Er ahnt
nicht, dass es sich bei der Unbekannten um Nicole, die Ehefrau des Diplomaten
Walter (Erich Schellow) handelt, weshalb sie wieder zu ihm nach Madrid fuhr, wo
er in der Botschaft arbeitet. Glücklich wieder bei ihm zu sein, sieht sie sich
noch am selben Abend mit einem Pflichttermin konfrontiert, den sie aber Beide
übermütig abkürzen. Wenige Tage später kommen sie nicht so glimpflich davon,
denn der Geschäftsmann Hernandez (Paul Hoffmann) veranstaltet eine
Gemälde-Versteigerung zugunsten kranker Kinder, an der Walter teilnehmen muss,
obwohl er dessen Methoden nicht mag. Kurz bevor das nächste Gemälde aufgerufen
wird, zeigt ihm Hernandez unter vier Augen das von Keller gemalte Nacktbild
seiner Frau, um ihn zu erpressen, aber Walter gibt nicht nach und es kommt zu
einem Skandal...
Helmut
Käutners Film "Bildnis einer Unbekannten" beginnt mit der großen
Liebe. Nach ein paar Tagen in ihrer Heimatstadt Paris kehrt Nicole (Ruth
Leuwerik) wieder zurück zu ihrem Mann Walter (Erich Schellow) nach Madrid, wo
dieser als Diplomat tätig ist. Zwar kommen sie um eine abendliche Einladung
beim Botschafter (Albrecht Scheonhals) nicht herum, aber diese verbringen sie
gemeinsam auf der Tanzfläche, um sich früh in ihre Wohnung zurückzuziehen. Den
Kommentar zu dieser Konstellation gibt die Gattin des Botschafters (Irene von
Meyendorff) ab, die angesichts des liebenden Paars die Haltbarkeit eines
solchen Glücksgefühls ohne Neidgefühle realistisch einzuschätzen weiß.
An dieser
Figur lässt sich die Haltung des Regisseurs und seines Drehbuchautors Hans
Jacoby, der nach seiner Rückkehr aus der Emigration erstmals wieder in
Deutschland arbeitete, genau ablesen, denn aus ihr spricht der Fatalismus einer
mit den Realitäten des Lebens vertrauten Frau. Als ein Gemälde von Nicole, auf
dem sie nackt die Perlenkette trägt, die sie nach der Hochzeit von ihrem Mann
geschenkt bekam, bei einer Kunst-Versteigerung zugunsten kranker Kinder im Haus
des windigen spanischen Geschäftsmann Hernandez (Paul Hoffmann) auftaucht, ist
ihr die moralische Entrüstung gleichgültig. Ob Nicole mit einem anderen Mann geschlafen
hat oder nicht, spielt für sie keine Rolle - aus ihren Worten lässt sich leicht
heraushören, dass sie diese Option auch für sich selbst in Betracht zieht - sie
kritisiert nur, dass das Bild in die Öffentlichkeit gekommen ist. Der
verwerfliche Versuch von Hernandez, Walter mit dem Bild seiner Frau zu
erpressen - eine Verklausulierung der Franco-Diktatur, die auf diese Weise
einen Gegner ausschalten will - spielt für sie und den Botschafter keine
Rolle. Einzig die öffentliche Meinung
ist von Belang, weshalb dieser von Walter verlangt, sich scheiden zu lassen
oder seine Karriere beim diplomatischen Dienst zu quittieren.
Bis heute
werden Bohemiens dieser Art am Filmende zivilisiert – meist wird ihnen ein
gesichertes Einkommen angedichtet und die bisherigen Frauengeschichten als
nebensächlich relativiert - um die Entscheidung der weiblichen Hauptfigur für
diesen Typus rechtfertigen zu können. Nicht bei Käutner, dem es weniger um die
gefestigte Figur des Malers ging als um Nicole. Sein Film erzählt die
Geschichte ihrer Emanzipation, eines wachsenden Selbstbewusstseins bis zu einer
Unabhängigkeit, die sie in der Lage versetzt, nicht nur ihrer eigenen
Entscheidungen zu treffen, sondern sie auch selbst umzusetzen. Ruth Leuwerik
spielte noch mehrfach unter der Regie von Helmut Käutner, darunter knapp 10 Jahre später in „Die Rote“ (1962), in der sie eine Frau verkörperte, die ohne
finanziell abgesicherten Hintergrund ihren Ehemann verlässt. Beide Filme lassen
sich als Indiz für die Entwicklung der Emanzipation der Frau in den 50er Jahren
verstehen, die Käutner Anfang der 60er Jahre deutlich pessimistischer analysierte als in „Das
Bildnis einer Unbekannten“. Ruth Leuwerik, die hier selbst die von Käutner zur
Musik Franz Grothes geschriebenen Liedtexte sang, glänzt in der Rolle einer
liebenswerten, emotionalen jungen Frau, die ihren eigenen Weg findet – eine
Möglichkeit, die ihr in „Die Rote“ nicht mehr offen stand.
Im Zusammenspiel
mit O.W. Fischer entwickelte sich ein äußerst Stil sicherer und optimistisch
gehaltener Unterhaltungsfilm, der in der Glaubwürdigkeit menschlicher
Verhaltensweisen und der Modernität seiner Anlage nur noch selten erreicht
wurde.
"Bildnis einer Unbekannten" Deutschland 1954, Regie: Helmut Käutner, Drehbuch: Helmut Käutner, Hans Jacoby, Darsteller : Ruth Leuwerik, O.W. Fischer, Erich Schellow, Irene von Meyendorff, Ingrid van Bergen, Laufzeit : 103 Minuten
weitere im Blog besprochene Filme von Helmut Käutner:
"Kleider machen Leute" (1940)
"Große Freiheit Nr. 7" (1944)
"Unter den Brücken" (1945)
"Himmel ohne Sterne" (1955)
"Ein Mädchen aus Flandern" (1956)
"Die Zürcher Verlobung" (1957)
"Schwarzer Kies" (1961)
"Die Rote" (1962)
"Große Freiheit Nr. 7" (1944)
"Unter den Brücken" (1945)
"Himmel ohne Sterne" (1955)
"Ein Mädchen aus Flandern" (1956)
"Die Zürcher Verlobung" (1957)
"Schwarzer Kies" (1961)
"Die Rote" (1962)
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