Inhalt:
Rosemarie Nitribitt (Nadja Tiller) hält sich in einem mondänen Frankfurter
Hotel auf, um Kontakt zu wohlhabenden Herren aufzunehmen, die dort fernab ihrer
Ehefrauen tagen, wird aber von dem Portier (Hubert von Meyerinck) des Hauses
verwiesen. Dieser verdient sich etwas nebenbei, um selbst die zahlungskräftige
Klientel mit einschlägigen Damen zu verkuppeln. Doch sein Rausschmiss kann
nicht verhindern, dass sich Rosemarie vom Hinterhof aus mit dem Generaldirektor
Bruster (Gerd Fröbe) für später verabredet. Als sie dessen aus der Garage
fahrenden Mercedes 300 anhält und einsteigen will, trifft sie zu ihrer
Überraschung auf Konrad Hartog (Carl Raddatz), der wie viele Herren den
gleichen Wagentyp fährt. Da sie ihm auch gefällt, nimmt er sie stattdessen mit
und beginnt mit ihr eine Liason. Er finanziert ihr ein Appartement, richtet und
kleidet sie ein, während sie sich von ihren früheren Kumpanen Walter (Jo
Herbst) und Horst (Mario Adorf) verabschiedet, die mit ihr eigentlich gemeinsame Sache
machen wollten, weshalb sie wenig erfreut auf ihre Entscheidung reagieren.
Bald
möchte sich Rosemarie nicht mehr mit der Rolle der heimlichen Geliebten
abfinden, aber besonders Hartogs Schwester (Barbara Rütting) weiß zu
verhindern, dass die gesellschaftlich nicht adäquate junge Frau an größeren
Festivitäten teilnehmen kann. Nachdem sie Hartog erneut unter fadenscheinigen
Gründen abgewimmelt hatte, begegnet sie dem französischen Industriellen Fribert
(Peter van Eyck), der ihre Anziehungskraft sofort einzuschätzen weiß. Er verpasst
ihr ein internationales damenhaftes Auftreten, worauf ihr die einflussreichen
Männer reihenweise zu Füßen liegen – doch Fribert verfolgt dabei eigenmächtige
Ziele…
Angesichts
des inflationären Gebrauchs von "Kult" durch diverse
Marketingabteilungen, wird die Austauschbarkeit und minimale Halbwertzeit
heutiger mit diesem angeblichen Gütesiegel versehenen Produkte besonders im
Vergleich zu den Ereignissen um eine Dame offensichtlich, die 1957 in
Frankfurt/Main ermordet wurde - Rosemarie Nitribitt. Deutlich wird daran auch,
dass die Verselbstständigung eines Namens und der damit zusammenhängenden
Geschehnisse erst durch die Mythen entstehen, die sich darum ranken - obwohl
der "Fall Rosemarie Nitribitt" zu einem festen Bestandteil der
Annalen der Bundesrepublik Deutschland gehört und bis in die Gegenwart
regelmäßige mediale Veröffentlichungen nach sich zieht, sind die realen Umstände
kaum Jemandem bekannt, ganz abgesehen davon, dass der Mord bis heute nicht
aufgeklärt wurde.
Dass sich
Regisseur Rolf Thiele den Vorwurf der "Kolportage" gefallen lassen
musste, als er nur wenige Monate nach Nitribitts Tod seinen Film "Das
Mädchen Rosemarie" in die Kinos brachte, lag entsprechend nah, auch weil
er damit unmittelbar ins Selbstverständnis der sich am eigenen Wirtschaftswunder
delektierenden Politiker und Wirtschaftsbosse vorstieß. Mit dem Journalisten
Erich Kuby nahm er zudem einen Drehbuchautoren mit an Bord, der sich als
"Nestbeschmutzer von Rang" (Heinrich Böll) schon einen Namen gemacht
hatte, und als links-liberaler Kritiker an der Regierungspolitik von vornherein
unter Generalverdacht stand. Dabei hatte dessen Story über Leben und Tod der
Rosemarie Nitribitt nur wenig mit der Realität gemein - weder interessierte er
sich für ihre Vergangenheit, noch versuchte er, die näheren Umstände ihres Tode
genauer zu beleuchten – sondern entwickelte die Geschehnisse um die
Luxus-Prostituierte im Stil einer Satire. Eine notwendige Vorgehensweise, da
jede größere Nähe zur Realität die Gefahr von falschen Verdächtigungen in einem
schwebenden Verfahren hervorgerufen hätte.
Trotzdem
versuchte das Auswärtige Amt die Teilnahme des Films am Wettbewerb der
Filmfestspiele von Venedig zu verhindern, was den Bekanntheitsgrad noch zusätzlich
erhöhte - die Folge davon waren ca. 8 Millionen Kinobesucher. Auch die
Schwierigkeiten, die Rolf Thiele zuvor am Drehort in Frankfurt bekam, wirken
aus heutiger Sicht kaum noch nachvollziehbar, da im Film Niemand direkt
beschuldigt wird, sondern die generelle Kritik an Wirtschaftswunderwahn, Doppelmoral
und Vergangenheitsverdrängung in eine kabarettistische Form verpackt wurde, die
nicht zufällig an Filme wie "Wir Kellerkinder" (1960) erinnert - Co-Autor
Jo Herbst, Mitglied der „Berliner Stachelschweine“, war am Drehbuch beider
Filme beteiligt. Herbst spielte zudem einen Vertreter des Prekariats, aus dem Rosemarie
(Nadja Tiller) stammt, und gab gemeinsam mit Mario Adorf einige Gesangsnummern
zum Besten. Auch die übrigen Schauspieler
- Gert Fröbe, Hubert von Meyerinck, Werner Peters, Peter van Eyck, Arno
Paulsen, Horst Frank, Helen Vita, Karin Baal und Hanne Wieder (die in ihrer
Rolle in "Spukschloss im Spessart" (1960) auf die Nitribitt-Figur
anspielte) – gaben in „Das Mädchen
Rosemarie“ Kostproben beliebter Klischeetypen, besonders Werner Peters und Gert
Fröbe waren auf den Typus des spießigen deutschen Kapitalisten geradezu
abonniert.
So harmlos
die damaligen Späße heute wirken, so deutlich lässt sich an der Reaktion auf
den Film die sehr konservative Haltung der 50er Jahre ablesen. Allein das deutsche
Industriekapitäne unverhohlen die Dienste von Call-Girls für sich beanspruchten – sehr gelungen die Rolle des Hotel-Portiers (Hubert von Meyerinck), der immer
genügend Kandidatinnen in seinem Notizbuch führte, fein säuberlich nach
optischen Qualitäten gekennzeichnet – genügte schon als Provokation, so wie das
parallele Absingen des Liedes „Wir hamm den Kanal voll“ zu marschierenden
Bundeswehrsoldaten als Affront gegen eine staatliche Institution betrachtet
wurde. Besonders die Party im Haus des Großindustriellen Willy Bruster (Gert
Fröbe) ist entlarvend in ihrem biederen Versuch, dekadent sein zu wollen, und
wenn am Ende - nach dem Mord an der zunehmend störenden Rosemarie Nitribitt -
die Armada der Mercedeslimousinen (im Volksmund mit dem Beinamen „Adenauer“
versehen) davon fährt, dann kamen Thiele und Kuby den damaligen Empfindungen
schon sehr nah. Wie gut sie den Zeitgeist erfassten, lässt sich allein an der Geschwindigkeit
erkennen, mit der sie den Film nach dem Mord in die Kinos brachten. Rudolf Jugert
drehte mit „Die Wahrheit über Rosemarie“ (1959) nur ein Jahr später einen
weiteren Film zu dem Thema, an den sich heute kaum noch Jemand erinnert.
Zudem prägt
ihr Film bis heute das Bild der Nitribitt und der sie umgebenden Insignien – im
Gegensatz zu der ehemaligen Miss Austria Nadja Tiller, war die echte Nitribitt
keineswegs von ähnlich genereller Schönheit und ihre Anziehungskraft auf ihre
Freier und Liebhaber beruhte auf einer menschlichen Dimension, die in Thieles
plakativ gehaltenem Film lange Zeit nicht vorkommt. Das muss den Machern
bewusst gewesen sein, denn im letzten Drittel schwenkt der Film zunehmend von
der Satire in Richtung eines ernsthaften Dramas. Offensichtlich versuchte Autor
Kuby auch die Tragik hinter der Figur der Nitribitt zu erfassen, die sich eine
feste Beziehung und ein traditionelles Leben wünschte, womit er auch verhindern
wollte, sie eindimensional als gewinnsüchtige Prostituierte zu
charakterisieren. Dank Nadja Tillers überzeugendem Spiel bleibt sie die
Sympathiefigur des Films – eine erstaunliche Position angesichts ihres
gesellschaftlichen Ansehens – aber dem Film ging der konsequent übertriebene
Stil verloren, mit der er die 50er Jahre Wirtschaftswunderzeit zuvor so amüsant seziert hatte.
Die letzte
Szene wiederholt wieder den Beginn des Films – nur mit Karin Baal in der Rolle
des leichten Mädchens, das im Hotel Kontakt sucht – womit die Macher den ewigen
Kreislauf aus Macht und Ohnmacht betonen wollten. Ein in seiner Signalwirkung sozialkritisches Ende, das die zuvor größtenteils aus Musiknummern
und überzeichneten Klischees bestehende Handlung aber schwächte und dem Film einen uneinheitlichen
Charakter verlieh, weshalb "Das Mädchen Rosemarie" den Ruf der Kolportage nie verlor, anstatt für seinen entlarvenden Gestus anerkannt zu werden.
"Das Mädchen Rosemarie" Deutschland 1958, Regie: Rolf Thiele, Drehbuch: Erich Kuby, Jo Herbst, Rolf Thiele, Rolf Ulrich, Darsteller : Nadja Tiller, Peter van Eyck, Gert Fröbe, Carl Raddatz, Mario Adorf, Jo Herbst, Werner Peters, Hanne Wieder, Horst Frank, Karin Baal, Hubert von Meyerinck, Helen Vita, Arno Paulsen, Laufzeit : 97 Minuten
weitere im Blog besprochene Filme von Rolf Thiele:
"Tonio Kröger" (1964)
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