brigitte Skay), cool „Sue“ genannt, zu einem entsprechend künstlichen Charakter
hochstilisiert. Obwohl die 18jährige, damals noch minderjährige Schülerin kurz
vor dem Abitur steht, lebt sie weit entfernt von ihren reichen, sie finanziell
großzügig unterstützenden Eltern allein in einer mondän eingerichteten Wohnung
und fährt täglich mit dem Sport-Coupé zur Schule. Außer ihren
Klassenkameradinnen, mit denen sie sich regelmäßig trifft, existiert kein
soziales Umfeld, dass zu ihrem selbstbestimmt, kessen Verhalten hätte Stellung
nehmen müssen. So kommt es zu der außergewöhnlichen Situation, dass es die
Schülerin ist, die ihren Lehrer zuerst mit ihren Besitztümern beeindruckt und dann
verführt. Während die Ehefrau des sonst so pünktlichen Lateinlehrers zu Hause
auf ihn wartet, lässt Sue ihn ans Steuer ihres Motorboots und cruist mit ihm
durchs nächtliche Bern, bevor sie in einem angesagten Dance-Club zu
Beat-Rhythmen eine Sohle aufs Parkett legen. Mit der Konsequenz, dass er danach
sein kleinbürgerliches Leben satt hat und sich in seine Schülerin verliebt.
So irreal diese Konstellation auch wirkt, auf illegalen Sex
zwischen Lehrer und Schülerin wollte sich der Film nicht einlassen, sondern
nutzte die Szenerie nur dafür, um Sues kaltblütiges, strategisches Vorgehen zu
demonstrieren. Dem verliebten Lehrer zeigt sie nach dem gemeinsamen Abend nur
noch die kalte Schulter – für den Sex ist dagegen ihr Fotograf zuständig, dessen
von ihr gemachten Aktaufnahmen sie nicht nur bereitwillig vorzeigt, sondern die
auch ihren Einstieg ins Film-Business vorbereiten sollen. Ihm verdankt sie auch
die gute psychologische Vorbereitung auf den älteren Regisseur (Ruedi Walter) ihres ersten
Films, dessen Vorliebe für sehr junge Frauen noch durch deren jungfräuliche Zurückhaltung
gesteigert wird. Kein Problem für Sue, die nicht lange dafür braucht, bis ihr
der selbstverliebte Künstler aus den Händen frisst. Doch auch er ist nur Mittel
zum Zweck, denn Sue will ganz nach oben - bis nach Hollywood.
Die Rolle der Sue bedeutete für die damalige Mittzwanzigerin
Brigitte Skay den Durchbruch nach zuvor kleineren Rollen, legte sie aber
auf den Rollentypus der verführerischen Schönen fest („Bengelchen liebt kreuz
und quer“, 1968). In Dietrichs Film blieben ihre Nacktaufnahmen noch dezent,
zudem begleitet von einem bewusst mädchenhaften Gestus, der wenig von der „Femme
fatale“ an sich hatte, die die Handlung vorsah. Weder das Schicksal der Männer,
die nur ihrem Ehrgeiz dienten, noch die Vergewaltigung ihrer lesbischen,
ebenfalls in Sue verliebten Mitschülerin (Bella Neri) durch einen verklemmten
Klassenkameraden, lassen Tragik aufkommen – immer bleibt die linear
vorgetragene Story spielerisch leicht und ohne dramatische Wendungen. Sue
tröstet ihre Freundin eben ganz auf ihre direkte, mitfühlende Art.
Ob Autor Steinhardt und Erwin C.Dietrich dem
Kolportage-Charakter der literarischen Vorlage die Schärfe nehmen wollten, um sie
Mitte der 60er Jahre als Erotik-Film auf die Kinoleinwand bringen zu können,
bleibt spekulativ, aber sie trieben der Story damit erfolgreich den pädagogischen,
warnenden Gestus aus. Die Figur der Sue ist so überhöht, dass sie weder als Vorbild,
noch als abschreckendes Beispiel für junge Frauen dienen konnte. In Erinnerung
bleibt ein jederzeit fröhliches, zunehmend sympathisches Mädchen, das
reihenweise lächerliche Männer hinter sich lässt, ohne Schaden daran zu nehmen.
Dass der griesgrämige Lateinlehrer sie am Ende durchs Abitur fallen lässt,
spielt da schon keine Rolle mehr.
"Unruhige Töchter" Deutschland, Schweiz 1967, Regie: Hansjörg Amon, Drehbuch: Wolfgang Steinhardt, Ilse Collignon (Roman), Darsteller : Brigitte Skay, Heidy Forster, Ruedi Walter, Bella Neri, Peter Capra, Laufzeit : 78 Minuten
- Regie:
"Die Nichten der Frau Oberst" (1968)
"Ich, ein Groupie" (1970)
"Die Nichten der Frau Oberst" (1980)
- nur Produktion und/oder Drehbuch:
"Der Herr mit der schwarzen Melone" (1960)
"Schwarzer Markt der Liebe" (1966)
"St.Pauli - zwischen Nacht und Morgen" (1967)
"...und noch nicht sechzehn" (1968)
"Downtown - die nackten Puppen der Unterwelt" (1975)
Essay "Jesùs Franco und Erwin C.Dietrich - die 70er Jahre Erotic-Connection"
weitere im Blog besprochene Filme von Erwin C.Dietrich:
- Regie:
"Die Nichten der Frau Oberst" (1968)
"Ich, ein Groupie" (1970)
"Die Nichten der Frau Oberst" (1980)
- nur Produktion und/oder Drehbuch:
"Der Herr mit der schwarzen Melone" (1960)
"Schwarzer Markt der Liebe" (1966)
"St.Pauli - zwischen Nacht und Morgen" (1967)
"...und noch nicht sechzehn" (1968)
"Downtown - die nackten Puppen der Unterwelt" (1975)
Essay "Jesùs Franco und Erwin C.Dietrich - die 70er Jahre Erotic-Connection"
Vielen Dank für die interessante Filmbesprechung.
AntwortenLöschenNur eine kleine Korrektur: Schauplatz des Films ist nicht Bern (obwohl auf dem Coupé der Hauptdarstellerin eine Berner-Nummer prangt), sondern Zürich - klar erkennbar an den blauen Strassenbahnen.