Inhalt: Nachdem
sich Hans-Joachim Marseille (Joachim Hansen) 1938 freiwillig bei der Luftwaffe
gemeldet hatte, wurde zwar sein fliegerisches Talent offensichtlich, hatte ihn
aber nur das Eingreifen seines besten Freundes Robert Franke (Hansjörg Felmy)
vor dem Rauswurf bewahrt, da er zu eigensinnig und unmilitärisch agierte. Die
Fliegerei ist für Marseille ein großer Spaß, weshalb ihn die Nachricht vom
Kriegsbeginn genauso überrascht wie seine Kameraden, darunter neben Robert noch
Albin Droste (Horst Frank) und Answald Sommer (Peer Schmidt).
Bei einem der
ersten Einsätze am Atlantik wird Robert abgeschossen, der nur mit Glück
überlebt, nachdem er eine Nacht auf dem Meer verbracht hatte. Erstmals spürt
Marseille die Gefahr, die ihre Flüge begleitet, aber nachdem sie nach Afrika
versetzt wurden, beginnt sein unaufhaltsamer Aufstieg als Kampfflieger. Gegen
die zahlenmäßig überlegenen britischen Flugzeugstaffeln schert er aus dem
Flieger-Pulk aus und greift sie individuell an. Das widerspricht militärischen
Gepflogenheiten, aber seine Abschusszahlen geben ihm Recht, die ständig neue
Rekordhöhen erklimmen…
Einen Film
über den von der NS-Propaganda in den ersten Kriegsjahren hochgejubelten
Kampfflieger Hans-Joachim - genannt "Jochen" - Marseille in die Hände
des Regisseurs Alfred Weidenmann und des Drehbuchautors Herbert Reinecker zu
legen, scheint jedes Klischee an einen 50er Jahre Kriegsfilm zu erfüllen, der
keine kritische Auseinandersetzung mit der nationalsozialistischen Diktatur
suchte, sondern die Heroisierung des tapferen Wehrmachtssoldaten beabsichtigte,
der nur seine Pflicht tat. Weidenmann, Jahrgang 1918, drehte schon als junger
Mann Reportage-Filme für die Hitlerjugend, nachdem er als Presse- und
Propaganda-Referent der HJ mehrere Bücher verfasst und herausgegeben hatte.
1944 erschien sein Propaganda-Film "Junge Adler", zu dem Reinecker
ebenfalls das Drehbuch schrieb und in dem mit Dietmar Schönherr, Hardy Krüger
und Gunnar Möller drei später renommierte Darsteller ihr Debut gaben - eine
weitere Parallele zu "Der Stern für Afrika", der für Joachim Hansen,
Hansjörg Felmy und Horst Frank zum Beginn ihrer erfolgreichen Karrieren wurde.
Auch in
"Canaris" (1954) hatte sich Alfred Weidenmann schon mit einer realen
Figur der jüngeren Geschichte befasst, aber "Der Stern von Afrika"
bedeutete eine Zäsur im deutschen Kriegsfilm-Genre, denn erstmals wurden wieder
ausführliche Kampfhandlungen gezeigt. Nachdem es 1956 zu einem Jahr ohne
Kriegsfilme im deutschen Kino gekommen war, bereitete die Wiedereinführung
einer deutschen Armee - die ersten Wehrpflichtigen wurden Anfang 1957
eingezogen - den Weg zu einer konkreteren Darstellung des deutschen
Soldatentums. Dazu bot sich Hans-Joachim Marseille als ideale
Identifikationsfigur an, denn Abschusszahlen von allein kämpfenden Piloten
ließen sich leichter vermarkten und darstellen als Ergebnisse komplexer
militärischer Aktionen, weshalb sich auch die Nationalsozialisten seiner
Popularität bedient hatten. Entsprechend wird in „Der Stern von Afrika“ nur so
mit Zahlen um sich geschmissen, wenn gut aussehende junge Offiziere ihren
„Jochen“ angesichts ständiger neuer Rekorde hochleben lassen, als ging es um
eine 100m-Bestzeit und nicht um den Tod von Menschen.
Zudem
entwickelte der Film um die Kameraden „Jochen“ Marseille (Joachim Hansen),
dessen besten Freund Robert Franke (Hansjörg Felmy), den etwas widerborstigen
Albin Droste (Horst Frank) und den Witzbold Answald Sommer (Peer Schmidt) eine
lockere, meist gut gelaunt agierende Männertruppe, die sich weder besonders
militärisch gibt, noch Berührungspunkte mit den Nationalsozialisten und deren
Ideologie zu haben scheint. Wie in dem kurz darauf entstandenen Kriegsfilm
„Haie und kleine Fische“ (1957) vermitteln auch hier Aufnahmen von sich bei
einem Segeltörn vergnügenden jungen Menschen zuerst das Bild eines friedlichen
Lebens, über das plötzlich ein schrecklicher Krieg hereinbricht, der die Jugend
Deutschlands zerstören sollte – eine Botschaft, die Weidenmanns Film noch
mehrfach wiederholt, auch aus den Worten eines alten Franzosen (Erich Ponto), nachdem
er mit Marseille in Paris eine Partie Billard spielte. Dass die jungen
Offiziere Paris besuchen konnten, weil Frankreich von Deutschland besetzt
wurde, das als Aggressor für den Ausbruch des Krieges erst verantwortlich war,
wird ebenso wenig erwähnt, wie Zusammenhänge zu den Aktionen des Afrika-Corps
hergestellt werden, zu dem die jungen Flieger nach ihrem ersten Einsatz am Atlantik versetzt werden.
Ihr Zelt-Lager
im afrikanischen Wüstensand erinnert mehr an eine Abenteuer-Expedition, bei der
ausführlich gefeiert (mit Roberto Blanco in seiner ersten Rolle als
Stimmungskanone, selbstverständlich frei von rassistischen Ressentiments) und viel
geflogen wird, was Weidenmann die Gelegenheit gab, schicke Bilder von schnell
startenden und landenden Messerschmidt-Jagdflugzeugen, sowie erfolgreiche
Luftkämpfe aus der Ego-Shooter-Perspektive zu zeigen. Weidenmann gelang es
sogar, Marseilles Besuch in seiner Heimatstadt Berlin, wo ihm nach seinem
100. Abschuss höchste militärische Ehren zuteil wurden - ein von der NSDAP
propagandistisch genutzter Vorgang - ohne die geringsten Verweise auf die herrschende
Diktatur darzustellen. Weder Hitlergruß, noch SS-Uniformen sind in „Der Stern
von Afrika“ zu sehen, nicht einmal die typischen patriotischen und selbst
beweihräuchernden Redewendungen sind zu hören. Im Gegenteil lässt Marseille
erkennen, dass ihm die gesamten Ehrenbekundungen eher unangenehm sind, und der
Film zeigt ihn einzig bei einer Rede in seiner ehemaligen Schule, in der er
nicht von seinen Taten, sondern von seinen Kameraden erzählt. Dabei erwähnt er
vor den aufmerksam zuhörenden Schülern auch den fröhlichen Answald Sommer, um
sich kurz darauf selbst zu berichtigen, dass dieser jetzt tot wäre – viel
unrealistischer und beschönigender hätten Weidenmann und Reinecker diese Situation nicht
inszenieren können.
Mit dieser idealisierten,
die eigene Verantwortung verharmlosenden Charakterisierung, entsprach
Weidenmann der Haltung eines Großteils der ehemaligen Wehrmachtssoldaten, die
sich Mitte der 50er Jahre als Opfer betrachteten. Mehrfach thematisierte er in
„Der Stern von Afrika“ auch die Frage nach dem Sinn ihres Handelns. Als
Marseille, Selbstzweifel äußernd, seinem Vorgesetzten diese Frage stellt,
deutet dieser an, dass der persönliche Einsatz für eine Sache über dem System
steht – eine Aussage, die Vielen aus dem Herzen gesprochen haben dürfte,
weshalb der Film an der Kinokasse sehr erfolgreich war, obwohl die
zeitgenössische Kritik nicht nur die wenig realistische Darstellung des
Kampffliegers bemängelte, sondern auch einen Propagandacharakter erkannte, der
an die hintergründig beeinflussenden Filme der NS-Zeit erinnerte. Einerseits
zurecht, denn mit einer Aufarbeitung historischer Fakten hat „Der Stern von
Afrika“ nichts gemeinsam - die tatsächliche Rolle der Wehrmacht wurde
bekanntlich erst Jahrzehnte später dokumentiert - andererseits verwendete
Weidenmann die selben filmischen Mittel, um die Tragik des Geschehens nicht
weniger deutlich herauszuarbeiten.
Der zuerst
locker abenteuerliche Charakter des Films wandelt sich zunehmend in Richtung
eines Melodramas. Mit dem Auftreten von Brigitte (Marianne Koch), die als
Lehrerein Marseilles Rede vor den Schülern mit anhörte, beginnt eine tragische
Liebesgeschichte, die die militärischen Aktionen in den Hintergrund drängt.
Sowohl Brigittes Bitte an ihren Geliebten, zu desertieren, der Marseille keineswegs
vehement widerspricht, als auch ihre körperliche Liebe in Italien als
unverheiratetes junges Paar, sind reine Fantasie, aber diese Szenen verfehlen
ihre Wirkung nicht. Es mag eine unrealistische Idealisierung des echten
Hans-Joachim Marseille sein, aber der Protagonist in Weidenmanns Film will
weder weiter kämpfen, noch irgendwelche Orden erringen, sondern mit seiner
Brigitte ein glückliches Leben führen. Dass er doch wieder zu seiner Einheit
zurückkehrt, ist dem plötzlichen Auftreten seines besten Freundes Robert zu
verdanken, der ihn mit gemessenen Worten an seine Verantwortung erinnert, eine
erneute Rechtfertigung der Wehrmachtssoldaten.
Der Vorwurf
einer verharmlosend bis verlogenen Darstellung der historischen Ereignisse ist
gerechtfertigt, sollte aber im Zusammenhang mit dem Zeitgeist Mitte der 50er
Jahre betrachtet werden. Die inszenatorischen Mittel, die den
Film weniger als Biographie, denn als reinen Unterhaltungsfilm ausweisen,
wendete Weidenmann gleichwertig an, So attraktiv „Der Stern von Afrika“ vom
Kameradschaftsleben im afrikanischen Wüstensand erzählt – dabei historische
Fakten auf ein Minimum reduzierend – so bewegend gelingt die Liebesgeschichte
zwischen Brigitte und Hans-Joachim, deren Ende weder Hurra-Patriotismus, noch Soldatenherrlichkeit
vermittelt. Der Tod des 23jährigen Mannes wird von Weidenmann als sinnloses
Opfer inszeniert und das letzte eindrucksvolle Bild gilt der jungen Frau, wie
sie weinend auf ihrem Pult zusammenbricht, während der Knabenchor verstummt.
"Der Stern von Afrika" Deutschland 1957, Regie: Alfred Weidenmann, Drehbuch: Herbert Reinecker, Udo Wolter, Darsteller : Joachim Hansen, Marianne Koch, Hansjörg Felmy, Horst Frank, Peer Schmidt, Siegfried Schürenberg, Laufzeit : 99 Minuten
weitere im Blog besprochene Filme von Alfred Weidenmann:
"Junge Adler" (1944)
"Weg in die Freiheit" (1952)
weitere im Blog besprochene Filme von Alfred Weidenmann:
"Junge Adler" (1944)
"Weg in die Freiheit" (1952)
"An heiligen Wassern" (1960)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen