Inhalt:
Seit ihrer gemeinsamen Zeit als Kampfflieger im 2.Weltkrieg sind Peter (Rudolf
Prack) und Karl (Victor Staal) unzertrennliche Freunde. Da sie nichts anderes
gelernt haben, als mit Fliegerbomben umzugehen, arbeiten sie als Sprengmeister
und entschärfen die vielen nicht explodierten Bomben, die täglich bei Bau- und
Aufräumarbeiten gefunden werden. Ein so gefährlicher, wie gut bezahlter Job,
weshalb Peter meist Ablenkung bei Glücksspiel und Alkohol sucht und davon
träumt, dass sie irgendwann wieder fliegen dürfen.
Sein Freund
Karl möchte dagegen endlich seine langjährige Verlobte Helga (Margot Trooger)
heiraten, die in seinem in der Lüneburger Heide gelegenen Heimatort lebt.
Gemeinsam haben sie sich ein paar Tage frei genommen, um Karls Mutter (Margarete
Haagen) zu besuchen, aber auch damit Peter endlich die Verlobte seines Freundes
kennenlernt – eine Begegnung, die Alles verändern wird…
Paul Martin
war ein aus Österreich-Ungarn stammender Regisseur, der gleich zu Beginn seiner
Film-Karriere an zwei Klassikern des frühen deutschen Tonfilms mitwirkte - bei
"Bomben auf Monte Carlo" (1931) mit Hans Albers und Heinz Rühmann,
sowie "Der Kongress tanzt" (1931) mit Willy Fritsch und Lilian
Harvey. Mit der damals sehr populären Harvey verbanden Martin bald mehr als nur
kollegiale Gefühle, weshalb es nicht überrascht, dass er in einem ihrer
nächsten Filme "Ein blonder
Traum" (1932) erstmals für die Regie verantwortlich war. Bis zu ihrer
Trennung 1938 arbeitete er fast ausschließlich mit Lilian Harvey zusammen, mit
der er 1936 mit "Glückskinder" einen weiteren großen Erfolg feierte.
Paul Martin inszenierte vor allem leichte Komödien und Musikfilme (unter
anderen mit Zarah Leander "Das Lied der Wüste" (1939)), eine
Vorliebe, die er auch nach dem Krieg mit Filmen wie "Du bist
Musik"(1956) mit Catarina Valente oder "Graf Bobby, der Schrecken des
Wilden Westens" (1966) mit Peter Alexander fortsetzte.
Obwohl er
bei 63 Produktionen Regie führte, ist Paul Martin inzwischen in Vergessenheit
geraten, was folgerichtig noch mehr für einen seiner wenigen dramatischen Filme
gilt, den er in der Nachkriegszeit drehte. Zudem kam der Schwarz-Weiß-Film mit
dem klingenden Namen "Wenn abends die Heide träumt" in die Kinos, der
sich damit namentlich an den erfolgreichen Heimatfilm "Grün ist die Heide" (1951) anhängte, womit er ein Stigma erhielt, dass er nicht mehr
ablegen konnte. Selbst die bisher einzige Video-Veröffentlichung des Films in
den 80er Jahren weist ihn als reinen "Heimatfilm" aus, obwohl er nur
wenige der Genre-Kriterien erfüllte. Schon das der Film in Schwarz-Weiß gedreht
wurde, widerspricht dem Versprechen einer "träumenden Heide", die nur
als schemenhafter Hintergrund erkennbar wird. Zwar gibt es mit dem
Bürgermeister-Ehepaar Knauer (Albert Florath und Fita Benkhoff) auch zwei
komische Figuren, aber auf die üblichen folkloristischen Einlagen verzichtete
der Film fast vollständig. Sogar Beppo Brem ist hier in einer seiner wenigen
ernsten Rolle zu sehen, auch wenn sein bayrisches Gemüt ständig mit ihm
durchgeht.
Neben dem
Hintergrund der Lüneburger Heide weist "Wenn abends die Heide träumt"
noch eine weitere wichtige Parallele zu "Grün ist die Heide" auf,
denn Rudolf Prack, einer der großen Stars des deutschen Nachkriegskinos,
spielte auch hier die männliche Hauptrolle. Doch damit enden die
Gemeinsamkeiten, denn Prack verkörperte keinen Förster ("Grün ist die Heide") oder Künstler ("Schwarzwaldmädel" (1950)), sondern den
Sprengmeister Peter Gelius, der sein Geld mit dem Entschärfen von so genannten
"Blindgängern" - nicht explodierten Fliegerbomben - verdient. Zudem
stand ihm mit Victor Staal als seinem besten Freund und Kollegen Karl Odewig
ein populärer männlicher Darsteller zur Seite, der ein emotionales
Gleichgewicht zu Prack herstellte, womit die üblichen eindeutigen Identifikationen
vermieden wurden und Martin, der auch für das Drehbuch verantwortlich war, Mut
zur Komplexität bewies.
Allein die
ausführliche Schilderung der Bombenentschärfungen inmitten der Ruinen,
begleitet von Polizeiabsperrungen, Evakuierungen und Sirenen-Alarm,
widersprachen in ihrer an den Krieg erinnernden Realität den Heimatfilm-Regeln
und verfügen heute noch über einen erstaunlich authentischen Charakter, wie er
im deutschen Nachkriegsfilm selten zu sehen war. Die damit verbundenen Gefahren
wirken zwar herunter gespielt, wenn Karl Odewig (Victor Staal) und Peter Gelius
(Rudolf Prack), lässig mit Zigarette im Mundwinkel an den Zündern hantieren,
aber die Todesgefahr bleibt trotz des vorherrschenden Galgenhumors gegenwärtig.
Besonders Prack kann hier einmal gegen sein sonstiges Saubermann-Image
anspielen, hat immer einen Flachmann dabei und vertreibt sich seine Zeit am
liebsten beim Glücksspiel. Er macht auch kein Geheimnis daraus, dass er die
gefährliche Arbeit wegen der guten Bezahlung nur ungern aufgeben möchte.
Genau darum
bittet ihn Karls Mutter (Margarete Haagen), die finanziell dazu beitragen
möchte, dass sich die beiden Männer mit einer Tankstelle und KFZ-Werkstatt
selbstständig machen können, um nicht weiter ihr Leben riskieren zu müssen. Für
Karl wäre das eine wichtige Entscheidung, da er bald heiraten möchte, aber
seiner Mutter ist bewusst, dass er diese nur gemeinsam mit seinem Freund
treffen wird. Doch da ist noch Helga (Margot Trooger), Karls Verlobte, der
Peter Gelius das erste Mal begegnet, wodurch sich die bisherigen
Beziehungsebenen verschieben. Margot Trooger hatte zwar in ihrem ersten Film
"Lockende Sterne" (1952) schon einmal an der Seite Pracks gespielt,
aber nach "Wenn abends die Heide träumt" wurde sie in keinem der
typischen Unterhaltungsfilme der 50er Jahre mehr besetzt. An Schönheit konnte
sie es problemlos mit Sonja Ziemann und Co. aufnehmen, aber ihr Typus war zu
individuell - nicht ohne Grund ist sie heute vor allem durch ihre Rolle als
Fräulein Prysselius in "Pippi Langstrumpf" (1969) bekannt - was dem
Film sehr zu Gute kam.
Es ist
zudem nur schwer vorstellbar, dass Sonja Ziemann, die mit Prack das damalige
Filmtraumpaar verkörperte, die Rolle der Helga gespielt hätte, die gegen die
damaligen moralischen Anstandsregeln verstieß. Nicht nur, dass sie sich als
Verlobte von Karl in dessen besten Freund verliebt, sie verbringt auch eine
Nacht mit ihm. Die daraus folgenden Konsequenzen beschreiten nie den verlogenen
Weg, wie er im deutschen Film dieser Zeit üblich war. Als Helga die Verlobung
mit Karl konsequenterweise lösen will, relativieren sowohl ihre Mutter, als
auch ihre zukünftige Schwiegermutter ihr Verhalten als normal und undramatisch
- Moralpredigten gibt es hier keine. Selbst Karl, dem sie beichtet, dass sie
mit einem anderen Mann zusammen war, reagiert zwar traurig, aber keineswegs
vorwurfsvoll. Allerdings ahnt noch Niemand, dass es sich bei ihrem Geliebten um
Peter handelt, der für alle unerklärlich plötzlich nach Argentinien auswandern
will. Nur Helga hatte er zuvor deutlich gemacht, dass er seinem Freund auf
keinen Fall die Frau wegnehmen will.
Das Lexikon
des internationalen Films schrieb: „Ein
seichter Unterhaltungsfilm um Liebe, Freundschaft und Berufsethos, der eine
Vertiefung seiner Problematik erfolgreich vermeidet“ - ein Kritikpunkt, der
auch auf die meisten heutigen Filme zuträfe, hier aber - im Zeitkontext
betrachtet - nicht gerechtfertigt ist. Der von Paul Martin geschickt aufgebaute
Konflikt ließe sich auch durch eine tiefer gehende Betrachtung nicht lösen,
denn der frühere Zustand kann nicht wieder hergestellt werden - ein Bruch
zwischen den alten Freunden wäre unvermeidbar. In oberflächlichen Dramen oder
Komödien wird meist eine neue Partnerin für den zuvor Geschmähten aus dem Hut
gezaubert, als ob das den Vertrauensverlust ungeschehen macht, aber
Martin konzentriert sich hier ganz auf die Männerbeziehung, die er am Ende
publikumswirksam idealisiert, um die Konsequenz einer harten Entscheidung zu
vermeiden.
Diese
Konzession an das Publikum lässt nicht übersehen, dass "Wenn abends die
Heide träumt" der Realität sehr viel näher kam, als es im deutschen
Unterhaltungsfilm der 50er Jahre üblich war. Auch wenn über die Diktatur kein
Wort verloren wird, ist der Krieg hier noch gegenwärtig. Die Bombenentschärfer bei
ihrer Arbeit und die Bilder grauer Städte, die von der Polizei evakuiert
werden, um die Bomben vorsichtig über menschenleere Straßen transportieren zu
können, prägen sich ebenso ein, wie Menschen, die nicht nach den Anstandsregeln
leben, die gerade im Heimatfilm der 50er Jahre propagiert wurden. "Wenn
abends die Heide träumt" erzählte eine Geschichte aus Deutschland und
verstand sich als Unterhaltungsfilm, aber er vermittelte auch eine Ahnung vom
wirklichen Leben in dieser Zeit. Nicht erstaunlich, dass er heute nahezu unbekannt ist - im Gegensatz zu dem deutlich schwächeren, aber viel erfolgreicheren "echten" Heimatfilm "Am Brunnen vor dem Tore" , der im selben Jahr herauskam.
"Wenn abends die Heide träumt" Deutschland 1952, Regie: Paul Martin, Drehbuch: Paul Martin, Juliane Kay, Tibor Yost, Darsteller : Rudolf Prack, Victor Staal, Margot Trooger, Margarete Haagen, Fita Benkhoff, Beppo Brem, Albert Florath, Laufzeit : 98 Minuten
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