Montag, 18. März 2013

Grün ist die Heide (1951) Hans Deppe

Inhalt: Der Oberförster (Josef Sieber) ist verzweifelt, da ein Wilderer in seinem Revier sein Unwesen treibt und er ihm nicht auf die Schliche kommt. Der junge Förster Walter Reiner (Rudolf Prack), der erst vor wenigen Wochen seine Stelle antrat, ist da wesentlich erfolgreicher und hätte den Wilderer beinahe auf frischer Tat ertappt.

Doch die Spur, die er verfolgte, führte ihn ausgerechnet zum nahe gelegenen Landschloss, in der die angesehene Familie Lüdersen zu Hause ist. Hier wohnt auch Helga (Sonja Ziemann), die hübsche Tochter von Lüder Lüdersen (Hans Stüwe), der bei seinem Bruder Gottfried untergekommen ist. Reiner hat ihren Vater in Verdacht, aber er bekommt zusehends Gewissensbisse, da er sich in dessen Tochter verliebt hat...


Erst seit 1968 werden die Besucherzahlen in den deutschen Kinos gezählt, da zuvor keine genauen Erhebungen gemacht wurden. Trotzdem steht es unzweifelhaft fest, dass die Zuschauerzahlen, die gerade deutsche Filme in den 50er Jahren erzielten, von zeitgenössischen Filmen kaum noch erreicht werden können. 1951, als "Grün ist die Heide" von etwa 16 Millionen Menschen gesehen wurde, gab es nur wenige alternative Unterhaltungsmöglichkeiten, aber das allein erklärt nicht den großen Erfolg dieses Films.

Die Gattung des 50er Jahre "Heimatfilms", die mit "Grün ist die Heide" ihre frühe Blüte erlebte (siehe "Die erste Boom-Phase - der Heimatfilm der Jahre 1951 bis 1954"), gilt heute als konservativ veraltet und filmisch uninteressant - quasi ein Relikt aus einer Zeit, mit dem man sich höchstens noch aus historischen Gründen beschäftigt. Eine unberechtigte Sichtweise, spiegelt die Gattung nicht nur das Lebensgefühl ihrer Zeit wider, sondern gibt es innerhalb des Genres große Qualitätsunterschiede. Besonders an "Grün ist die Heide" wird das erkennbar - ein Film, der viele Nachfolger erzeugte, die nicht annähernd dessen Dichte und Atmosphäre erreichten.


Unabhängig davon, wie man zu der Wilderer-Thematik steht, muss man Drehbuchautor Bobby E. Lüthge gute Arbeit bescheinigen. Er kombinierte aktuelle gesellschaftliche Probleme der Nachkriegszeit mit einer Liebesgeschichte und reicherte dieses Konglomerat mit heimatlicher Musik und Landschaftsbildern an, die in starkem Kontrast zur damaligen Realität in Deutschland standen. Dabei griff er auf Motive seines eigenen Drehbuchs zum 1932 entstandenen Original "Grün ist die Heide" zurück. Zwar fußte dieses ebenfalls auf den von dem Großstädter Hermann Löns geschriebenen Texten über die Lüneburger Heide, besaß aber nicht dessen Realitätsbezug - ein entscheidender Unterschied, der mit zum Erfolg des 1951er Remakes beitrug. 

Über der gesamten Handlung steht immer die Vertriebenen-Thematik und der damit verbundene Verlust der Heimat, der nicht nur die Bewohner der ehemaligen Ostgebiete betraf, sondern viele Menschen, die im Krieg ihre Wohnung oder Haus verloren hatten. Das gilt auch für Lüder Lüdersen (Hans Stüwe) und seine Tochter Helga (Sonja Ziemann), die nach der Vertreibung bei seinem Cousin und Gutsbesitzer Gottfried Lüdersen (Otto Gebühr) untergekommen sind. Der Film macht kein Geheimnis daraus, dass es sich bei Lüder Lüdersen um den Wilderer handelt, der schon lange vom Oberförster ergebnislos verfolgt wird. Doch sein zukünftiger Nachfolger Walter Rainer (Rudolf Prack), der gerade erst die Stelle angetreten hat, erwischt den Wilderer beinahe auf frischer Tat. Als er bei der Verfolgung an den Gutshof gelangt, wird er brüsk zurückgewiesen, angesichts der Unterstellung, es könnte sich bei dem Wilderer Jemand aus dem ehrwürdigen Hause handeln. Zudem begegnet der junge Förster noch Tochter Helga, für die er sich schnell begeistert, weshalb er unverrichteter Dinge wieder davon geht.

Von der Tochter zur Rede gestellt, gesteht ihr Vater, nur beim Jagen glücklich sein zu können, da er dann wieder das Gefühl der Heimatverbundenheit in Erinnerung an die eigenen Wälder empfinden kann. Auch wenn Helga ihm das Gewehr abnimmt und er versprechen muss, es nie wieder zu tun, steht außer Zweifel, dass Niemand im Publikum ihn deshalb verurteilt haben wird, obwohl es sich bei den Lüdersens um Mitglieder einer privilegierten Klasse handelte, die nur wenig mit den Problemen gemein hatte, die der Durchschnittsbürger damals bewältigen musste.

Die Stimme des Volkes spricht dagegen durch die drei Landstreicher Hannes (Hans Richter), Nachtigall (Kurt Reimann) und Tünnes (Ludwig Schmitz), die im Film die heimliche Hauptrolle einnehmen und nicht ohne Grund in gleicher oder ähnlicher Formation in anderen Filmen erneut antraten. Dank ihrer respektlosen Art, die das Geschehen teilweise auch ironisch kommentiert, verzeiht man die Romantisierung des Landstreichertums. In Anspielungen weisen die Drei mehrfach auf gesellschaftliche Probleme hin (zum Beispiel die schwierige Arbeitssituation), um sofort wieder einen Witz darüber zu machen. Die Akzeptanz, die sie bei der bürgerlichen Gesellschaft genießen, ist unrealistisch, aber da sie für die besten musikalischen Einlagen zuständig sind (bei dem Sänger Kurt Fröhlich handelte es sich um einen bekannten Opern-Tenor) entsteht für das Publikum ein Gleichgewicht zwischen der ärmlichen Grundsituation und der gleichzeitigen Meinungshoheit. Als die Drei Lüdersen helfen, dessen Gewehr in Sicherheit bringen und selbstverständlich kein Wort darüber verraten, ist das positive Urteil über den vertriebenen Landadeligen schon gesprochen.

Dagegen entwickelt sich die eigentliche Story über die langsam entstehenden Gefühle zwischen Helga und dem Förster linear und überraschungsarm und ist als reines Starvehikel für die damals seit Hans Deppes erstem Heimatfilm-Erfolg nach dem Krieg "Schwarzwaldmädel" (1950) sehr populären Sonja Ziemann und Rudolf Prack zu verstehen. Letztlich erweist sich diese Einfachheit als vorteilhaft für den Film, der vor allem von den vielen kleinen musikalischen und humorigen Einlagen und der optisch sehr schön in Szene gesetzten Lüneburger Heide lebt. Das ein Zirkusmitarbeiter, der dazu keinen gültigen deutschen Pass besitzt, am Ende als Bösewicht herhalten muss, verdeutlicht nur die allgemein verbreitete sehr konservative Stimmung, die auch in der unverhohlenen Haltung verborgen ist, die vom Wiedererhalt der ehemals deutschen Ostgebiete ausgeht. Das gemeinsame Singen des "Riesengebirge"-Liedes war sicherlich ein Höhepunkt des Films.

Aus heutiger Sicht verfügt der Film über viele veraltete, teils reaktionäre Elemente, deren Bedeutung inzwischen entweder überholt oder deren Attraktivität kaum noch vorhanden ist. Nur schwer vorwerfen kann man dem Film, dass er mit seiner Idealisierung des Landlebens, den Betrachter von seinem tristen Alltag ablenken wollte, denn letztlich haben populäre Filme auch heute keine andere Aufgabe. Unter diesem Gesichtspunkt ist "Grün ist die Heide" sehr gelungen, denn selten gelang eine ausgewogenere Mischung aus Starverehrung, dramatischer Geschichte, ironischem Witz und musikalischen Einlagen im deutschen Heimatfilm.

"Grün ist die Heide" Deutschland 1951, Regie: Hans Deppe, Drehbuch: Bobby E. Lüthge, Hermann LönsDarsteller : Sonja Ziemann, Rudolf Prack, Maria Holst, Willy Fritsch, Oskar Sima, Otto Gebühr, Hans Richter, Laufzeit : 87 Minuten

weitere im Blog besprochene Filme von Hans Deppe:

"Schloss Hubertus" (1934)


Thematisch weiterführender Link:

"Vom Bergdrama zur Sexklamotte - der Heimatfilm im Zeitkontext" (Grundlagen des Heimatfilm Genres)

2 Kommentare:

  1. "Aus heutiger Sicht verfügt der Film über viele veraltete, teils reaktionäre Elemente, deren Bedeutung inzwischen entweder überholt oder deren Attraktivität kaum noch vorhanden ist."

    Diese Erhabenheit ist zum Kotzen - als ob die heutige Zeit die Endstufe der Entwicklung und das Maß aller Dinge bilden. Die heutige Zeit ist um keinen Deut besser als die damalige - ganz im Gegenteil: über die krankhaften Auswüchse und das mit degeneriert noch zu milde beschriebene Dasein der heutigen Zeit werden zukünftige Kritiker wohl kaum etwas positives finden können.
    Was sollte es in der heutigen Zeit auch schon positives zu erwähnen geben...

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  2. Ich habe nichts dagegen, wenn man mich ein bisschen härter anpackt, auch wenn ich das weniger anonym sympathischer fände. Nur ist mir ihre Kritik zu sehr an diesem einen Beispiel festgemacht. Den Text habe ich schon vor Jahren geschrieben, als ich erst begann, mich intensiv in das Genre einzuarbeiten. Der Film gehört seit meiner Jugend zu meinen Lieblingen und es ist kein Zufall, dass ich nach ihm meinen Blog benannte. Von Erhabenheit kann aus meiner Sicht keine Rede sein.

    Ich finde ihren bewertenden Vergleich zur heutigen Zeit unangemessen. Ich spreche in dem Satz ausdrücklich nur die generelle heutige Sicht auf die damals zeitgemäßen Elemente an - ich behaupte nicht, dass Jeder das so empfindet. Ich bin nicht Ihrer Meinung, dass die heutige Zeit krankhaft und degeneriert ist - ich selbst bin ja Teil dieser Zeit - glaube aber auch nicht, dass sie besser oder schlechter ist. Solche Vergleich führen immer in einen Absolutheitsanspruch und damit in eine ideologische Ecke, aus dem ich den Heimatfilm gerade herausholen möchte - das bedeutet aber nicht, dass ich ihn gleichzeitig idealisiere.

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