Großstädter Conny Fürst (Peter Weck) interessiert sich für Barbara (Marianne Hold)... |
...was den einheimischen Herren (Joe Stöckel, Willy Rösner und Rudolf Lenz) missfällt |
Im Glauben, ihn spätestens bei ihrer Freundin loszuwerden, fährt
sie noch gemeinsam mit ihm im Taxi zu deren Elternhaus, muss dort aber
erfahren, dass die Herrschaften überraschend abgereist sind, ohne sie noch
rechtzeitig informieren zu können. Für Conny Fürst die Gelegenheit, seine
Beziehungen und Ortskenntnisse zu nutzen. Da kein Bus mehr zurückfährt, bringt er sie erst in einer hochanständigen Pension bei
einer strengen Oberst-Witwe unter, um mit ihr Abends schick auszugehen. Doch
obwohl er seinen Charme zu Höchstform auflaufen lässt, wehrt Barbara seine
Annäherungen ab und verbringt die Nacht allein. Nur glaubt das ihr
eifersüchtiger Verlobter nicht, der ihr nachgefahren war, nachdem er erfahren
hatte, dass sie nicht bei ihrer Freundin untergekommen war. Als Conny Fürst
noch mit einem Blumenstrauß auftaucht, eskaliert die Situation…
"Heimatlos" konnte mit einigen Stars aufwarten. Die Heimatfilm-Größen Marianne Hold und Rudolf Lenz standen an der Spitze eines Casts, der mit Joe Stöckel, Peter Weck, Willy Rösner, Werner Fuetterer und Helen Vita bis in die Nebenrollen prominent besetzt war. Dazu kam der schauspielerische Newcomer, aber aktuelle Schlager-Star Freddy Quinn in seiner zweiten Filmrolle und Sängerin Dany Mann mit einem kurzen Auftritt. Diese angesagte Darsteller-Riege täuscht darüber hinweg, dass sich die Popularität des Heimatfilms im Niedergang befand (siehe "Der Weg in die Moderne - der Heimatfilm der Jahre 1958 bis 1969"). Für Regisseur Fredersdorf wurde "Heimatlos" sein letzter Heimatfilm, ebenso für Joe Stöckel, der ein Jahr später mit 64 Jahren starb.
Mehr als die äußerlichen Anzeichen steht das Drehbuch für diesen schleichenden Prozess, denn der nicht weiter in Erscheinung getretene Autor E.A. Wildenburg kombinierte Heimatfilm-Klischees mit dem Ende der 50er Jahre angesagten "Moral"- oder "Halbstarken-Film" und stellte dem gestandenen Helden Rudolf Lenz einen großstädtischen Gauner und Verführer gegenüber. Dazu mit Freddy Quinn auch einen Sänger, dessen Filmkarriere noch bevor stand, die beispielhaft für den Wandel im Heimatfilm steht. Zwar konservativ und heimatverbunden bleibend, verlieh Quinn dem Heimatfilm ab "Freddy, die Gitarre und das Meer" (1959) ein internationales und mordernes Image.
Anfangsszenario: Franz (Rudolf Lenz) und Barbara als Liebespaar... |
Rudolf Lenz befand sich 1958 auf dem Höhepunkt seiner
Helden-Karriere. Berühmt geworden mit dem österreichischen Film "Echo der
Berge" (1954), der den Heimatfilm-Boom unter dem Titel "Der Förster
vom Silberwald" erst richtig anfachte (siehe Im Zenit des Wirtschaftswunders - der Heimatfilm der Jahre 1955 bis 1957"), entstanden
in den folgenden Jahren eine Vielzahl an Genre-Vertretern mit ihm in der
Hauptrolle - darunter die Ganghofer-Verfilmungen "Das Schweigen im
Wald" (1955), "Der Jäger von Fall" (1956) und "Der
Edelweißkönig" (1957). Ebenfalls 1957 war auch eine Art Fortsetzung seiner
Förster-Rolle in "Der Wilderer vom Silberwald" an der Seite seiner
Dauerpartnerin Anita Gutwell herausgekommen, mit der er im Jahr darauf "Einmal
noch die Heimat seh'n" drehte. Zwischen diesen beiden Filmen kam im Sommer
1958 „Heimatlos“ in die Kinos, bei dem Rudolf Lenz erstmals an der Seite von
Marianne Hold spielte, der neben Gutwell populärsten Darstellerin dieser Phase
im Heimatfilm. Doch obwohl er sie schon in der ersten Einstellung küsst,
spielte er im Film nur die dritte Geige.
...aber der smarte Conny Fürst lässt nicht locker |
Geplant war das nicht, denn selbstverständlich stand Lenz in
den Credits neben Marianne Hold an erster Stelle und war als tüchtiger und
heimatverbundener Besitzer eines Sägewerks in Tirol für die Rolle des
anständigen Kerls vorgesehen, der die begehrte Maid erobert. Nur setzte die
Handlung in "Heimatlos" mit diesem sonst am Ende stehenden Szenario ein,
was erwarten ließ, dass es sich nicht wie üblich fortsetzen sollte. Eine
Auto-Hupe, die rücksichtslos ein Blasorchester unterbricht, das gerade gen
Festplatz marschierte, gibt das Signal für die Störung der Heimat-Idylle. Conny
Fürst (Peter Weck) hatte sein Cabriolet mitten in die Menschenmenge gesteuert,
um kurz daraus Barbara (Marianne Hold) bei dem jährlichen Volksfest ihres Heimatorts anzusprechen
- ein Umstand, der bei ihrem Vater (Willy Rösner), dem Pfarrer (Joe Stöckel)
und besonders bei ihrem Verlobten Franz (Rudolf Lenz) für Missstimmung sorgt.
Und die schöne Barbara verärgert, die sich dieses Misstrauen der versammelten Männer verbittet.
Im Nachtclub lässt er Champagner springen... |
Deutlich wird schon zu diesem frühen Zeitpunkt, dass mit der
selbstbewusst auftretenden Barbara etwas nicht stimmen kann – so zumindest die
übereinstimmende Meinung der Altvorderen. Während ihr Vater den Einfluss der
Großstadt München beklagt, glaubt der Pfarrer, dass sie schnell wissen wird, wo
ihr Platz ist, sobald sich Nachwuchs ankündigt. Doch weder sie, noch ihr
zukünftiger Ehemann können Barbara davon abbringen, dass sie für ein paar Tage eine
Freundin in München besuchen möchte. Eine junge Frau, die ihr Heimatdorf
zurückgelassen hätte, um ihren Fuß in einen Großstadt-Moloch zu setzen, wäre
wenige Jahre zuvor noch diskreditiert gewesen, aber auch im Heimatfilm war die
Zeit nicht stehen geblieben. Der wachsende Wohlstand in den 50er Jahren hatte
das Freizeitverhalten und die Mobilität verändert, die Entfernung zwischen den
Tiroler Bergen und München war geschrumpft. Geradezu mit den Händen zu greifen
ist deshalb das Bemühen der Macher um Regisseur Herbert B. Fredersdorf,
Barbaras Reputation als anständige junge Frau nicht zu beschädigen – das Unheil
musste von außen kommen.
...und im Hinterzimmer macht er krumme Geschäfte mit Hanuschke (Werner Fuetterer) |
In Person des Großstädters, Bonvivants und - wie sich bald
herausstellt - Ganoven Conny Fürst, weshalb die Leistung Peter Wecks in dieser
Rolle nicht hoch genug einzuschätzen ist. Weck gelang der Spagat zwischen Charmeur
und Hallodri so gut, dass Barbaras zunehmend schwächer werdender Widerstand
gegenüber seinem hartnäckigen Werben verständlich wird, gleichzeitig seine
Funktion als unlauterer Verführer junger Mädchen nicht in Frage gestellt wurde.
Zwar bemühte das Drehbuch noch den Zufall – Barbaras Freundin war überraschend
verreist und ihr eifersüchtiger Verlobter bezichtigt sie zu Unrecht der Unmoral
und treibt sie damit erst in Connys Arme – aber das ändert nichts an Wecks
Darstellung eines unterhaltsamen und im Kern sympathischen Typen. Der es auch
ernst mit Barbara meint und sie heiraten will, aber nicht das einträgliche
Geschäft des Autoschmuggels lassen kann, weshalb er vom Drehbuch schnöde fallen
gelassen wird. Bei der Flucht erschossen, was Ende der 50er Jahre
offensichtlich kein Problem war, obwohl Conny Fürst nie eine Waffe bei sich trug.
Zurück blieb die schwangere, unverheiratete Barbara – und Auftritt Freddy
Quinn!
Freddy (Freddy Quinn) und Gertie (Helen Vita) kümmern sich um Barbara |
Zwar war Quinn schon zu den Anfangs-Credits mit seinem Hit
„Heimatlos“ zu hören und spielte eine Nummer in Conny Fürsts
Lieblings-Nachtclub, aber erst nach dessen Tod bekam seine Rolle Gewicht. Zuständig
für die Liedtexte war erneut Aldo von Pinelli, auf dessen Drehbuchidee Quinns
erste kleine Filmrolle in „Die große Chance“ (1957) zurückging und der später
gemeinsam mit Regisseur Wolfgang Schleif und Co-Autor Gustav Kampendonk für dessen
Aufstieg zum Filmstar („Freddy, die Gitarre und das Meer“ (1959))
verantwortlich werden sollte. Sein Einfluss auf die Figur des Freddy in „Heimatlos“ blieb aber gering, denn diese folgte allein der inneren Logik der Drehbuch-Konstruktion
um Barbara. Schwanger und ohne Geld in der Großstadt zurückgelassen,
droht ihr der endgültige Niedergang, als ausgerechnet der schmierige
Nachtclub-Besitzer Hanuschke (Werner Fuetterer), der mit Fürst zuvor gemeinsame Sache
gemacht hatte, ihr eine Anstellung anbietet. Doch mit dem Musiker Freddy und Helen
Vita als resoluter Bardame mit Herz existieren auch positive Charaktere an
diesem finsteren Ort, die die junge Frau unter ihre Fittiche nehmen.
Der Pfarrer (Joe Stöckel) begibt sich in die menschlichen Niederungen, um zu vermitteln |
Leider vertiefte „Heimatlos“ diese spannende Situation
nicht, sondern leitete mit einem großen Zeitsprung weiter in Richtung zu
erwartender Entwicklung. Barbara verdient ihr Geld inzwischen mit einem eigenen
Schneiderladen und geht in ihrer verantwortlichen Rolle als Mutter einer
fünfjährigen Tochter auf. Freddy, wagt es endlich, ihr einen Heiratsantrag zu
machen, nachdem er seinen ersten Plattenvertrag erhalten hatte, aber inzwischen
ist Franz wieder aufgetaucht, der sein damaliges Benehmen bereut und sich wieder
um seine frühere Verlobte bemüht. Barbara erwidert seine Gefühle, aber sie
zögert, Franz von ihrer Tochter zu erzählen, auch weil sich dieser wiederholt über
deren verstorbenen Erzeuger echauffiert. „Heimatlos“ ließe sich als Plädoyer
für Toleranz begreifen, denn eine unverheiratete Mutter besaß Ende der 50er
Jahre nur wenig Ansehen, aber dafür ist der Film zu bemüht, jeden Eindruck von
Unmoral von Barbara fernzuhalten. Ihr Schicksal sollte hier beispielhaft für
den Gegensatz Stadt/Land stehen - und daraus folgernd für Gefahr/Sicherheit
bzw. Fremde/Heimat.
Mit seinem Holzhund kann Freddy nicht punkten... |
...und das Happy-End nicht verhindern |
"Heimatlos" Deutschland 1958, Regie: Herbert B. Fredersdorf, Drehbuch: E.A.Wildenburg, Darsteller : Marianne Hold, Rudolf Lenz, Peter Weck, Freddy Quinn, Helen Vita, Joe Stöckel, Willy Rösner, Werner Fuetterer, Dany Mann, Laufzeit : 95 Minuten
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