Dienstag, 23. Juli 2013

Heinz Rühmann (1902 - 1994) Schauspieler / Regisseur

Unabhängig von der jeweiligen persönlichen Haltung gegenüber der Person Heinz Rühmann, bleibt dessen Ausnahmestatus für den deutschen Ton-Film ein Faktum. Kein anderer Darsteller kann auf eine ähnlich lang andauernde kontinuierliche Karriere verweisen, die schon während der Stummfilmzeit begann und 1930 in „Die Drei von der Tankstelle“, einem der ersten deutschen Tonfilme, ihren Durchbruch erlebte. Andere zu diesem Zeitpunkt populäre Mimen wie Willy Fritsch oder Hans Albers, mit denen Rühmann mehrfach gemeinsam auftrat, konnten nach 1945 nicht mehr an ihre bisherigen Erfolge anknüpfen (Willy Fritsch) oder starben frühzeitig wie der gut zehn Jahre ältere Hans Albers 1960, der in den 20er Jahren schon eine intensive Stummfilm-Ära erlebt hatte. Ähnlich erfolgreiche jüngere Stars wie Götz George, der seine Film-Karriere Mitte der 50er Jahre begann, arbeiteten ab den 70er Jahren vorwiegend für das Fernsehen.

Auch Heinz Rühmann musste nach dem 2.Weltkrieg eine beinahe 10jährige Durststrecke verkraften und ging mit seiner eigenen Produktionsgesellschaft Pleite, bevor er 1953 mit „Keine Angst vor großen Tieren“ wieder in die Erfolgsspur zurückfand, die ihn daraufhin nicht mehr verlassen sollte. Ab Mitte der 60er Jahre wurde das deutsche Fernsehen auch für ihn zunehmend zum wichtigsten Arbeitgeber, aber Heinz Rühmann konnte auf ein beinahe lückenloses Filmschaffen über die vier Jahrzehnte von 1930 bis 1970 zurücksehen. Ziel des Blogs kann kein ausführliches Porträt über einen Menschen sein, über den schon eine Vielzahl an Büchern und sonstigen Dokumentationen erschienen sind, aber die genaue Analyse seiner Film im Bezug zum Zeitkontext verrät nicht nur viel über seine Person, sondern auch die Menschen, die ihn für seine Rollen liebten. Fast alle Publikationen über Heinz Rühmann haben gemein, dass sie vor allem ihre Begeisterung für diesen einmaligen Charakterdarsteller weiter tragen, nur wenige hinterfragen seine Rolle während der nationalsozialistischen Diktatur, deren Bewertung letztlich zu keinem eindeutigen Ergebnis führen kann. Die Komplexität dieser Situation lässt sich nicht allein an Hand von Fakten klären.

Für den Blog „Grün ist die Heide“ sind die Filme mit Heinz Rühmann ein wichtiger Gradmesser, quasi die Richtschnur, an der sich der deutsche bzw. der westdeutsche Film Jahrzehnte entlang schlängelte. Denn obwohl seine Filme fast ausschließlich dem Komödienfach zugeordnet werden – nicht immer zu recht – weisen sie eine große Nähe zur Realität auf, da Heinz Rühmann ein Gespür für den Durchschnittsbürger hatte. Seine Paraderolle blieb über Jahrzehnte der „einfache Mann aus dem Volk“, der sich mit den Widrigkeiten des Alltags herumschlagen musste, was er besonders in den 50er und 60er Jahren zu Kommentaren zu den gesellschaftlichen Entwicklungen nutzte, denen er mit einer gewissen Skepsis begegnete. Seine Haltung war eindeutig konservativ, womit er den meisten Kinobesuchern aus dem Herzen gesprochen haben dürfte, gleichzeitig aber auch tolerant und um einen vermittelnden Gestus bemüht – Rühmann wollte nicht bestimmen, er wollte überzeugen.

Aus heutiger Sicht wirken seine späten Film, in denen er unmittelbar auf die Jugend einwirkte, wie in „Der Pauker“ (1958), „Der Jugendrichter“ (1960) oder in seiner letzten Rolle als „kleiner Mann“ „Max, der Taschendieb“ (1962) sehr altmodisch, da sie noch ganz dem konservativen Wertesystem verpflichtet waren. Die Rollen von Männern, Frauen und dem hoffnungsvollen Nachwuchs waren klar geregelt, Verstöße dagegen galten als vorübergehende modische Erscheinung - sicherlich damals ein wichtiger Grund für den Erfolg dieser Filme. Doch auch seine Rollen veränderten sich im Lauf der 60er Jahre. 1965 wirkte er in seiner einzigen Hollywood-Produktion „Das Narrenschiff“ (Ship of fools) von Stanley Kramer mit, in der er einen Juden spielte, den 1933 das Heimweh wieder nach Deutschland zurück treibt, und mit seinem letzten Kinofilm in den 60er Jahren „Die Ente kommt um halb 8“ (1968) war er endgültig in der Gegenwart angekommen, auch wenn Heinz Rühmann sich letztlich immer treu blieb.


Heinz Rühmann - seine Kinofilme 1930 bis 1970:

1. Die frühen Jahre des Tonfilms 1930 - 1935:

Nachdem Heinz Rühmann in den zwei gemeinsam mit Lilian Harvey und Willy Fritsch gedrehten Filmen "Die Drei von der Tankstelle" und "Einbrecher" der Durchbruch gelungen war, begannen für ihn fruchtbare Jahre als Filmschauspieler. Abgesehen von "Bomben auf Monte Carlo" (1931), in dem er an der Seite von Hans Albers spielte, war er in den folgenden vier Jahren in 21 Filmen als alleiniger Hauptdarsteller besetzt. Diese nur der Unterhaltung dienenden Komödien wurden fast alle nach ähnlichem Strickmuster abgedreht und sind heute größtenteils unbekannt. Selbst die erste Verfilmung des Heinrich Spoerl Romans "Die Feuerzangenbowle" unter dem Titel "So ein Flegel" (1934) fiel nicht weiter ins Gewicht, so stark war die Romanvorlage verändert worden. Die Machtergreifung der NSDAP, Anfang 1933, wirkte sich noch nicht auf die Filminhalte aus - thematisch wurden keine Veränderungen auffällig. 

"Die Drei von der Tankstelle" (1930)
"Einbrecher" (1930)
"Der Mann, der seinen Mörder sucht" (1931)
"Bomben auf Monte Carlo" (1931)
"Meine Frau, die Hochstaplerin" (1931)
"Der brave Sünder" (1931)
"Der Stolz der dritten Kompanie" (1932)
"Man braucht kein Geld" (1932)
"Es wird schon wieder besser" (1932)
"Strich durch die Rechnung" (1932)
"Ich und die Kaiserin" (1933)
"Lachende Erben" (1933)
"Heimkehr ins Glück" (1933)
"Es gibt nur eine Liebe" (1933)
"Drei blaue Jungs, ein blondes Mädel" (1933)
"Die Finanzen des Großherzogs" (1934)
"Pipin, der Kurze" (1934)
"Ein Walzer für dich" (1934)
"Heinz im Mond" (1934)
"Frasquita" (1934)
"Der Himmel auf Erden" (1935)
"Wer wagt - gewinnt!" (1935)


2. Nationalsozialismus und Kriegsjahre 1936 - 1945:

Die folgenden Jahre wurden zunächst noch vom regelmäßigen Output leichter Filmunterhaltung geprägt, aber zunehmend nahm die Frequenz der Neuerscheinungen ab, bedingt durch eine aufwändigere Inszenierung, individuellere Drehbücher und nicht zuletzt Heinz Rühmanns wachsendem Einfluss. Nicht nur, dass er 1938 in „Lauter Lügen“ erstmals Regie führte, auch intensivierte sich die Zusammenarbeit mit dem Schriftsteller Heinrich Spoerl, der selbst das Drehbuch zu „Wenn wir alle Engel wären“ schrieb, während er an seiner Romanverfilmung „So ein Flegel“ noch kein Mitspracherecht hatte. „Der Gasmann“ (1941) wurde für Rühmann und Spoerl ein weiteres gemeinsames Projekt, bevor es 1944 zu der kongenialen Verfilmung „Die Feuerzangenbowle“ kam, die Heinz Rühmann zu einem Zeitpunkt, als der fortgeschrittene Krieg nur noch wenige Kinoproduktionen zuließ, mit einem gewachsenen Stamm an Mitarbeitern und Kollegen umsetzte. Auch Regisseur Kurt Hoffmann wurde von Rühmann 1939 erstmals in „Paradies der Junggesellen“ besetzt, der dann die Regie in „Quax, der Bruchpilot“ (1941), einer weiteren Herzensangelegenheit des passionierten Piloten Heinz Rühmann, übernehmen durfte. 

Trotz Rühmanns zunehmender Eigenständigkeit, die einige seiner bekanntesten und besten Filme ermöglichte, konnte er sich den Forderungen des Innen-Ministeriums nicht verweigern, auch wenn seine unmittelbare Beteiligung an Propaganda-Filmen auf eine Nebenrolle in "Wunschkonzert" (1940) und einen sehr kurzen Gastauftritt in „Fronttheater“ (1942) beschränkt blieb. Nicht nur in „Der Gasmann“ und „Quax, der Bruchpilot“, sogar in einem thematisch völlig unabhängigen Sujet wie „Die Feuerzangenbowle“  lassen sich die Einflüsse der nationalsozialistischen Propaganda feststellen.


"Ungeküsst soll man nicht schlafen geh'n" (1936)
"Allotria" (1936)
"Wenn wir alle Engel wären" (1936)
"Lumpacivagabundus" (1936)
"Der Mann, von dem man spricht" (1937)
"Der Mann, der Sherlock Holmes war" (1937)
"Der Mustergatte" (1937)
"Die Umwege des schönen Karl" (1937)
"Fünf Millionen suchen einen Erben" (1938)
"13 Stühle" (1938)
"Nanu, Sie kennen Korff noch nicht?" (1938)
"Der Florentiner Hut" (1939)
"Paradies der Junggesellen" (1939)
"Hurra, ich bin Papa!" (1939)
"Kleider machen Leute" (1940)
"Wunschkonzert" (1940 - Nebenrolle)
"Der Gasmann" (1940)
"Hauptsache glücklich!" (1941)
"Quax, der Bruchpilot" (1941)
"Fronttheater" (1942 - nur eine kurze Gastrolle)
"Ich vertrau dir meine Frau an" (1943)
"Die Feuerzangenbowle" (1944)
"Quax in Afrika" (1945 - erst nach dem Krieg aufgeführt)
"Sag die Wahrheit" (1945 - nicht fertiggestellt) 



3. Die Nachkriegsjahre 1946 - 1953:

Obwohl Heinz Rühmann sofort nach dem Krieg wieder als Schauspieler arbeiten durfte, erhielt er keine Möglichkeit dazu, da die Filmindustrie in den westlichen Besatzungszonen komplett zusammen gebrochen war. In Konsequenz daraus, gründete er seine eigene Produktionsgesellschaft, die zwischen 1948 und 1950 zehn Filme herausbrachte, in denen er einmal Regie führte („Die kupferne Hochzeit“,1948) und dreimal in der Hauptrolle auftrat. Auch einen der ersten Kriegsheimkehrer-Filme, „Berliner Ballade“ (1948) mit Gert Fröbe als „Otto Normalverbraucher“, produzierte seine Firma. Die teilweise satirisch angelegten Filme („Der Herr vom andern Stern“ 1948) hatten keinen Erfolg, weshalb Rühmanns Firma 1950 Pleite ging und er mehrere Jahre auf sein erstes Engagement als Schauspieler warten musste. Mit „Keine Angst vor großen Tieren“ kehrte 1953 der Erfolg zurück, den er mit „Briefträger Müller“, seiner letzten und zudem einzigen Regiearbeit, in der er selbst mitspielte, im selben Jahr festigte.


"Der Herr vom anderen Stern" (1948)
"Das Geheimnis der roten Katze" (1948)
"Ich mach dich glücklich" (1949)
"Das kann Jedem passieren" (1952)
"Schäm dich, Brigitte!" (1953)
"Keine Angst vor großen Tieren" (1953)
"Briefträger Müller" (1953)



4. Die zweite Hochphase 1954 - 1962:

In den 50er Jahren konnte Heinz Rühmann seine nach dem Krieg verloren gegangene Reputation als Schauspieler wieder zurückgewinnen, besonders mit seinen Rollen in der Verfilmung von Zuckmayers Theaterstück „Der Hauptmann von Köpenick“ (1958), der ihm große Anerkennung als Charakterdarsteller einbrachte, und als Kommissar Matthäi in dem Drama „Es geschah am helllichten Tag“ (1958) nach dem Drehbuch von Friedrich Dürrenmatt. Auch die souveräne Verkörperung des Pater Brown in zwei Verfilmungen der Kriminalromane („Das schwarze Schaf“ (1960) und „Er kann’s nicht lassen“ (1962)) steigerte seine Popularität. Parallel spielte er einige Rollen, die ihm die Möglichkeit gaben, auf die gesellschaftspolitischen Veränderungen in der Bundesrepublik zu reagieren (unter anderen „Ein Mann geht durch die Wand“ 1959) und 1962 trat er in „Max, der Taschendieb“ ein letztes Mal als „kleiner Mann aus dem Volke“ auf, der weiß, wo er hin gehört. 

"Auf der Reeperbahn nachts um halb eins" (1954)
"Zwischenlandung in Paris" (Escale à Orly, 1954 - Nebenrolle)
"Wenn der Vater mit dem Sohne" (1955)
"Charlies Tante" (1956)
"Der Hauptmannn von Köpenick" (1956)
"Das Sonntagskind" (1956)
"Vater sein dagegen sehr" (1957)
"Es geschah am hellichten Tage" (1958)
"Der Mann, der nicht nein sagen konnte" (1958)
"Der Pauker" (1958)
"Der eiserne Gustav" (1958)
"Menschen im Hotel" (1959)
"Ein Mann geht durch die Wand" (1959)
"Der Jugendrichter" (1960)
"Der Schulfreund" (1960)
"Der brave Soldat Schwejk" (1960)
"Das schwarze Schaf" (1960)
"Der Lügner" (1961)
"Er kann's nicht lassen" (1962)
"Max, der Taschendieb" (1962)

5. Die 60er Jahre 1963 - 1970:

Nach 1970 sollte Heinz Rühmann nur noch in fünf Kinofilmen mitwirken, weshalb die 60er Jahre schon als Übergangsphase zu seinem verstärkten Engagement beim deutschen Fernsehen anzusehen sind. Zudem verkörperte er keine typischen Rühmann-Rollen mehr, sondern übernahm in drei Remakes der Curt Goetz-Filme „Das Haus in Montevideo“ (1963), „Dr.med. Prätorius“ (1965) und „Hokuspokus“ (1966) die Rolle des inzwischen verstorbenen Curt Götz, und spielte in mehreren internationalen Produktionen mit. Sein letzter Film des Jahrzehnts „Die Ente kommt um halb 8“ reagierte mit seinem absurd, surrealen Charakter zwar auf die Gegenwart, aber Heinz Rühmann wurde nicht mehr Teil des aufkommenden „Neuen deutschen Films“. Erst 1993 drehte er seine letzte Rolle in Wim Wenders „In weiter Ferne so nah“.

"Meine Tochter und ich" (1963)
"Das Haus in Montevideo" (1963)
"Vorsicht, Mr.Dodd!" (1964)
"Dr. med. Hiob Prätorius" (1965)
"Das Liebeskarussell" (1965)
"Das Narrenschiff" (Ship of fools, USA1965 - Nebenrolle)
"Geld oder Leben" (Le bourse et la vie, 1966 - mit Fernandel)
"Grieche sucht Griechin" (1966)
"Hokuspokus" (1966)
"Maigret und sein größter Fall" (1966)
"Die Abenteuer des Kardinal Brown" (Operazione San Pietro, 1968)
"Die Ente kommt um halb 8" (1968)

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