Inhalt: Während
die Männer des Ortes im Wirtshaus sitzen und darüber diskutieren, dass es zu
gefährlich ist, sich zum Nest des Lämmergeiers abzuseilen, um dessen Nachwuchs
zu stehlen, befindet sich Wally Fender (Heidemarie Hatheyer) schon in der
Felswand und greift sich das Junge. Doch dessen Mutter ist nicht weit und
beginnt, Wally zu attackieren, die versucht, sich mit einem Messer zu wehren.
Das gelingt ihr nur schlecht, da sie noch das Junge halten muss, während sie
von den Männern wieder hoch gezogen wird. Erst ein gezielter Schuss des Jägers
Joseph Brandl (Sepp Rist) rettet sie. Wieder auf dem Plateau dankt Wally ihrem Retter, der für sie aber nur
Verachtung übrig hat, da sie sich nicht wie eine Frau verhielte - er nennt sie
spöttisch "Geierwally".
Trotzdem liebt Wally Joseph, was sie auch
ihrem Vater Alois (Eduard Köck) zu Verstehen gibt, für den der Jäger nur ein
armer Schlucker ist, der als Schwiegersohn nicht in Frage kommt. Stattdessen
plant er ihre Hochzeit mit dem Großbauern Vinzenz (Leopold Esterle), um die
beiden größten Höfe der Gegend zusammen zu bringen. Doch Wally widersetzt sich
ihrem Vater, weshalb er sie mit ihrem jungen Geier hoch auf die Alm verbannt,
wo sie monatelang bei widrigen Bedingungen, nur in Begleitung des seltsamen
Klettenmaier (Ludwig Auer), ausharren muss. Als sie wieder herunter darf, haben
sich wesentliche Dinge im Ort verändert...
Der von
Wilhelmine von Hillern 1873 geschriebene Roman "Die Geier-Wally"
entstand aus der Begeisterung über eine Frau, die eine gefährliche Männerarbeit
übernommen hatte, und ist aus einem Zeitkontext heraus zu verstehen, als einem
solchen Handeln noch etwas Sensationelles anhaftete. Gesehen hatte die Autorin
die Szene, in der sich eine junge Frau zu einem Adlerhorst abgeseilt hatte, um
weitere Angriffe auf die Schafherde ihres Dorfes zu unterbinden, auf einem
Selbstporträt der Tiroler Malerin Anna Stainer-Knittel, bei der es sich
tatsächlich um eine früh emanzipierte Frau handelte, die ihren Ehemann gegen
den Willen ihres Elternhauses wählte und bis ins hohe Alter mit ihrer
"Zeichen- und Malschule für Damen" in Innsbruck berufstätig blieb,
aber die dramatischen Ereignisse, die sie um Walburga Fender ersann - wie sie
sie in ihrem Roman nannte - entsprangen nur ihrer Fantasie.
Nicht
weniger typisch für die Entstehungszeit ist die gleichzeitige Relativierung
dieser selbstbewussten, körperlich starken und schönen weiblichen Figur, die
sich, um als Frau geliebt zu werden, letztlich einem Mann hingeben muss. Mit
dem "Bären-Joseph" - so genannt, weil der Jäger Joseph Brandl einen
gefährlichen Bären erlegte - existiert auch das entsprechende Objekt ihrer
Begierde, aber dieser verachtet Wally nicht zuletzt deshalb, weil sie sich so
eigensinnig und unweiblich verhält. Besonders mit ihrem strengen Vater, der
zwar stolz reagiert, als sie den jungen Geier aus dem Nest stiehlt, sie aber
mit dem Bauern Vinzenz Gellner aus wirtschaftlichen Erwägungen verheiraten
will, steht sie in einem ständigen Konflikt, weshalb sie von ihm auf die
Hoch-Alm verbannt wird, um bei widrigen Bedingungen zur Vernunft zu kommen -
eine Erziehungsmethode, die bei der "Geierwally" nicht funktioniert.
An dieser
Story über weiblichen Widerstandsgeist ist besonders interessant, dass sie sich
ihre Attraktivität bis heute bewahrt hat. 1892 hatte die Oper "La
Wally" von Alfredo Catalani Premiere und 1920 erschien die erste filmische
Version des Romans mit Henny Porten in der Rolle der "Geierwally".
2005 wurde der Stoff zuletzt für das deutsche Fernsehen adaptiert, nachdem
Walter Bockmayer 1988 eine Parodie herausgebracht hatte, die sich als Satire
auf den deutschen Heimatfilm verstand - ein aus heutiger Sicht verbreitetes
Missverständnis, das jeden in wilden Bergwelten spielenden Stoff automatisch
dem in den 50er Jahren populären Heimatfilm-Genre zurechnet. 1956 entstand auch
eine zeitgemäß angepasste Variante mit Barbara Rütting in der Hauptrolle, aber
die Romanvorlage verfolgte eine andere Intention. Der Hintergrund einer rauen,
teilweise menschenfeindlichen Landschaft spitzte noch die in einem archaischen
Umfeld entstehende Situation zu, mit der die Autorin die Ausweglosigkeit und
damit die Widerstandskraft ihrer Protagonistin betonte. Daran lässt sich auch
der Anlass für die von Hans Steinhoff in der Frühphase des 2.Weltkriegs
umgesetzte Version erkennen, dessen "Geierwally" die Stärke der
deutschen Frau symbolisieren und herausfordern sollte. Mit einer heilen Welt,
wie sie in den 50er Jahren im Gegensatz zu den im Krieg zerstörten Städten
hochstilisiert wurde, hatte das wenig zu tun.
An Afra,
einer wichtigen Nebenfigur, lässt sich diese unterschiedliche, sich nach dem
Krieg verändernde Sichtweise an einem scheinbar nebensächlichen Detail
verdeutlichen. In Wilhelmine von Hillerns Roman handelt es sich bei Afra um die
uneheliche Halbschwester des "Bären-Joseph", in Steinhoffs Film um
dessen uneheliche Tochter. In beiden Fällen führt die Verheimlichung ihres
Status, um sie vor einer Ausgrenzung zu schützen, zu dem Missverständnis, dass
Afra für Josephs Geliebte gehalten wird, was die Situation zwischen ihm und
Wally eskalieren lässt. Auch im Heimatfilm von 1956 kommt es zu dieser
Verwechslung, aber Afra ist hier die Nichte von Joseph, was diesen von
persönlicher moralischer Schuld freispricht, dessen hartnäckiges Verschweigen
ihres Verwandtschaftsgrads aber unglaubwürdiger wirken lässt. Diese
Abschwächung innerer Konflikte zugunsten einer geglätteten Moralvorstellung ist
in vielen Remakes der 50er Jahre zu beobachten - etwa in den zwei Versionen
nach Ebner-Eschenbachs Roman "Krambambuli" (1940) und
"Heimatland" (1955) - und signifikant für das Heimatfilm-Genre.
An Glätte
war Regisseur und Drehbuchautor Hans Steinhoff auch nicht gelegen, sondern an
einer dramatischen Hochstilisierung, wie schon die offensichtlich an Richard
Wagners Musik orientierten Orchesterklänge vermitteln, mit denen der Film
beginnt. Brutal schlägt der Vater (Eduard Köck) mit einem Knüppel auf seine
Tochter Wally (Heidemarie Hatheyer) ein, greift sie in das Gesicht von Joseph
(Sepp Rist), als er sie mit Gewalt küssen will, und schlägt Wally den
niederträchtigen Bauern Vinzenz Gellner (Leopold Esterle) von Hinten nieder, als
dieser auf eine alte Magd einschlägt. Wutverzerrt begegnen sich die Gesichter
und schreien sich hasserfüllt an - in "Die Geierwally" gibt es nur Emotionen
pur, folgt ein dramatisches Ereignis dem nächsten. Obwohl sich Regisseur Hans
Steinhoff, über den Zeitgenossen wie Billy Wilder oder Hans Albers, die mit ihm
zusammen gearbeitet hatten, sehr negativ urteilten, schon vor 1933 der
nationalsozialistischen Ideologie zuwandte, von der NSDAP entsprechend
gefördert wurde und mit "Hitlerjunge Quex: Ein Film vom Opfergeist der
deutschen Jugend" (1933) einen der ersten Propagandafilme fertigte, der
heute nur noch unter Vorbehalt zu sehen ist - mit "Ohm Krüger" (1941)
ließ er "Der Geierwally" einen weiteren heute nur beschränkt
zugänglichen Propagandafilm folgen – hielt er sich größtenteils an die
Romanvorlage und verzichtete auf ideologisch geprägte Veränderungen.
Sicherlich
kam die Story einer starken, kämpferischen Frau, die nicht aufgeben wollte, der
Zielsetzung des Propagandaministerium zu Beginn des Krieges entgegen, welche von
Steinhoff auch entsprechend herausgearbeitet wurde, aber die Konsequenz, mit
der Heidemarie Hatheyer hier spielt, ihr Mut, auch hässlich, ungerecht und
egoistisch zu wirken, und die Kompromisslosigkeit, mit der die
Auseinandersetzungen geführt werden, können heute noch faszinieren, ebenso wie
eine Bergwelt, die felsig, hart und kalt wirkt und ohne die für die 50er Jahre
typische heimliche Touristenwerbung auskam. Angesichts des sehr kurz gehaltenen
Happy-Ends, dass anders als der Roman und die 1956er Verfilmung auf die
abschließende dramatische Rettung des von Gewehrkugeln getroffenen Josephs aus
einer Felsspalte verzichtete, entsteht am Ende nicht der Eindruck einer
Unterordnung, sondern bleibt das Bild einer durchsetzungsfähigen,
selbstständigen Frau bestehen.
"Die Geierwally" Deutschland 1940, Regie: Hans Steinhoff, Drehbuch: Hans Steinhoff, Jacob Geis, Alexander Lix, Wilhelmine von Hillern (Roman), Darsteller : Heidemarie Hatheyer, Sepp Rist, Winnie Markus, Eduard Köck, Leopold Esterle, Laufzeit : 98 Minuten
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