Dr. Voß (Paul Henckels) ist von Theos (Dietmar Schönherr) Leistungen nicht angetan |
Sein Vater (Herbert Hübner), Direktor der Flugzeug-Werke, zieht die Konsequenz |
Den Autoschaden erwähnt er nicht, aber die Zeche lässt er
sich bezahlen, worauf Theo von seinem Vater zur Rede gestellt wird. Während er
noch nach Ausflüchten sucht, ist die Entscheidung des Vaters schon gefallen. Er
nimmt ihn vom Gymnasium und lässt ihn in seiner Fabrik zum Flugzeug-Mechaniker
ausbilden. Er hofft, dass der verwöhnte Junge in der Gemeinschaft der Lehrlinge
zur Vernunft kommt. Doch anders als Bäumchen (Hardy Krüger), der trotz seines
jungen Alters mit Begeisterung in sein erstes Lehrjahr startet, tut sich Theo
in der ungewohnten Umgebung schwer und kann sich nicht anpassen. Auch seine Kameraden,
die ihm offen begegneten, reagieren verärgert…
Von "Junge Adler" (1944) bis "Weg in die Freiheit" (1952)
Seit den frühen 30er Jahren gehörten Alfred Weidenmann, Jahrgang 1916, und Herbert Reinecker, 1914 geboren, zu den führenden Köpfen in der Propaganda-Abteilung der Hitler-Jugend. 1935 mit 19 Jahren drehte Weidenmann seinen ersten Film für die HJ, seit 1942 war er Leiter der Hauptabteilung "Film" in der Reichsjugendführung, in deren Presse- und Propagandaamt Herbert Reinecker seit 1935 tätig war. Im 2. Weltkrieg gehörte er als Kriegsberichterstatter zu einer Propagandakompanie der Waffen SS. Mit "Hände Hoch! " hatte Weidenmann zwar 1942 seinen ersten abendfüllenden Spielfilm gedreht, aber erst "Junge Adler" sollte das erste gemeinsame Projekt der langjährigen Freunde werden. Und der Beginn einer Zusammenarbeit, die bis ins hohe Alter andauern sollte. Noch in den späten 90er Jahren drehte Weidenmann Folgen für die TV-Krimiserie "Derrick" auf Basis der Drehbücher Reineckers.
Nach "Junge Adler" kam es aber auf Grund des Zusammenbruchs des Nationalsozialismus mit dem Kriegsende 1945 zu einer längeren Schaffenspause. Weidenmann geriet in Kriegsgefangenschaft und schrieb nach seiner Entlassung Jugendbücher, Reinecker erhielt keine Anstellung als Journalist und arbeitete für einen Pressedienst. Der Kurzfilm "Illustrierte" wurde 1951 ihr erstes gemeinsames Projekt nach dem Krieg, mit "Ich und du" folgte 1953 ihr erster Kinofilm seit "Junge Adler" - nicht zufällig wieder mit Hardy Krüger in der Hauptrolle, der inzwischen zum Star avanciert war. Schon im Jahr darauf brachten sie mit "Canaris" einen der ersten Filme heraus, der sich kritisch mit der nationalsozialistischen Vergangenheit auseinandersetzte, auch wenn das Ergebnis umstritten war. Bemerkenswerter ist aber ihr Kurzfilm "Weg in die Freiheit" von 1952, der den deutschen Filmpreis für das "Beste Drehbuch" erhielt und als "Film, der das soziale Problem eindrucksvoll behandelt" ausgezeichnet wurde. Erneut standen junge Männer im Mittelpunkt und ihre Eingliederung in die Gesellschaft.
Begeistert verfolgen die angehenden Mechaniker einen Probeflug |
Propagandaminister Joseph Goebbels vermutete angesichts des
Misserfolgs des Films an den Kinokassen, dass man „augenblicklich keine
politischen Filme sehen will“ (Quelle: Peter Longerich, Goebbels, Biographie,
S.563). Vielleicht hätte ihm mehr zu denken geben sollen, dass „Junge Adler“,
der seine Uraufführung am 24. Mai 1944 aus Anlass des 10jährigen Jubiläums des
Filmschaffens der Hitler-Jugend in Anwesenheit hoher Parteifunktionäre erlebte,
mit der damaligen Lebenswirklichkeit der Zuschauer nichts gemein hatte. Das
galt auch für einen Kostümfilm wie den sehr erfolgreichen „Münchhausen“ von
1943, aber „Junge Adler“ betonte seinen Realitätsbezug und spielte unter den
Auszubildenden einer großen Flugzeug-Werft. Hakenkreuze und Uniformen der
Hitlerjugend – Symbole des Alltags, die im Unterhaltungsfilm sonst streng
vermieden wurden – gehörten ebenso dazu, wie der Firmenchef, der Ausbilder oder
der tägliche Leistungsdruck. Realistisch war daran trotzdem nichts.
So jung "Bäumchen" (Hardy Krüger) ist, Angst vorm Fliegen kennt er nicht |
Das lag weniger an der Abwesenheit eines Kriegs, der längst
in alle Lebensbereiche vorgedrungen war, als an der künstlichen Idealisierung
einer Arbeitswelt, in der das Individuum zugunsten eines homogenen Gemeinschaftsgefühls
vollständig zurücktrat. An der Qualität der Mitwirkenden lag es nicht.
Regisseur Alfred Weidenmann und sein befreundeter Co-Autor Herbert Reinecker,
beide langjährige verdiente Mitglieder der Hitlerjugend, ließen kaum einen
Kniff aus, um dem Eindruck einer Gleichschaltung entgegenzuwirken. Ihre
abwechslungsreiche, schnell geschnittene Inszenierung spielte geschickt auf der
Klaviatur der Emotionen, unterstützt von einer Darstellerriege talentierter
Newcomer. Für Dietmar Schönherr, Gunnar Möller und Eberhard „Hardy“ Krüger wurde
„Junge Adler“ nicht zufällig der Ausgangspunkt einer großen Karriere.
Noch tanzt Theo aus der Reihe, aber bald schon... |
Besonders der knapp 16jährige, noch kindlich wirkende Hardy
Krüger – damals Schüler der Adolf-Hitler-Schule in Sonthofen –, der spielend
die gesamte Bandbreite von Trauer bis zur Berliner Schnauze abdeckte, lieferte
ein Identifikations-Musterbeispiel ab. Was war daran nicht individuell? - Gleiches
galt auch für den von Dietmar Schönherr gespielten Fabrikanten-Sohn Theo
Bracke, dessen selbstgefälliges Auftreten und schlechte Schulleistungen seinen
Vater (Herbert Hübner) dazu veranlassen, ihn vom Gymnasium zu nehmen, um ihn
zum Flugzeugmechaniker ausbilden zu lassen. Für den Schnösel sozusagen die
Höchststrafe. Schönherr spielte die eingebildete Sportskanone, die seine Zeche
nicht zahlt, das Auto des Gastwirts beschädigt und ihn noch erpresst, ihn nicht
anzuzeigen, so überzeugend, dass Jeder ihm diese Konsequenz gegönnt haben wird.
...trennen ihn Welten von seinem dicklichen Kumpel aus Schulzeiten |
Das lässt übersehen, dass sein Vater nicht mehr aus der
Position eines nachsichtigen Verwandten, sondern aus der des Staats handelte,
der noch einen letzten Versuch unternimmt, den jungen Mann zu einem nützlichen
Mitglied der Gemeinschaft zu erziehen. Dass die anderen Lehrlinge nicht
feindselig auf den Abkömmling der Oberschicht reagieren, wie man hätte erwarten
können, sondern ihm trotz seines schlechten Benehmens noch eine Chance geben,
idealisierte die Kameradschaft als einen Ort, der über jedem Klassendenken
steht. Dass diese vermeintliche Offenheit an Bedingungen geknüpft war, wird
schon an der Eingangssequenz deutlich, in der Theo überlegen ein Rennen im
Einer-Rudern gewinnt. Anders als sein dicklicher Klassenkamerad, über den sich
der Film lustig macht, verfügt Theo über die geforderten körperlichen und
geistigen Grundlagen. Ihm fehlt es nur an der notwendigen Charakterbildung.
Spatz (Gunnar Möller) erkennt die Qualität in Wolfgangs Komposition |
Männlich konnotierte Verhaltensmuster wie
Technikbegeisterung, Mut, Leistungswille, Wettbewerb auf allen Ebenen und klare
Ansprachen im Fall von Meinungsverschiedenheiten sind hier selbstverständliche
Voraussetzungen. Der begnadete Musiker Wolfgang (Robert Fillippowitz), die
einzige Figur, der ein gewisses Maß an Ängstlichkeit und Verzagtheit
zugestanden wird, stellt seine Kunst in den Dienst der gemeinsamen Sache. Eine Ausnahme,
die nur gewährt wird, weil seine Kameraden sie gemeinschaftlich mittragen. Entscheidend
für diese künstlich überhöhte Homogenität ist der Verzicht auf Weiblichkeit.
Darüber kann auch die Rolle von Theos älterer Schwester Annemie (Gerta
Böttcher) nicht hinwegtäuschen, die ungewöhnlich oft bei den Auszubildenden
vorbei sieht und sich zum dezenten Love-Interest des Ausbildungsleiters Roth
(Willy Fritsch) entwickelt. Lässt sich die Abwesenheit gleichaltriger Mädchen mit
der konservativen Moral erklären, ist das Fehlen der Mütter signifikant. Selbst
Theo und Wolfgang, die einzigen Figuren mit familiärem Hintergrund, werden nur
mit ihren gestrengen Vätern konfrontiert.
Ausbildungsleiter Roth (Willy Fritsch) und "Vater" Stahl (Albert Florath) |
Auch Emotionen wie Heimweh oder Sehnsucht nach mütterlicher
Fürsorge – bei Jungen dieses Alters normale Gefühle – existieren hier nicht.
Die Gruppe wird zur Familie, der Ausbildungsleiter Roth sowie „Vater“ Stahl
(Albert Florath), ein früherer Seemann, der sich um die Ausrüstung der Jungen
kümmert, treten an die Stelle der Eltern. Willy Fritsch als stets gut
aufgelegter Vorgesetzter, der immer ein offenes Ohr für seine „Jungs“ hat, ist
der unrealistischste Charakter des Films. Strenge muss er nicht walten lassen, da
ihm die Lehrlinge sein ihnen gewährtes Vertrauen zurückgeben. Nicht korrektes Verhalten wird
auf Männerart innerhalb der Gruppe geklärt. Alfred Weidenmann und Herbert
Reinecker leisteten gute Arbeit. Sie entwarfen einen Lebensraum, dessen
Anziehungskraft verständlich ist. Aufgehoben in einer klar definierten
Gemeinschaft, geleitet von einer gerechten Vaterfigur, eine spannende und
anspruchsvolle Tätigkeit, Sport und Spaß in der Freizeit – welcher Junge sollte
sich das nicht wünschen?
Roth mit der allgegenwärtigen Alibi-Frau Annemie (Gerta Böttcher) |
„Junge Adler“ wurde
nach dem Krieg als nationalsozialistischer Propagandafilm verboten, erhielt
1980 aber eine Freigabe ab 6 Jahren und war bis 1996 auf Video käuflich
erwerblich. Erst seitdem wird er als „Vorbehaltsfilm“ eingestuft, der nur mit
einer fachlichen Einführung öffentlich gezeigt werden darf. Angesichts eines
Films, der den Charakter eines dreiwöchigen Ferienlagers mit Arbeitseinsatz vermittelt,
scheint diese Maßnahme übertrieben. Hinterfragt werden sollte in diesem
Zusammenhang Joseph Goebbels Einordnung als „politischer Film“. Sieht man von
den Insignien der NSDAP einmal ab, wirkt in „Junge Adler“ vordergründig wenig
politisch. Weder gibt es Aussagen über den Verwendungszweck der Flugzeuge, noch
wird die aufopferungsvolle nächtliche Arbeit der Jugendlichen an den
Pilotenkanzeln der Bomber in einen ideologischen Kontext gebracht. Als sie am
nächsten Morgen übermüdet im Unterrichtssaal sitzen, wirken sie, als hätten sie
zu lang gefeiert. Arbeitssicherheit, Überforderung, Verletzungsgefahr – alles
kein Thema. „Junge Adler“ ist die pure Verharmlosung.
In der Nacht bei der Arbeit - die reine Freude für die "Jungs" |
"Junge Adler" Deutschland 1944, Regie: Alfred Weidenmann, Drehbuch: Herbert Reinecker, Alfred Weidenmann, Darsteller : Dietmar Schönherr, Hardy Krüger, Gunnar Möller, Willy Fritsch, Herbert Hübner, Albert Florath, Paul Henckels, Gerta Böttcher, Laufzeit : 101 Minuten
weitere im Blog besprochene Filme von Alfred Weidenmann:
"Weg in die Freiheit" (1952)
"Der Stern von Afrika" (1957)
"An heiligen Wassern" (1960)
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