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Freddy (Freddy Quinn) und Stefan (Christian Machalet) mussten von Bord gehen |
Inhalt: Ein 10jähriger Junge (Christian Machalet)
treibt sich im Hamburger Hafengebiet herum und nutzt einen unbeobachteten
Moment, um an Bord eines Frachters zu gelangen. Er ahnt nicht, dass ihm Freddy
(Freddy Quinn), der es sich unter der Plane eines Rettungsboots eingerichtet
hatte, dabei zusieht. Doch als ein Kran seine Ladung in den Frachtraum absetzen
will, kommt diese dem Jungen gefährlich nah, so dass Freddy ihm zur Seite
springt und ihn wegzieht. Mit dem Ergebnis, dass Beide erwischt werden und von Bord
verwiesen werden. Statt als blinder Passagier nach Kanada zu schippern, muss
Freddy in einem Schuppen übernachten, in dem sich Stefan, der aus dem
Waisenhaus abgehauen war, versteckt hält.
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Freddy gefällt Susi (Corny Collins) |
Freddy ist dem Jungen deshalb nicht böse und will ihn nicht
im Stich lassen. Als sie am kommenden Tag ein wenig Geld für etwas Essbares auftreiben
wollen, hält Stefan einer Dame (Sabine Sesselmann) die Tür ihres Cabriolets
auf, wofür er 50 Pfennig erhält. Dabei fällt dieser unbemerkt ein 50 Markschein
aus dem Portmonee, den Stefan sofort an sich reißt. Aber Freddy ermahnt ihn und
gibt ihn ihr wieder zurück. Eine Begegnung, an die sich die junge Journalistin
sofort erinnert, als sie einige Stunden später erneut auf Freddy trifft, der im
Lokal "Bei Onkel Max" einige Lieder singt, um ein wenig Geld zu verdienen. Susi
(Corny Collins), die dort kellnert, hatte ihm und Stefan eine Bulette zukommen
lassen und sich ein wenig mit Freddy angefreundet. Doch die angenehme Situation
ändert sich, als Polizisten das Lokal betreten. Freddy ergreift die Flucht.
In "Heimatlos"
wurde Freddy Quinn noch von der weiblichen Protagonistin zugunsten eines anderen Mannes zurückgewiesen, ab "Freddy, die Gitarre und das Meer" stieg er endgültig zum Hauptdarsteller und Star auf, dem die Frauenherzen nur so zuflogen. Das betonten die diversen Filmplakate, die ihn wahlweise mit Sabine Sesselmann oder Corny Collins zeigten, und passte zu Freddys neuem Image als cooler Seemann, der den Widrigkeiten des Lebens mit der Gitarre in der Hand trotzt - eine Kreation, die auf die Autoren Aldo von Pinelli und Gustav Kampendonk zurückging, die gemeinsam mit Regisseur Wolfgang Schleif die ersten drei Freddy-Filme innerhalb eines Jahres herausbrachten, deren großer Erfolg Quinns Image bis heute verfestigte.
Tatsächlich spielten die Macher nur mit der Aura eines Frauenhelden, denn Quinn blieb immer ein Muster an Anstand, der die Gelegenheiten selbstverständlich nicht ausnutzte. Mit Sabine Sesselmann, deren Porträt im Hintergrund des Filmplakats eine bedeutungsvolle Schwere vermitteln sollte, existiert im Film nicht einmal ein kleiner Flirt. Stattdessen erlebt Freddy seine Abenteuer mit einem 10jährigen Jungen, den er am Ende aus einem Waisenhaus befreit und als blinden Passagier mit nach Kanada nimmt. Bei solch menschlich nachvollziehbaren Umständen durft auch ein wenig über die Strenge geschlagen werden.
"Freddy, die Gitarre und das Meer" wurde der
"kassenstärkste Film deutsch" (goldener Bambi 1960) im Jahr 1959 und
stand am Beginn einer Reihe von insgesamt zehn Freddy Quinn-Filmen innerhalb
der kommenden fünf Jahre. Doch so selbstverständlich wie dieser Erfolg
rückwirkend erscheint, war er nicht. Als Sänger seit seinem ersten Nummer 1-Hit
"Heimweh" (1956) in Deutschland ein Star, war Quinn bis dahin im Kino
nur in zwei Nebenrollen zu sehen. Zuletzt in dem Heimatfilm "Heimatlos" (1958), dessen gleichnamiger Titelsong für Quinn zu einem
weiteren Nummer-1-Hit avancierte. Der Text stammte von Aldo von Pinelli, dem
Impresario hinter einer Figur, die er gemeinsam mit Co-Autor Gustav Kampendonk
und Regisseur Wolfgang Schleif zu einer Reife brachte, dass sie zum "Alter
Ego" des aus Österreich stammenden Sängers wurde: der bodenständige,
großherzige und weitgereiste Seemann, der seine Gitarre und die Einsamkeit des
Meers jederzeit einer aufgeregten, materiell orientierten Gesellschaft vorzog.
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Freddy bei Katja (Sabine Sesselmann) zu Hause - natürlich ganz züchtig |
Den Machern musste das Risiko dieser Kreation bewusst
gewesen sein, denn die Produktionskosten blieben verglichen mit seinem
unmittelbaren Nachfolger "Freddy unter fremden Sternen" (1959)
bescheiden - gedreht in Schwarz/Weiß, ohne große Co-Stars und mit einer auf das
Hafengebiet von Hamburg beschränkten Location. Dabei bewiesen sie ein gutes
Gespür sowohl für den damaligen Zeitgeist, als auch den Menschen Quinn. Dieser
hatte, als er 1954 als 23jähriger von Jürgen Roland auf der Reeperbahn entdeckt
worden war, schon eine bewegte Vergangenheit hinter sich. Mit seinem irischen
Vater war er als Kleinkind in die USA gezogen, später zu seiner Mutter nach
Wien zurückgekehrt, bevor er schon als Minderjähriger jahrelang singend durch
Südeuropa und Nordafrika gereist war. Quinn nahm man den Typus des
selbstbewussten, jeder Situation gewachsenen Kerls ab, dessen zwischen
Abenteuerlust und Biederkeit austarierter Charakter exakt den Nerv des
Publikums traf.
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Jan (Peter Carsten) hat Freddy wieder erkannt |
Entsprechend angelegt ist auch die Handlung. Der von der
Polizei wegen Totschlags in Genua gesuchte Freddy schlägt sich als blinder
Passagier bis Hamburg durch, um von dort weiter nach Kanada zu gelangen, wo ihm
sein Onkel ein großes Stück Land vererbt hat. Weil er Stefan (Christian
Machalet), einem aus dem Waisenhaus geflohenen etwa 10jährigen hilft, wird er entdeckt
und muss von Bord des Schiffes gehen, das ihn nach Nordamerika bringen sollte. Gemeinsam
mit dem Jungen schlägt er sich in St.Pauli durch, übernachtet in einem heruntergekommenen
Schuppen und versucht in einem Lokal mit seinem Gesang etwas zu verdienen.
Dabei lernt er die Kellnerin Susi (Corny Collins) kennen, aber auch eine hübsche
Journalistin (Sabine Sesselman) aus besten Hamburger Kreisen wird auf ihn
aufmerksam. Sie will sein Talent als Sänger fördern und nimmt ihn mit zu sich
nach Hause, was ihrem arroganten Verlobten gar nicht gefällt. Auch Susi
reagiert eifersüchtig, aber Freddy hat noch ganz andere Probleme. Ein ehemaliger
Kamerad (Peter Carsten) hat ihn wieder erkannt und droht ihn an die Polizei zu
verraten.
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"Mutter" Ossenkamp (Camilla Spira) steckt Fietjes (Ralf Wolter) Lohntüte ein |
St.Pauli, Kriminalität, Frauen. Von Pinelli und Kampendonk
entwarfen eine Story, die nach Sex und Gewalt klang, sich aber als familientauglicher
Musikfilm entpuppte. Keiner der hier behaupteten Konflikte wird auch nur
annähernd ausgespielt, mögliche Missverständnisse oder Animositäten lösen sich umgehend
in Wohlwollen auf. Eine Inszenierung, die um Freddy die Aura eines Vagabunden
und Abenteurers schuf, diesen aber am heimischen Küchenherd verortete. Hamburg-Reeperbahn,
die Hafengegend, die schmalen Gassen, selbst das Tanzlokal, in dem Vicky
Henderson die einzige nicht von Quinn gesungene Nummer zum Besten gab, wirken
sauber und aufgeräumt. Dagegen war selbst Rühmanns "Auf der Reeperbahn nachts um halb eins" (1954) ein Ort finsterer Verruchtheit. Das Traumziel Kanada und
der Blick über das Meer sollten Fernweh demonstrieren, aber das Lokal "Bei Onkel Max" des
Ehepaars Ossenkamp, obwohl kinderlos von allen nur „Mutter“ (Camilla Spira) und
„Vater“ (Walter Scherau) genannt, wird zum Rückzugort für Freddy und Stefan.
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"Vater" Ossenkamp (Walter Scherau) lässt sich schnell von Susi und Stefan erweichen |
Allein das Aldo von Pinelli seinem Hauptdarsteller mit
Christian Machalet ein Kind an die Seite stellte, das dem Film altklug und
redselig den Stempel aufdrückte, nahm der Handlung jede Chance auf eine
dramatische Entwicklung. Freddy rückte sofort in die Rolle des großen Bruders,
der den Kleinen nicht im Stich lassen konnte, weshalb es die beiden Frauen an
seiner Seite schwer hatten. Das ist umso erstaunlicher, da Corny Collins
("Schmutziger Engel", 1958) und Sabine Sesselmann („Liebe kann wie Gift sein“,
1958) zuvor sexuell aktive Frauen gespielt hatten, hier an Hochgeschlossenheit
aber kaum zu übertreffen sind. Collins als Kellnerin Susi ist ganz das einfache
Mädchen, dass sich ein anständiger Kerl wie Freddy an seiner Seite wünscht –
fleißig, zurückhaltend und dezent hübsch. Klar, dass er sie will, aber mehr als
ein Kuss am Kai, als er sich von ihr gen Kanada verabschiedet, springt nicht
für sie heraus. Trauer ist ihm wegen der Trennung nicht anzumerken, dagegen
große Freude, als in seiner Schiffskajüte zu seiner Überraschung Stefan aus dem
See-Sack springt.
Sein Verhältnis zu den Frauen ist signifikant für die
Kunstfigur „Freddy“. Einerseits gehörte es zum Klischee des Abenteurers, dass
ihm die Herzen der Frauen zufliegen, andererseits hätte eine intensive
Beziehung, gar eine dramatische „Amour fou“, nicht nur dem Saubermann-Image
widersprochen, sondern auch seinen Status als cooler Einzelgänger in Frage
gestellt. Ein kleiner Junge an seiner Seite wurde akzeptiert, denn gehören sollte
„Freddy“ allein dem Publikum.
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Katja kann ihren Verlobten Lothar (Harry Meyen) beruhigen |
Die Rolle der Journalistin Katja besaß darüber hinaus noch
eine andere Funktion. Obwohl das Filmplakat eine emotionale Beziehung zwischen
ihr und Freddy andeutete, durfte ihre Aufmerksamkeit allein seinem
Gesangstalent gelten. Selbst als sie ihn mit zu sich nach Hause nimmt, wird
jede größere Nähe ausgeschlossen. Betont wird dagegen ihr mondäner Hintergrund
mit Villa, Sportwagen und Hausmädchen, der in keinem größeren Kontrast zur kleinbürgerlichen
Welt der Ossenkamps stehen könnte, der hier selbstverständlich die Sympathien
gehörten. Zwar agierte Sabine Sesselmann in ihrer Rolle freundlich – sonst
hätte Freddy nichts mit ihr zu tun haben wollen - aber Harry Meyen als ihr
Verlobter durfte die gesamte Palette von Arrogant bis Hochnäsig abdecken. Wenn
Katja ihm am Ende zu verstehen gibt, dass Jemand wie Freddy bei ihr keine
Chance hatte und sie auch dessen Gesangsaufnahmen wieder löscht, unterscheidet
sie nichts mehr von ihm.
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Wahre Freude - Stefan kommt mit nach Kanada |
Diese Trennung zwischen den sozialen Schichten war ein weiterer
Grund für den Erfolg der „Freddy“-Filme, die den Heimatfilm modern
interpretierten (siehe "Der Weg in die Moderne - der Heimatfilm der Jahre 1958 bis 1969"). Hier die klar umrissene, vertraute Scholle, bevölkert mit Menschen,
die trotz kleinerer Schwächen das Herz auf dem rechten Fleck haben, dort eine gebildete
und auf Etikette wert legende Oberschicht. Auch dieser Kontrast wurde nicht
übertrieben zugespitzt, denn das hätte den harmonischen Gesamteindruck gestört –
selbst die Polizei ging hier ganz in ihrer Funktion als „Freund und Helfer“ auf
- aber er machte deutlich, auf welcher Seite Freddy stand. Dass er in die weite
Welt hinausfahren wollte, war kein Widerspruch. Ein Verbleiben zu Hause, wie es
die frühen Heimatfilme propagierten, war nicht mehr zeitgemäß. Der Blick in die
Fremde sollte das Hochhalten der eigenen Heimat legitimieren – eine Rolle, die
Freddy stellvertretend für das Publikum einnahm. Am Ende von „Freddy, die
Gitarre und das Meer“ begibt er sich auf die große Reise, aber das war noch nicht
das Ende seiner Geschichte.
"Freddy, die Gitarre und das Meer" Deutschland 1959, Regie: Wolfgang Schleif, Drehbuch: Aldo von Pinelli, Gustav Kampendonk, Darsteller : Freddy Quinn, Corny Collins, Sabine Sesselmann, Christian Machalet, Peter Carsten, Walter Scherau, Camilla Spira, Harry Meyen, Ralf Wolter, Laufzeit : 89 Minuten
weitere im Blog besprochene Filme von Wolfgang Schleif:
"Freddy unter fremden Sternen" (1959)
"Freddy und die Melodie der Nacht" (1960)
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