Sonntag, 10. August 2014

Holiday in St.Tropez (1964) Ernst Hofbauer

Inhalt: Das Hotelier-Ehepaar Marisa (Elma Karlowa) und Carlos Fonti (Kurt Großkurth) schaut verdutzt, als die Handwerker sich aus dem Staub machen und sie mit einem unbewohnbaren Kasten am Mittelmeer zurücklassen, für den ihre Nichte Vivi (Vivi Bach) schon Kunden anwirbt. Ihr Freund Theo Reich (Gerd Vespermann) betreibt ein Reisebüro und bereitet sich schon darauf vor, mit einer großen Zahl Gäste demnächst ins Hotel zu ziehen, um dort die Sommerferien zu verbringen. Parallel haben zwei junge Frauen eigene Pläne. Die 18jährige Carola (Margitta Scherr) büxt aus, um ihren Eltern einen Schrecken einzujagen, weil sie nur an ihre Geschäfte denken, und Heidi Kirschmann (Ann Smyrner), eine einfache Angestellte ihres Vaters (Rudolf Prack), staffiert sich als reiche Frau auf der Suche nach einem ebenso vermögenden Herrn aus.

Sie alle begegnen sich am Mittelmeer wieder – teils per Schiff, teils auf vier Rädern angereist – und werden mit dem unfertigen Hotelbau konfrontiert. Doch kein Problem. Theo Reich kauft von seinem letzten Geld ein paar Zelte und die Sommerfrische kann bei Gesang, Spaß und Liebeleien beginnen…




Für Ernst Hofbauer stand "Holiday in St.Tropez" am Beginn seiner Karriere als Regisseur - sein erster Film "Tim Frazer jagt den geheimnisvollen Mister X" (1964) erschien erst kurz zuvor im Kino - das Metier des Schlagerfilms befand sich dagegen am Ende einer langen Erfolgsgeschichte. Im Gegensatz zum Heimatfilm, dessen Gesangsnummern mehr den folkloristisch-heimatlichen Charakter betonen sollten, und als kultureller Gegenentwurf zu den beliebten Operetten-Filmen kamen die Schlagerfilme dem Bedürfnis entgegen, aktuelle Stars mit ihren Hits nicht nur hören, sondern auch in Aktion sehen zu können. Schon einer der ersten dieser Hitparaden-Vorläufer mit dem bezeichnenden Titel "Schlagerparade" (1953) schuf die Grundstruktur, an der sich die Nachfolger orientierten. Eine belanglos-komödiantische Story gab den Hintergrund für die Integrierung einer möglichst großen Anzahl an Musiknummern, vorgetragen von verschiedenen beliebten Interpreten.

Im Gegensatz zum Heimatfilm bedienten die Schlagerfilme früh die Sehnsucht nach fernen Ländern. Stars wie Vico Torriani ("Straßenserenade" (1953)) oder Caterina Valente ("Große Star-Parade" (1954)) verbreiteten gemäßigtes internationales Flair und drehten Mitte der 50er Jahre eine Vielzahl ähnlich angelegter Filme. Auch deutsche Sänger wie Peter Alexander ("Liebe, Tanz und tausend Schlager" (1955)) oder Conny Froboess ("Der lachende Vagabund" (1958)) starteten auf diese Weise ihre Film- und späteren Fernseh-Karrieren, ebenso wie die Dänin Vivi Bach, die erst spät zum Musikfilm-Genre ("Gitarren klingen leise durch die Nacht" (1960)) stieß, als die Konkurrenz des Fernsehens zunahm, das schneller auf Hitparadenerfolge und aktuelle Musikrichtungen reagieren konnte. Trotzdem kam Bach, die in Deutschland den Ruf einer „dänischen Bardot“ genoss, in der ersten Hälfte der 60er Jahre noch zu einigen Auftritten und erfüllte auch in Ernst Hofbauers zwei Schlagerfilmen – im Jahr darauf folgte noch „Tausend Takte Übermut“ (1965), ebenfalls nach einem Drehbuch Hans Billians – die Erwartungshaltung der Zuschauer als blond strahlender Mittelpunkt.

An „Holiday in St.Tropez“ lassen sich zwei aktuelle Strömungen der frühen 60er Jahre ablesen, auf die Hofbauer in seinen späten Genre-Vertretern geschickt reagierte - der zunehmende anglo-amerikanische Einfluss auf die Musikbranche und die Reiselust der Deutschen, die in den Sommerferien in Scharen über die Alpen gen Mittelmeer fuhren. Denn Hofbauer war kein Anfänger, hatte als Regie-Assistent von Franz Marischka schon früh Erfahrung bei „Liebe, Sommer und Musik“ (1956) gesammelt und dessen „Schlagerparade 1961“ (1961) für eigene Kontakte genutzt. Mit Vivi Bach, Gus Backus, Billy Mo sowie Rex Gildo beim Nachfolgefilm „Tausend Takte Übermut“ verpflichtete er vier der Hauptakteure für seine eigenen Filme, gab dazu der 15jährigen US-Amerikanerin Peggy March, die nach einem Nummer 1 Hit in den USA („I will follow him“) in den deutschen Markt einsteigen wollte, eine Chance und reagierte auf die Erfolge des englischen Jazz-Klarinettisten Acker Bilk, der Anfang der 60er Jahre zwei veritable Instrumental-Hits („Le petite fleur“) verzeichnen konnte. Auch Manfred Schnelldorfer, erst im Winter zuvor Olympiasieger im Eiskunstlauf geworden, durfte erstmals unter Hofbauer seine Fähigkeiten als Schlagersänger beweisen – eine damals beliebte Form, sportliche Erfolge zu vermarkten.

Neben diesen Stars gehörten auch die obligatorischen „Hupfdohlen“ zum Ensemble, hier als züchtige Internatsschülerinnen unter einer gestrengen Gouvernante (Alice Treff) auftretend, die aber jede Gelegenheit zu leichter Bekleidung nutzten, um zu beat-ähnlichen Rhythmen das Tanzbein zu schwingen. Wie Hofbauer und Billian das unter einen Hut bringen wollten? – In dem sie es nicht so genau nahmen. So wurde die jugoslawische Adria-Küste, vor deren felsiger Kulisse die Handlung gedreht wurde, kurzerhand nach Italien versetzt, um das gewohnte Amore- und Cinzano-Feeling zu verbreiten, was aber auch einen französischen Polizisten nicht davon abhielt, an den jugoslawischen Gestaden Streife zu laufen. Von St.Tropez ist im Film absolut nichts zu sehen, aber im Titel machte sich der berühmte Badeort definitiv gut. Konkret findet Deutschland zwar nur zu Beginn und größtenteils in einem Reisebüro statt, dessen umtriebiger Chef Theo Reich (Gerd Vespermann) Reisen in ein mondänes (italienisches) Hotel vermittelt, das sich dann vor Ort als unbewohnbare Bruchbude erweist, aber deutsch ist im Film letztlich alles – die mit Akzent vorgetragenen Liedtexte, die Camper-Mentalität (sämtliche geprellten Urlauber geben sich mit der Unterbringung in Zelten zufrieden), die Witze und die Vorurteile.

Schon in der ersten Szene, wenn die italienischen Bauarbeiter die beiden Hotel-Besitzer im Stich lassen, um als Gastarbeiter in Deutschland „richtig Geld“ zu verdienen, bediente gängige Klischees, die vor allem in der Story um Heidi Kirschmann (Ann Smyrner) die schönsten Blüten trieben. Nicht nur das die attraktive Heidi plant, sich einen Millionär zu angeln, indem sie sich ein Mercedes-Cabriolet leiht und sich optisch entsprechend aufbretzelt, um ihr Verkäuferinnen-Image loszuwerden, auch der italienische Lover ist natürlich nicht weit, bei dem es sich folgerichtig nur um einen Hochstapler handeln kann. Bestraft wird die gute Heidi für ihr egoistisches Ansinnen nicht - zumindest nicht nach den Regeln zeitgenössischer Komödien. Sie landet im Ehehafen beim braven Reisebüro-Besitzer, womit alles seine schönste Ordnung hat. Aber was kann man von einem Filmstoff anderes erwarten, bei dem die 18jährige Tochter Carola (Margitta Scherr) aus reicher BRD-Wirtschaftswunder-Familie abhaut und auf „Gammler“ macht, um endlich einmal gemeinsam mit ihren vielbeschäftigten Business-Eltern (Mady Rahl und Rudolf Prack) Urlaub machen zu können?

Trotz dieser kleinbürgerlichen Avancen und dem konsequenten Ausspielen altbackener Witze, überrascht das muntere Treiben, dass Hofbauer jederzeit unterhaltsam und ohne allzu große Peinlichkeiten vor dem Zuschauer ausbreitete und das viel von den sozialen Veränderungen in dieser Zeit verriet. Besonders aus dem Kindermund der zwei frechen Gören, deren Jargon sich von heutigen Heranwachsenden nur rudimentär unterscheidet, lässt sich heraushören, dass die Zeiten nicht mehr zurückgedreht werden konnten, auch wenn das multiple Happy-End noch Ordnung vorgaukeln wollte. Wirklich ernst nahmen die Macher die Chose sowieso nicht und befriedigten die Erwartungshaltung mit Mittelmeer-Länder-Mix, Kleinkunst-Potpourri und einen Gag-Dichte, die Fehlschüsse verzieh.

"Holiday in St.Tropez" Deutschland 1964, Regie: Ernst Hofbauer, Drehbuch: Hans Billian, Max Rottmann, Darsteller : Vivi Bach, Gerd Vespermann, Ann Smyrner, Rudolf Prack, Mady Rahl, Gus Backus, Edith Hancke, Hannelore Auer, Margitta ScherrLaufzeit : 84 Minuten

Abendlicher Eröffnungsfilm beim 13. Hofbauer-Kongress zu Nürnberg vom 24. bis 28.07.2014

weitere im Blog besprochene Filme von Ernst Hofbauer:

"Tausend Takte Übermut" (1965)
"Schwarzer Markt der Liebe" (1966)
"Schulmädchen-Report - Was Eltern nicht für möglich halten" (1970)

Sonntag, 3. August 2014

Der Herr mit der schwarzen Melone (1960) Karl Suter

Inhalt: Vater Wiederkehr (Willy Fueter) reagiert überrascht, als plötzlich sein elegant gekleideter Sohn Hugo (Walter Roderer) in seine Zelle zu ihm gesperrt wird. Da er ihm jede Kompetenz abspricht, fehlt es ihm an Vorstellungskraft wie sein Sohn, dessen Anstellung als Reinigungskraft der Aschenbecher in einem Züricher Bankhaus nur seinen Beziehungen zu verdanken war, in einem Genfer Gefängnis landen konnte. Erst langsam ist er bereit, Hugo zuzuhören, dessen Geschichte an dem Tag begann, als sein Vater verhaftet wurde.

Weil ein Mitarbeiter ausfiel, durfte Hugo ausnahmsweise, begleitet von zwei Sicherheitsbeamten, den Geldsack zum Züricher Flughafen bringen, wo er wie jeden Tag nach Genf transportiert wurde. Kurz zuvor hatte er als Halter des Aschenbechers den deutschen Millionär Meißen (Gustav Knuth) und dessen Tochter (Sabine Sesselmann) kennengelernt, als diesen der Tresor der Bank stolz vorgeführt wurde, und hatte dabei erfahren, dass sie ebenfalls auf dem Weg nach Genf waren. Spontan kündigt er seine Stelle und baut als Hobby-Erfinder eine Holzkiste, in der er selbst Platz nimmt, und die er am nächsten Morgen als Luftfracht abholen lässt. So gelangt er in den Frachtraum des Flugzeugs, dass auch drei Millionen Franken an Bord hat...



Mit "Der Herr mit der schwarzen Melone" (1960) brachte die PIDAX am 22.07.2014 den ersten von zwei Filmen des Produzenten Erwin C.Dietrich heraus, die in Zusammenarbeit mit Regisseur Karl Suter und dem Schweizer Kabarettisten Walter Roderer entstanden. "So ein Mustergatte" (1959) folgt am 12.08.2014, entstand aber früher nach einer mehrfach verfilmten Vorlage, darunter mit Heinz Rühmann in der Titelrolle. Der nur für den Schweizer Markt produzierte Film erwies sich als so erfolgreich, dass Dietrich "Der Herr mit der schwarzen Melone" direkt auch für den deutschen Markt produzierte, weshalb er prominente deutsche Darsteller wie Gustav Knuth oder Hubert von Meyerinck engagierte. (Die grünen Links führen zur Amazon-Bestellseite).






Die Story vom ewigen Verlierer, der sich am Ende zum Sieger aufschwingt, gehört seit je her zum beliebtesten Komödienstoff, weil er noch Chancen in einer Situation vermittelt, die in der Realität nicht existieren. Auch Hugo Wiederkehr (Walter Roderer) gelingt der Absprung vom wenig geschätzten Aschenbecher-Reiniger einer Bank, dem sein im Gefängnis inhaftierter Vater (Willi Fueter) nichts zutraut und der von seiner Mutter (Walburga Gmür) noch wie ein kleiner Junge behandelt wird, zum angesehenen Geschäftsmann und zukünftigen Ehemann einer schönen Blondine (Sabine Sesselmann) - zudem Tochter eines Millionärs (Gustav Knuth) - nur dank eines Coups, der kaum Nachahmer finden wird. Um an die Geldsendung seiner Bank von Zürich nach Genf per Flieger zu gelangen, schließt der Hobby-Erfinder sich selbst in eine Holzkiste ein - innen bequem ausgestattet und mit ausreichend Werkzeug, Proviant und sonstigen Hilfsmitteln versehen - stiehlt während des Flugs den Inhalt des Sacks im Frachtraum und verlässt die Kiste als dreifacher Millionär.

"Der Herr mit der schwarzen Melone" versucht gar nicht erst, dem Raub einen realistischen Anstrich zu geben. Schon während des Flugs geht fast alles schief, was schief gehen könnte. Ein als Versuchstier transportierter Hund schlägt an und die Kiste fällt fast zusammen, nachdem Hugo sie von Innen geöffnet hatte. Notdürftig flickt er sie zusammen, muss aber die Bretter auch dann noch von Innen richten, als der Gabelstapler die Kiste schon aus dem Frachtraum abholt. Da der von ihm befreite Hund ständig bellend um den Stapler läuft, wird ein Zollpolizist aufmerksam, im richtigen Moment aber durch ein flüchtendes Fahrzeug abgelenkt. Wohin die Kiste geliefert werden sollte und wie Hugo ihr letztlich unentdeckt entkam, beließen die Macher um Regisseur und Drehbuchautor Karl Suter gleich für sich, denn für die Wirkung des Films spielte das ebenso wenig eine Rolle, wie das hochwahrscheinlich positive Ende vorauszusagen.

Entscheidender ist der Schweizer Charakter des Films, der als zweite Zusammenarbeit von Produzent Erwin C.Dietrich, Regisseur Suter und Kabarettist Walter Roderer nach "So ein Mustergatte" (1959) entstand und mit populären Darstellern wie Gustav Knuth, Charles Regnier, Hubert von Meyerinck und Sabine Sesselmann auch auf den deutschen Markt abzielte. In "So ein Mustergatte" hatte Roderer schon eine Heinz Rühmann-Rolle gespielt, der für die Darstellung des am Ende siegreichen kleinen Mannes berühmt wurde, aber der schlacksige, langhalsige Roderer ist ein gänzlich anderer Typus. Gemächlich agierend und ruhig formulierend, wird er leicht von seiner Umgebung übersehen und nicht ernst genommen. Diese Unsichtbarkeit ermöglicht es erst durch die Maschen Schweizer Gründlichkeit zu schlüpfen, deren behauptete Perfektion sich als Trugbild erweist.

Dieser selbstironische Gestus, gepaart mit einem amüsanten Seitenhieb auf europäische Befindlichkeiten der späten 50er Jahre - Hugo gerät an der Seite der hübschen Christine und ihres Vaters Generaldirektor Meißen (gewohnt sympathisch und locker von Gustav Knuth verkörpert) in eine europäische Wirtschaftskonferenz - unterscheidet "Der Herr mit der schwarzen Melone" wesentlich von den in der Regel aktionistischen, oft auch zu Albernheiten neigenden deutschen Komödien dieser Zeit. Selbst die abschließende Fluchtsequenz, in der Hugo ohne Führerschein mit überhöhter Geschwindigkeit durch die Stadt rast, gelang eher als Persiflage auf vergleichbare Komödiensequenzen - die Männer, die mit der Leiter eine Straße überqueren, kommen unbeschadet davon.

Von den Anspielungen auf hochnäsige Bankbeamte, bekanntlich besonders staatstragende Persönlichkeiten in der Schweiz, oder auf die Verhaltensmuster der High Society - sobald Hugo über Geld verfügt, benötigt er keines mehr - eine tiefergehende Gesellschaftskritik zu verlangen, wie es die zeitgenössische Presse bemängelte, wäre zu viel erwartet. "Der Herr mit der schwarzen Melone" versteht sich als unaufgeregte, sanft ironische Komödie in Schweizer Mundart (hochdeutsch untertitelt), die ganz auf den von Roderer gespielten Charaktertypus abgestimmt wurde und erstaunlich zeitlose Unterhaltung ohne peinliche Ausbrüche bietet, vorausgesetzt der Betrachter lässt sich auf das ruhige Tempo des Films ein.

"Der Herr mit der schwarzen Melone" Schweiz 1960, Regie: Karl Suter, Drehbuch: Karl Suter, Alfred Bruggmann, Hans Gmür, Darsteller : Walter Roderer, Sabine Sesselmann, Gustav Knuth, Charles Regnier, Hubert von Meyerinck, Willy Fueter, Bruno GanzLaufzeit : 88 Minuten


weitere im Blog besprochene Filme von Erwin C.Dietrich:

Sonntag, 27. Juli 2014

Wegen Verführung Minderjähriger (1960) Hermann Leitner

Inhalt: Dr. Rugge (Hans Söhnker) ist ein anerkannter Lehrer am örtlichen Lizeum. Besonders die 17jährige Inge (Marisa Mell), die mit Rugges Tochter Karin (Cordula Trantow) in eine Klasse geht, schwärmt für ihn. Die hübsche junge Frau verbringt gerne ihre Freizeit mit ihrem Freund Paul (Walter Wilz) in Beatclubs und Bars – im Gegensatz zu Karin, die sich bei einer gemeinsamen Verabredung vehement gegen die Avancen von Pauls Freund wehrt.

Karin ist entsprechend skeptisch, als Dr. Rugge Inge bei sich aufnimmt, nachdem ihr mit ihm befreundeter Vater tödlich verunglückte. Sie bemerkt im Gegensatz zu ihrer Mutter (Heli Finkenzeller), die Inge ebenfalls freundlich begegnet, dass diese in ihren Vater verliebt ist und alles daran setzt, ihn für sich zu gewinnen…


Die ab Mitte der 50er Jahre aufkommende Welle an Filmen, die direkt an die Einhaltung der noch sehr konservativ geprägten Moralvorstellungen appellierten, übernahm diese Aufgabe von dem die Kinolandschaft bis dahin bestimmenden Heimatfilm. War die Idealisierung von Ehe und Familie, verbunden mit den gewohnten Geschlechterrollen, in den frühen Nachkriegsjahren noch selbstverständlich, verlor der Heimatfilm diese Vorbildwirkung in den späten 50er Jahren. Reagierend auf die wachsende wirtschaftliche Prosperität und aufkommende Reiselust der Deutschen lag das Gewicht des Heimatfilms zunehmend auf einer komödiantischen Handlung mit Gesangseinlagen in touristisch ansprechender Umgebung (siehe "Im Zenit des Wirtschaftswunders - der Heimatfilm der Jahre 1955 bis 1958"). Parallel entstanden in Folge des großen Erfolgs von "Die Halbstarken" (1956) Filme, die konkreter auf die sich verändernde Sozialisation nach dem Krieg eingingen - sowohl um die Sensationsgier des Publikums zu befriedigen, als auch um vor den ausschließlich als negativ beschriebenen Konsequenzen zu warnen.

Dieser Prozess lässt sich auch im Werk des österreichischen Regisseurs Hermann Leitner nachvollziehen, der seine Karriere als Regie-Assistent bei "Der Hofrat Geiger" (1948) begann, eine Komödie im frühen Heimatfilm-Gewand, die 1961 mit "Mariandl" ein Remake erfuhr. Mit "Pulverschnee nach Übersee" (1956) und "Ferien auf Immenhof" (1957) gehörten seine ersten Regie-Arbeiten ebenfalls dem Genre an, bevor er mit "Lilli, ein Mädchen aus der Großstadt" (1958) einen zeitgenössischeren Stoff verfilmte, der sich im Rahmen einer Kriminal-Komödie mit der sich wandelnden Rolle der Frau in der Gesellschaft befasste. Mit den Dramen "Wegen Verführung Minderjähriger", "Verdammt die jungen Sünder nicht" (1961) und "Wenn beide schuldig werden" (1962) versuchte Leitner, der in den beiden folgenden Film auch am Drehbuch mitwirkte, eine seriöse Betrachtung der sich verändernden Sozialisation nach dem Krieg und zeigte deren aus seiner Sicht negativen Folgen auf.

Die Parallelen zwischen "Wegen Verführung Minderjähriger" zu Veit Harlans Homosexuellen-Drama "Anders als du und ich" (1957) sind offensichtlich - nicht nur wegen der als Rahmenhandlung fungierenden Gerichtsverhandlung, die dem Thema den Charakter von übergeordneter staatlicher Bedeutung verleihen sollte, sondern auch in der Formulierung der Schuldfrage. Nicht der Einzelne trägt Schuld, sondern die "modernen Zeiten", die damit als eine Art Krankheitsbild ausgewiesen wurden, gegen die es auch ein Gegenmittel geben musste. Wie innerhalb dieser moralisch konnotierten Dramen üblich, wird auch in "Wegen Verführung Minderjähriger" nur das äußere Bild propagiert, ohne zu hinterfragen, woran Ehen tatsächlich scheitern. Allein die wiederholte Bemerkung, ein Mann Anfang 50 wäre "im gefährlichen Alter" - nebenbei der Titel eines Films von 1954, in dem Söhnker auch die Hauptrolle spielte - suggeriert eine rein von außen kommende Gefährdung, gegen die nur angemessene Maßnahmen seitens der Ehefrau getroffen werden müssten. Die Anklage "Wegen Verführung Minderjähriger", der sich der Studienrat Dr. Stefan Rugge (Hans Söhnker) ausgesetzt sieht und von deren Entstehung er im Rückblick vor Gericht berichtet, wird entsprechend als Konsequenz aus der mangelhaften Vorsorge gegen diese zunehmenden Gefahren betrachtet.

Leitners nach einem Drehbuch Wolfgang Schnitzlers entstandener Film versuchte den Spagat zwischen erhobenem Zeigefinger und gleichzeitigem Verständnis und verzichtete im Gegensatz zu Harlan in „Anders als du und ich“ auf direkt Beschuldige. Zu verdanken ist das dem Spiel Hans Söhnkers, der in seiner Rolle als seriöser Studienrat konsequent bleibt, die 17jährigen Inge (Marisa Mell) nicht bloß stellt, sondern die Verantwortung für sein Handeln übernimmt. Zwar sind die Rollen seiner jederzeit fair und ohne Eifersucht handelnden Ehefrau (Heli Finkenzeller) und seiner Tochter (Cordula Trantow) - den unschuldigen Teenager verkörpernd - idealisiert, aber Marisa Mell kann in einer ihrer ersten Rollen, in dem sie schon früh auf den Typus der Verführerin festgelegt wurde, als ehrlich Verliebte überzeugen.

Entscheidend für die Wirkung des Films ist aber, dass er die Sache beim Namen nennt. Es gibt Partys, fordernde junge Männer und willige Mädchen. Der Mittelteil des Films wird von einem zwar vergleichsweise braven Jazz- und Schlager-Konzert bestimmt, wird aber zum Ausgangspunkt des ersten Kusses zwischen Inge und ihrem Lehrer und führt später konsequenterweise zum Sex. Ob viele Betrachter damals die Mär von den angeblich früher entwickelten Mädchen nach dem Krieg ernsthaft glaubten, die quasi ohne eigenes Zutun zu Verführerinnen wehrloser Männer im „gefährlichen Alter“ wurden, darf bezweifelt werden. Die Warnung davor kam sowieso zu spät – die Zeiten ließen sich nicht mehr zurückdrehen und „Wegen Verführung Minderjähriger“ zeigt auch, warum.

"Wegen Verführung Minderjähriger" Österreich 1960, Regie: Hermann Leitner, Drehbuch: Wolfgang Schnitzler, Darsteller : Hans Söhnker, Marisa Mell, Heli Finkenzeller, Cordula Trantow, Walter WilzLaufzeit : 95 Minuten 

Nächtlicher Überraschungsfilm beim 13. Hofbauer-Kongress zu Nürnberg vom 24. bis 28.07.2014 

weitere im Blog besprochene Filme von Hermann Leitner:

"Verdammt die jungen Sünder nicht" (1961)

Donnerstag, 24. Juli 2014

Nacht am Mont-Blanc (1951) Harald Reinl

In Erinnerung an Dietmar Schönherr, gestorben am 18.07.2014

Inhalt: Vigo (Dietmar Schönherr), befehlshabender Offizier der italienischen Grenzpolizei am Mont-Blanc, kann nach einem Schusswechsel im Hochgebirge nur einen Teil der Schmuggelware konfiszieren, die Täter können dagegen entkommen. Erschöpft fährt er zurück zu einem Berghotel, wo seine Verlobte Monika (Dagmar Rom) schon sehnsüchtig auf ihn wartet. Doch ihr zärtliches Stelldichein ist nur von kurzer Dauer, da Vigo von seiner Müdigkeit übermannt wird, um nach einem fünfstündigen Schlaf gleich wieder in die Berge aufzubrechen.

Monika, die Urlaub genommen hatte, um in der Nähe ihres Liebsten zu sein, reagiert enttäuscht, lässt sich aber vom Hotel-Pagen Angelo (Gerhard Deutschmann) ablenken, der mit ihr auf die Ski-Piste geht. Dort stößt sie beinahe mit Hans (Baldur von Hohenbalken) zusammen, einem früheren Verehrer aus ihrer österreichischen Heimat, der im Hochgebirge trainiert. Ohne zu zögern verbringt sie den Tag mit dem alten Freund…


Mit "Nacht am Mont Blanc" befand sich der österreichische Regisseur Harald Reinl Anfang der 50er Jahre in bester Gesellschaft. Sein erster Langfilm nach eigenem Drehbuch -  "Bergkristall" (1949) entstand auf Basis des gleichnamigen Romans von Adalbert Stifter, "Gesetz ohne Gnade" (1951) nach Karl Lovens Roman "Das Gipfelkreuz" - spielte im Hochgebirgs-Milieu, ähnlich der Heimatfilme "Schicksal am Berg" (1950, Regie Ernst Hess), "Duell in den Bergen" (1950, Regie Luis Trenker und Debüt der "Heimatfilm"-Ikone Marianne Hold) und "Föhn" (1950, Regie Rolf Hansen), die nach 1945 wieder auf das in den 20er/frühen 30er Jahren beliebte Sujet des Berg-Dramas zurückgriffen - bei "Föhn" handelt es sich zudem um ein Remake des 1929 unter G.W.Pabst und Arnold Fanck gedrehten Stummfilms "Die weiße Hölle am Piz-Palü" (siehe "Bergdrama und Pioniere des Heimatfilms - die frühen Jahre 1930 bis 1933").

Der Einfluss dieser Film-Gattung mit ihren beeindruckenden Bergpanoramen und archaischen menschlichen Auseinandersetzungen auf die Entwicklung des "Heimatfilms" auch der 50er Jahre lässt sich gut an Reinls "Nacht am Mont Blanc" ablesen, der die dramatischen Szenen in eisigen Höhen mit komödiantischen Elementen, einer Kriminalhandlung und nicht zuletzt mit Liebesgeplänkel um Dagmar Rom verband, der damals sehr populären zweifachen Ski-Weltmeisterin von 1950, die 1952 noch eine Silbermedaille bei den olympischen Spielen in Oslo gewinnen sollte. Trotz der die Szenerie beherrschenden verschneiten Berggipfel, nahm die Story um die attraktive blonde Sportlerin damit schon früh Reinls Vorliebe für ein Unterhaltungs-Potpourri vorweg, wie er es in "Die Fischerin vom Bodensee" (1956) in Perfektion umsetzen sollte - ein typisches Stilelement der späteren "Heimatfilm" - Phase (siehe "Im Zenit des Wirtschaftswunders - der Heimatfilm der Jahre 1955 bis 1957").

In "Nacht am Mont-Blanc" hinterlässt der große Unterschied zwischen dem notorisch ernsthaften Mienenspiel Dietmar Schönherrs in seiner ersten Hauptrolle als Grenzpolizist Vigo und Oskar Simas witziger Darstellung eines sehr von sich überzeugten Hotel-Portiers, der sich mit einer zu Hysterie neigenden wohlhabenden Touristin aus dem österreichischen Flachland, Frau Schnackendorf (Geraldine Klatt), ins Alberne driftende Dialoge abliefert, einen uneinheitlichen Charakter. Kombiniert mit den Aufnahmen des skifahrerischen Könnens von Frau Rom, die zu fröhlicher Musik die Hänge hinunter wedelt, während ihr Verlobter Vigo gefährlichen Rauschgiftschmugglern auf der Spur ist, entsteht der Eindruck eines unentschiedenen Stils. Der Beginn und die Schlusssequenz folgten den Regeln des Bergdramas, während der Mittelteil eher komödiantisch, folkloristisch angelegt ist. Reinl gelang noch nicht die ausgewogene Mischung seiner späteren Heimatfilme.

Besonders in Sachen Liebe fuhr er ein Kontrastprogramm auf. Der nach vielen Stunden im Hochgebirge erschöpft zurückgekehrte Vigo und seine Verlobte Monika (Dagmar Rom) schwelgen in ewiger Liebe, während der Portier und Frau Schnackendorf nur despektierliche Bemerkungen für ihre langjährigen Angetrauten übrig haben. Aber auch Monika vergisst ihre elegischen Worte scheinbar schnell, nachdem Vigo schon nach kurzer Zeit wieder seinen Polizisten-Pflichten nachgehen musste, obwohl sie doch seinetwegen extra Urlaub genommen hatte. Page Angelo (Gerhard Deutschmann) darf als begabter Ersatzmann mit auf die Ski-Piste und als ihr dort zufällig ihr früherer Verehrer Hans (Baldur von Hohenbalken) begegnet, verbringt sie gleich den restlichen Tag mit ihm bis tief in die Nacht auf ihrem Zimmer, ohne ihre Beziehung zu Vigo zu erwähnen. Ein gewagtes Spiel für ein unschuldiges Fräulein Anfang der 50er Jahre, das entsprechende Folgen nach sich zieht.

Hans, von Monikas Verhalten ermutigt, versucht sein Glück, holt sich aber eine Abfuhr, woraufhin er das Hotel schon zu früher Morgenstunde in Richtung Berggipfel verlässt. Als der wieder zurückgekehrte Vigo im Hotel eine Leiche entdeckt, glaubt er, Hans wäre der Mörder und macht sich auf die Verfolgung. Doch Monika weiß es natürlich besser und versucht die beiden Männer rechtzeitig einzuholen. Die Kriminal-Story um die Schmugglerbande und den Mord im Hotel hat nur die Funktion, das abschließende Berg-Drama emotional aufzuheizen. Während der aus Turin gekommene Commissario den Fall schnell gelöst hat, spitzt sich die Situation am Mont-Blanc weiter zu. Zuerst verunglückt Monika gerade als sie die Männer erreicht hatte, wird zwar gerettet, aber auf Grund eines Wetterumschwungs müssen sie gemeinsam die Nacht am Berg verbringen. Dort erfährt Vigo, warum Hans nicht der Mörder sein kann, was den Zusammenhalt unter schwierigsten Bedingungen erst recht gefährdet.

So konstruiert und im Charakter uneinheitlich die Hinführung zu der abschließenden Sequenz wirkt, gelang es Reinl diese spannend in der Tradition klassischer Berg-Filme umzusetzen, auch weil er auf ein eindeutiges Gut-Böse-Schema verzichtete. Die Situation zwischen der Frau und den zwei Männern bleibt lange offen und sollte offensichtlich weit dramatischer enden als es die nachgeschoben wirkenden kurzen Szenen am Ende vorgaukeln – ein weiteres Beispiel für das qualitative Gefälle innerhalb eines Films, der einen Spagat zwischen leichter Unterhaltung und ernsthaftem Drama versuchte. Nicht immer gelungen, aber voller bemerkenswerter Details wie etwa die strikte Einhaltung der unterschiedlichen Sprachen, die den Betrachter auch mit längeren Dialogen in Italienisch konfrontierten, die nicht untertitelt wurden. Und signifikant für die Stellung des Films zwischen Tradition und der sich abzeichnenden Modernisierung der Nachkriegsgesellschaft, die nicht nur typisch für den frühen Heimatfilm ist, sondern auch beispielhaft für die Entwicklung des Regisseurs und Autors Harald Reinl zu einem der führenden Vertreter des Heimatfilms steht.

"Nacht am Mont-Blanc" Deutschland, Österreich 1951, Regie: Harald Reinl, Drehbuch: Harald Reinl, Darsteller : Dietmar Schönherr, Dagmar Rom, Oskar Sima, Geraldine Katt, Gerhard Deutschmann, Baldur von HohenbalkenLaufzeit : 84 Minuten


weitere im Blog besprochene Filme von Harald Reinl:

Montag, 30. Juni 2014

Schwarzer Markt der Liebe (1966) Ernst Hofbauer

Inhalt: Die jungen Frauen, die im Hafen Genuas an Bord eines Linien-Schiffs gehen, ahnen weder, dass sie beobachtet werden, noch was sie tatsächlich erwartet. Harald (Claus Tinney), der sie für die Fahrt mit falschen Versprechungen angeworben hatte, sieht unbemerkt zu, kann sich seines Erfolgs aber nicht erfreuen, denn es gibt viele Interessenten am lukrativen Geschäft mit den Mädchen, die zur Prostitution gezwungen werden sollen.

Nachdem zwei Gangster den zwielichtigen Lemaire (Omero Antonutti) erschossen hatten, der Harald zuvor erpresst hatte, kann er unbehelligt nach Berlin zu seinem Compagnon Rolf (Rolf Eden) zurückkehren, aber die Konkurrenz bleibt ihm auf den Fersen und droht das Geschäft zu stören. Um ungestört die nächste Party bei der Gräfin (Tilly Lauenstein) zu veranstalten, bei der in einem mondänen Umfeld weitere Frauen angeworben werden sollen, müssen sich Rolf und Harald etwas einfallen lassen…



Mit "Schwarzer Markt der Liebe" füllt die PIDAX am 22.07.2014 erneut eine wichtige Lücke im deutschen Genre-Film an der Seite des schon 2013 herausgebrachten "St.Pauli zwischen Nacht und Morgen". Erst die Zusammenführung beider Filme, die unter der Ägide des Schweizer Produzenten Erwin C.Dietrich entstanden, lässt den Einfluss des Erotikfilm-Pioniers José Bénazéraf auf die Entwicklung des deutschen Genres erkennen, beweist aber auch die Vielfältigkeit Ernst Hofbauers, der nach der einmaligen Zusammenarbeit mit Dietrich seinen eigenen Weg Richtung der erfolgreichen "Report-Filme" ging. (Die grünen Links führen zur Amazon-Bestellseite).












"Schwarzer Markt der Liebe" entstand zwar ein Jahr vor "St.Pauli zwischen Nacht und Morgen" (1967), für den Produzent Erwin C.Dietrich José Bénazéraf als Regisseur verpflichtete, aber dessen frühe erotische Filme („L’enfer dans la peau“ (Sexus, 1965)) standen sowohl stilistisch, wie inhaltlich schon Pate bei Regisseur Ernst Hofbauers einziger Zusammenarbeit mit Dietrich. Ein Einfluss, der auf den Schweizer Produzenten zurückzuführen ist, auch wenn dieser in den Credits nicht als Drehbuchautor aufgeführt wurde, denn Hofbauers zuvor Anfang 1966 herausgebrachter Film "Die Liebesquelle" entfaltete seine frühen erotischen Einblicke noch vor dem Hintergrund einer kolorierten Heimatfilm-Komödienhandlung, während die in stylischen Schwarz-Weiß-Bildern gedrehte Crime-Story, deren erotische Ausstrahlung nur wenig Nacktheit benötigt, so wirkt, als hätte sich Dietrich damit für ein zukünftiges Engagement Bénazérafs bewerben wollen.

Typische Bénazéraf-Elemente wie die obligatorischen Ami-Schlitten, coole, nicht über die infantilen Verhaltensmuster hinwegtäuschende Gangster-Posen oder erotisch verpackte Frauenkörper überraschen entsprechend wenig, viel mehr erstaunt es, dass es Hofbauer gemeinsam mit Kameramann Andreas Demmer ("Die Nichten der Frau Oberst" (1968)) vortrefflich gelang, den Stil des französischen Erotikfilm-Pioniers als Bindeglied zwischen dessen frühen französischen Filmen und seinem deutschen St.Pauli-Ausflug stimmig umzusetzen. Begleitet von den Pop-Jazz-Klängen Frank Valdors, die Bénarérafs Vorliebe für jazzige Filmmusik zitierten (und dazu führten, dass Valdor auch "St.Pauli zwischen Nacht und Morgen" vertonen sollte), beginnt der Film im Hafen Genuas mit der Einschiffung junger Frauen, die noch glauben, auf bequeme Weise ein hohes Gehalt verdienen zu können.

Dass sie nicht wieder nach Europa zurückkommen werden, sondern zur Prostitution gezwungen werden sollen, erfährt der Betrachter nur aus den Worten Haralds (Claus Tinney), der mit der Organisation der Mädchen sein Geld verdient. Die Filmstory selbst kümmert sich nicht weiter um deren Schicksal, sondern konzentriert sich auf die Machenschaften der Gangster untereinander, die versuchen die Hoheit über das lukrative Geschäft zu erlangen und sich gegenseitig bekämpfen, womit der Film wieder mitten im Bénazéraf-Universum angekommen war. Dabei gelangen den Kreativen großartige Bilder in Genua - besonders die Aufnahmen auf der Hochstraße erinnern schon früh an spätere Verfolgungsjagden im „Polizieschi“ an gleicher Stelle. Nicht nur der Handlungsort, auch die Eingangsszenen in der abseits gelegenen Albergo zitierten unmittelbar den italienischen Film. Der dicke, grobschlächtige Hausherr mit der hübschen jungen Ehefrau (Karin Field), die sich dem gutaussehenden Harald an den Hals schmeißt und mit ihm abhauen will, variierte Viscontis „Ossessione“(1942) auf eigene Weise – Harald selbst verrät dem gehörnten Ehemann die Absichten seiner Frau, um die als Betthäschen willkommene Blondine wieder bequem loszuwerden.

Willkommen in der Kälte Berlins, wohin Harald zurückkehrt, um mit seinem Compagnon die nächste Ladung Mädchen zu organisieren. Und damit kommt es zum Auftritt von Rolf Eden (natürlich als „Rolf“), der hier erstmals eine tragende Rolle spielte und sich dank seines abgeklärten Spiels als Boss in „St.Pauli zwischen Nacht und Morgen“ empfahl – cooler konnten auch die Gangster in Bénazérafs französischen Streifen nicht auftreten. Die Verzahnung mit Bénazérafs Stil wird an der gesamten Anlage des Films deutlich, dessen Handlung nur wenige Orientierungspunkte benötigte, da er von den Blicken und Gesten seiner Protagonisten lebt – und dem Handlungsort Berlin (West), der selten in tristere 60er Jahre-Grautöne getaucht wurde.

In der tragischen Geschichte um die unschuldige – und damit besonders begehrte – Karin lassen sich noch die moralischen Fingerzeige deutscher Provenienz erkennen, deren Schicksal als Warnung vor den Verführungen der Moderne verstanden werden sollte. Die Rolle Tilly Lauensteins als Gräfin mit lesbischen Neigungen vermittelte noch eine homophobe Note, deren pädagogische Wirkung dank der unaufgeregten, auf emotionale Zuspitzungen verzichtenden Umsetzung aber zurückhaltend blieb. Bénazéraf sollte die abschließende Drogen-Sequenz der Anwerbe-Party in seinem Beitrag zum deutschen Genre-Kino „St.Pauli zwischen Nacht und Morgen“ erneut variieren, befreit von moralischen Attitüden – ein signifikantes Beispiel für die gegenseitige Beeinflussung in der fiktiven Zusammenarbeit Hofbauer-Bénazéraf, deren außergewöhnliches Ergebnis dem Produzenten-Scharnier Erwin C. Dietrich zu verdanken ist, der mit "Schwarzer Markt der Liebe" ins Erotik-Gerne eintrat.

"Schwarzer Markt der Liebe" Deutschland 1966, Regie: Ernst Hofbauer, Drehbuch: Ernst Hofbauer, Darsteller : Claus Tinney, Rolf Eden, Tilly Lauenstein, Karin Field, Astrid Frank, Uta LevkaLaufzeit : 86 Minuten

weitere im Blog besprochene Filme von Ernst Hofbauer:

"Holiday in St.Tropez" (1964)
"Tausend Takte Übermut" (1965)
"Schulmädchen-Report - Was Eltern nicht für möglich halten" (1970)



weitere im Blog besprochene Filme von Erwin C.Dietrich: