Freitag, 30. August 2013

Sissi (1955) Ernst Marischka

Inhalt: Die 16jährige bayerische Prinzessin Elisabeth, genannt „Sissi“ (Romy Schneider), führt ein freies Leben im Haus ihres Vaters, des Herzogs Max (Gustav Knuth), mit dem sie am liebsten viel Zeit in der Natur verbringt. Für eine Rolle am Hof wurde ihre ältere Schwester Helene (Uta Franz) erzogen, die sich ganz ihrer strengen Mutter Ludovika (Magda Schneider) unterordnete. Als diese die Nachricht vom Wiener Hof erreicht, dass ihre Schwester Erzherzogin Sophie (Vilma Degischer) die Vermählung ihres Sohnes, Kaisers Franz Joseph (Karlheinz Böhm), mit ihrer Tochter Helene wünscht, sieht sie sich am Ziel ihrer Wünsche.

Kurzfristig planen sie ein Treffen in Bad Ischl, um die Verlobung von Franz Joseph mit Helene bekannt zu geben. Um es wie einen normalen Ausflug aussehen zu lassen, nehmen sie Sissi mit, die sich zuerst darüber freut, dann aber feststellen muss, dass sie in ihrem Hotelzimmer bleiben muss. Doch sie lässt sich nicht einsperren, klettert aus dem Fenster und besorgt sich eine Angel, mit der sie sich zu dem nahe gelegenen Fluss begibt. Statt eines Fisches verfängt sich die Kutsche des Kaisers in der Angelschnur, die sich kurz vor der Ankunft in Bad Ischl befand. Gegen den Rat des Majors (Josef Meinrad) seiner Wache steigt Franz Joseph zu der hübschen junger Frau aus und bittet sie um ein gemeinsames Treffen bei der Jagd, wohin er sich ohne seinen Hofstaat begeben kann…


"Sissi" ist seit Jahrzehnten ein Phänomen im deutschsprachigen Kino. Einerseits gibt es nur wenige Filme dieser Zeit, die heute noch ähnlich bekannt sind, andererseits spaltet er die Haltung des Publikums in klare Pro- und Contra-Lager, als behandele "Sissi" Themen von gesellschaftlicher Brisanz. Nicht einmal eine eindeutige Genre-Zuordnung lässt sich feststellen, da sich Ernst Marischkas Film zwar an historischen Ereignissen orientierte, gleichzeitig aber auf die Mitte der 50er Jahre populären Insignien des Heimatfilms setzte mit einer romantischen Liebesgeschichte inmitten einer idyllischen Landschaft. Stoffe, die innerhalb einer adeligen Gesellschaft spielten, waren generell populär im Unterhaltungsfilm – Regisseur Marischka selbst hatte ein Jahr zuvor Romy Schneider in „Mädchenjahre einer Königin“ als junge Königin Victoria von England besetzt - aber die Geschichte der schönen bayerischen Prinzessin Elisabeth, die zur österreichischen Kaiserin aufstieg, ging weit darüber hinaus und hatte die Gemüter seit der damaligen Inthronisierung von "Sissi" ununterbrochen bewegt.

Schon 1932 hatte Regisseur und Drehbuchautor Ernst Marischka das Theaterstück "Sissis Brautfahrt" - von Fritz Kreisler vertont - in Wien auf die Bühne gebracht, eine Hollywood-Verfilmung unter dem Titel "The King steps out" (1936) folgte nur wenig später. Deshalb war Marischka gezwungen die Rechte für einen "Sissi" - Film neu zu erwerben, weshalb er auf den Roman von Marie Blank-Eimann über die Jugendjahre der späteren Kaiserin zurückgriff, der 1933 erstmals als Fortsetzungsroman erschienen war, auf dessen Basis er sein Drehbuch umschrieb. Jede der Publikationen über das Leben von "Sissi" war von Erfolg gekrönt, aber der "Sissi"- Hype, den Marischka Mitte der 50er Jahre auslöste, stellte alle bisherigen Ergebnisse in den Schatten. Nicht nur die zwei Fortsetzungen, die an der Kinokasse für Rekorde sorgten, sind beredte Zeugen der hohen Nachfrage nach weiteren "Sissi"-Geschichten, sondern auch der maßgebliche Einfluss auf das Leben der Hauptdarstellerin Romy Schneider in der Titelrolle - nicht zuletzt der Grund für die bis heute anhaltende Popularität des Films.

Auf Grund dieser äußeren Umstände, existieren nur wenige objektive Auseinandersetzungen mit dem Film, der je nach persönlicher Vorliebe als klischeehafte, kitschige Unterhaltung im Heimatfilm-Stil oder als romantischer Liebesfilm, getragen von einer berührenden Romy Schneider, betrachtet wird. Tatsächlich stimmen beide Betrachtungsweisen gleichzeitig, was den Erfolg des Films ausmachte. Die erste Hälfte von "Sissi" ist reinstes Heimatfilmkino mit zwei Protagonisten, die in Liebe füreinander entflammen, obwohl die Gesellschaft gegen diese Verbindung ist - eines der klassischen Motive des Genres. Obwohl Franz Joseph (Karlheinz Böhm) schon als Kaiser die KuK - Monarchie regiert, ist es seine Mutter, Erzherzogin Sophie (Vilma Degischer), die über sein Liebesleben bestimmt und ihn mit Prinzessin Helene (Uta Franz), der Tochter ihrer Schwester Herzogin Ludovika (Magda Schneider), verheiraten will.

Dass dieser Plan durchkreuzt wird, entspringt einer ebenso für das Genre typischen Story-Konstruktion. Anstatt die 16jährige Prinzessin Elisabeth (Romy Schneider) bei ihrem sympathischen Vater Max zu lassen - eine Paraderolle für Gustav Knuth als wenig elitär auftretender Kumpeltyp, der als Gegenentwurf zu den gestrengen Frauen seiner Generation die tradierten Geschlechterrollen bestätigte - wird sie von ihrer Mutter zwar nach Bad Ischl zum Treffpunkt mit der Kaiserfamilie mitgenommen, dort aber unter Verschluss gehalten, da sie als Repräsentantin nicht ernst genommen wird. Ergänzt wird diese Haltung noch von der komödiantischen Rolle eines übertrieben lächerlich agierenden Wachoffiziers (Josef Meinrad), der für die Sicherheit des Kaisers zuständig ist, letztlich aber nur den Grad der Fehleinschätzung von Sissi erhöhen soll, die selbstverständlich ausreißt und zufällig auf den jungen Franz-Joseph trifft. Diese ideale Fügung einer unvoreingenommenen ersten Begegnung führt Genre gerecht zu sofortiger inniger Liebe, die sich in einer weiteren heimlichen Verabredung manifestiert.

Konstellationen dieser Art sind häufig im Heimatfilm anzutreffen, aber selten verfügten sie über ähnlich überzeugende Protagonisten. Es ist weniger ihre Attraktivität und ihr natürliches Spiel, als die Authentizität ihrer kurzen Auflehnung gegen das Establishment, die eine bleibende Wirkung hinterlässt. Paare, die entgegen den Vorstellungen ihrer Umgebung zusammen kamen, waren im Heimatfilm keine Seltenheit, aber sie stellten die traditionelle Ordnung damit selten in Frage - die Gegengründe für ihre Verbindung lagen meist in ungerechtfertigten Vorurteilen oder lang anhaltenden Fehden ihrer Familien. Romy Schneider und Karlheinz Böhm waren zudem keine typischen Genre-Darsteller, von denen viele nach dem Ende der Heimatfilm-Ära wieder aus dem Kino verschwanden, sondern ihr weiterer Lebensweg bewies eine Individualität, die ihnen schon in "Sissi" anzumerken ist.

Ihrer Liebesgeschichte kommt es entgegen, dass sich der Film in seiner zweiten Hälfte Richtung Historiendrama neigt. Ihre Verbindung ist zwar ein Affront für die beiden Mütter, sowie eine Zurückweisung von Helene, aber der junge Kaiser kann sich damit als Autorität profilieren, der seine Haltung durchzusetzen in der Lage ist. Auch Sissi wird zunehmend gezwungen, ihren jugendlichen Überschwang zurückzunehmen und sich mit ihrer zukünftigen Rolle der höchsten Frau im Staat auseinanderzusetzen. Der Vorteil dieser Konstellation liegt darin, dass Marischka auf die typische, häufig sehr konstruiert wirkende Dramatisierung am Ende eines Heimatfilms verzichten konnte, da allein schon die gestrengen Regeln am Wiener Hof, denen sich Sissi unterordnen muss, genug Dramatik vermittelten. Die letzten Minuten des Films sind entsprechend eine Konzession an das Publikum, denn die Pracht der Inszenierung der Hochzeit von Franz und Sissi täuscht über die schwere Last hinweg, die in Zukunft auf sie wartet.

Kritikpunkte zu "Sissi" lassen sich genügend finden - der historische Hintergrund kam über die Funktion eines äußeren Rahmens nicht hinaus, vor dem Marischka eine typische Heimatfilmstory entwickelte, die alle vertrauten Klischees bediente, weshalb sich auch Romy Schneider und Karlheinz Böhm später von dem Film distanzierten. Genre immanent betrachtet, lässt sich eine überdurchschnittliche Umsetzung konstatieren, weshalb der anhaltende Erfolg des Films kein Zufall ist. Getragen von einer sehr guten Besetzung, entwickelte „Sissi“ eine abwechslungsreiche, stimmige Story, die erst in den letzten Minuten ihren ausgewogenen Rhythmus verliert, als sich der Film nur noch den Massenszenen der Hochzeit unterordnet.

"Sissi" Österreich 1955, Regie: Ernst Marischka, Drehbuch: Ernst Marischka, Darsteller : Romy Schneider, Karlheinz Böhm, Magda Schneider, Gustav Knuth, Josef Meinrad, Vilma Degischer, Uta FranzLaufzeit : 98 Minuten 

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