Inhalt: Der
alte Fährmann (Karl Platen) setzt einen Musiker (Carl de Vogt) herüber ans
andere Ufer, wo dieser im Ort zu einem Fest aufspielen soll. Er freut sich auf
dessen Bezahlung, denn damit hat er nach 15 Jahren endlich genügend Geld
zusammen, um der Stadt die Fähre abkaufen zu können. Der Musiker lacht über
ihn, da seine Arbeit dadurch nicht leichter werden wird, aber der alte Fährmann
sieht das anders, da er endlich zu seinen eigenen Gunsten Geld verdienen kann.
Doch dazu
kommt es nicht mehr, denn nachts möchte noch ein Fahrgast am anderen Ufer
abgeholt werden - ein schwarz gekleideter, schweigsamer Mann (Peter Voß), der
dem Fährmann nur mit einem Kopfnicken zu verstehen gibt, dass er ablegen soll.
Dieser gehorcht und beginnt hinüber zu setzen, doch dabei verlassen ihn die
Kräfte und er stirbt. Ohne die genauen Umstände zu kennen, spricht es sich in
der Umgebung schnell herum, dass der Tod den Fährmann geholt haben soll,
weshalb Niemand dessen Nachfolge antreten will. Bis eine heimatlose junge Frau (Sybille
Schmitz) auftaucht, die Arbeit sucht und sich bereit erklärt, den Posten zu
übernehmen...
Seine
erfolgreichste Phase als Filmregisseur erlebte Frank Wisbar, nachdem er Mitte
der 50er Jahre wieder nach Deutschland zurückgekehrt war und mit "Haie und kleine Fische" (1957) begann, sich mit der jüngeren Historie seines
Heimatlandes auseinanderzusetzen. Nach seiner Emigration 1938 in die USA hatte
es lange gedauert, bis er dort über den Status eines B-Film Regisseurs hinaus
gekommen war. Erst als er sich Anfang der 50er Jahre dem Fernsehen zuwandte und
eine eigene Produktionsgesellschaft gründete, schuf er sich die Basis, um
anspruchsvolle Filme nach eigenem Ermessen umsetzen zu können. Seine
Vorkriegsfilme waren zu diesem Zeitpunkt schon in Vergessenheit geraten, wie auch
der Großteil der daran Beteiligten.
Am ehesten
blieb von seinen vor seiner Flucht gedrehten Filmen "Fährmann Maria"
in Erinnerung, denn mit "Strangler of the Swamp" schuf Frank Wisbar
1946 ein Remake der Story um den weiblichen Fährmann, dass von ihm an die
Erwartungshaltung des us-amerikanischen Publikums angepasst wurde. Einer
solchen sah sich Wisbar auch 1936 ausgesetzt, denn der Propagandaminister der
NSDAP, Joseph Göbbels, begutachtete seinen Film zwei Wochen bevor er in die
Kinos kam. Ihm persönlich gefiel er nicht, aber „Fährmann Maria“ wurde mit den
Prädikaten "künstlerisch wertvoll" und "volksbildend"
freigegeben, womit er besser beurteilt wurde als Wisbars früherer Film
"Anna und Elisabeth" (1933), der nach Ansicht der Nationalsozialisten
gegen das "gesunde Volksempfinden" verstoßen hatte.
So wie der
irritierend klingende Filmtitel "Fährmann Maria" Zwiespältigkeit
ausdrückt, verzichtet der gesamte Film auf jede Eindeutigkeit in seiner
inszenatorischen Anlage, weshalb die Interpretationen von der Anpassung an die
"Blut und Boden" - Ideologie der Nationalsozialisten bis zu einer verschlüsselten
Anti-Haltung reichen. Allein die Besetzung des Films unterstreicht diese
Mehrdeutigkeit - und steht gleichzeitig exemplarisch für die Vergänglichkeit von
Ruhm und Erfolg. Das zum Vorspann erklingende "Heidelied", mit dem
Wisbar zu dem Musiker (Carl de Vogt) überleitet, der gerade von dem alten
Fährmann (Karl Platen) zum anderen Ufer gefahren wird, wurde von der Sängerin Mimi
Thoma gesungen, deren mit tiefer Stimme vorgetragenen wehmütigen Lieder in den
30er und 40er Jahren ein Millionen-Publikum fanden, sie aber auch zu regelmäßigen
Auftritten in Propagandaveranstaltungen verpflichtete. Obwohl sie im September
1945 noch Stargast einer Benefiz-Veranstaltung zugunsten des "Roten
Kreuzes" in München war, verblasste ihr Stern nach dem Krieg schnell. Mit
nur 59 Jahren starb sie 1968, inzwischen vollständig in Vergessenheit geraten,
in Köln.
Carl de
Vogt, der hier einen unsteten Musiker verkörperte, war sowohl als Stummfilmstar,
als auch als Sänger schon in den 20er Jahren sehr bekannt, konnte nach seinem
Berufsverbot, dass wegen seines 1933 erfolgten Eintritts in die NSDAP nach 1945
verhängt wurde, aber nicht mehr an alte Erfolge anknüpfen und ist heute ebenso
unbekannt. Aribert Mog, vor 1933 schon Mitglied des antisemitischen
"Kampfbund für deutsche Kultur" und prädestiniert für Helden-Rollen
("Sprung ins Nichts" (1932)) verkörperte in "Fährmann
Maria" den verletzten Soldaten, in den sich Maria verliebt. Trotz seiner
Mitwirkung am Propagandafilm "Wunschkonzert" (1940) wurde er im
selben Jahr zum Kriegsdienst eingezogen und fiel 1941 beim Russlandfeldzug.
Auch Co-Autor Hans-Jürgen Nierentz verfügte als Schriftsteller über eine
eindeutige Nähe zur nationalsozialistischen Ideologie. Schon 1930 der Partei
beigetreten, arbeitete er in verschiedenen hohen Positionen, unter anderen als
Fernseh-Intendant und als Mitglied des "Reichsministerium für Volksaufklärung
und Propaganda". Seine Mitwirkung am Drehbuch zu "Fährmann Maria"
blieb seine einzige Filmarbeit. Nach 1945 – er galt eine Zeitlang als verstorben
– hielt er sich bis zu seinem Tod im Hintergrund.
Entgegengesetzt
zu dieser Reihe, die sich weiter fortsetzen ließe - Kameramann Franz Weihmayr
war parallel zu seiner Tätigkeit für Wisbar am Propagandafilm "Hans
Westmar" (1933) über Horst Wessels und an den Leni Riefenstahl -Filmen
"Der Sieg des Glaubens" (1933) und "Triumph des Willens"
(1935) beteiligt - steht Hauptdarstellerin Sybille Schmitz, die weder in einem
eindeutigen Propagandafilm mitwirkte, noch sich der NSDAP annäherte. Zudem galt
die ausschließlich ernsthafte Rollen verkörpernde, ausdrucksstarke Darstellerin
moralisch nicht als integer – aus ihrer Vorliebe für beide Geschlechter machte
sie kein Geheimnis - weshalb sie trotz
ihrer großen Attraktivität nie ein UFA-Star für die allgemeine Masse wurde. Die
Folgen davon bekam sie nach dem Krieg zu spüren. Obwohl sie als unbelastet
eingestuft wurde und schon in frühen Nachkriegsfilmen mitwirkte ("Zwischen
gestern und morgen" (1947)), kam sie über Nebenrollen nicht mehr hinaus
und nahm sich alkoholabhängig 1955 als 45jährige das Leben. Rainer Werner
Fassbinder widmete ihren letzten Lebensjahren, stellvertretend für die
Sozialisation Westdeutschlands in den 50er Jahren, den Film „Die Sehnsucht der
Veronika Voss“ (1982), der mit ihrem Suizid endet. Auch Eduard Wenck,
erfolgreicher Nebendarsteller während der Zeit des Nationalsozialismus, der in
„Fährmann Maria“ den Dorfschulze verkörperte, beging 1954 als 60jähriger Selbstmord.
Den
offensiv morbiden Charakter des Films deshalb als Menetekel zu begreifen, wäre unzutreffend
– sämtliche Beteiligte wirkten parallel auch in Unterhaltungsfilmen mit - aber die
Auseinandersetzung mit dem Tod, die allgegenwärtig über dem Film liegt, gilt
als signifikant für die nationalsozialistische Ideologie. Schon in frühen
Propagandafilmen wie „Morgenrot“ (1933) wurde der Tod als Mittel zur
Selbstopferung für das Vaterland legitimiert. Die in Wisbars Film erfolgte Personifizierung
des „Todes“ (Peter Voß) orientierte sich dagegen mehr an der traditionell in
der bildenden Kunst verankerten Figur des „Gevatter Tod“, wie er schon von
Fritz Lang in „Der müde Tod“ (1921) thematisiert wurde. Zudem besteht an der
eindeutigen Gefahr, die von dieser Figur ausgeht, von Beginn an kein Zweifel,
denn die Eingangssequenz, in der das Erscheinen des schwarz gekleideten,
autoritär und schweigsam auftretenden Mannes zum Tod des alten Fährmanns (Karl
Platen) führt, der sich gerade erst aus der Abhängigkeit lösen konnte – er
hatte nach 15 Jahren genug Geld verdient, um der Stadt die Fähre abkaufen zu
können – betont ausschließlich dessen unbarmherzige Vorgehensweise, welche dem Film
eine stetig über der Handlung liegende Spannung verleiht.
Frank
Wisbar und sein Kameramann Franz Weihmayr unterstrichen diese düstere Atmosphäre
mit expressiven Schwarz-Weiß-Bildern, die die Landschaft der Lüneburger Heide als
einen Ort stilisierten, aus dem unbekannte Gefahren geboren werden – jedes
Geräusch und jeder Schatten, der sich in der Dunkelheit bewegt, kann eine
unmittelbare Bedrohung bedeuten. Damit wählte Wisbar eine Charakterisierung des
landschaftlichen Hintergrunds, die dem nach dem Krieg aufkommenden Heimatfilm
der 50er Jahre entgegen gesetzt war. In dem für das Genre exemplarischen „Grün ist die Heide“ (1951) diente dieselbe Heidelandschaft als Hort der Geborgenheit
und Tradition. Auch der Begriff der „Heimat“ hat in „Fährmann Maria“ eine
andere Bedeutung, denn hier handelt es sich weniger um einen Zuflucht
versprechenden geografischen Ort, als um die Zugehörigkeit zu einer Gruppe oder
einer Idee – eine eindeutige Anspielung auf die nationalsozialistische
Ideologie, die besonders aus den Worten des verletzten jungen Mannes
herauszuhören ist, den Maria (Sybille Schmitz) vor seinen Verfolgern rettet. Mehrfach
betont er, dass sich jenseits des Ufers seine Heimat befindet, für die es sich
zu kämpfen lohnt, ohne das Wisbar diesen Ort darüber hinaus näher definiert. Entsprechend
lässt sich Marias Bereitschaft, sich für ihn opfern zu wollen - trotz der damit verbundenen, der nationalsozialistischen Ideologie widersprechenden christlichen Symbolik - auch als Teil
des Kampfes um die Idee/Heimat interpretieren, so sehr sie unmittelbar aus Liebe zu ihm handelt.
Anders als
in vielen Mitte der 30er Jahre entstandenen reinen Unterhaltungsfilmen, lässt
sich die Nähe zu seiner Entstehungszeit in „Fährmann Maria“
nicht ausblenden. Dass Joseph Goebbels den Film trotzdem als „misslungenes
Experiment“ betrachtete und die unterschwelligen Anspielungen aus heutiger Sicht
kaum noch Gewicht haben, verdankt der Film dem Spiel seiner Hauptdarstellerin.
Obwohl Maria als ein Mensch ohne Heimat in die Handlung tritt, weshalb sie von
der Gesellschaft als Außenseiterin behandelt wird - ihr den Kraft raubenden
Beruf eines Fährmanns anzubieten, den Niemand mehr übernehmen wollte, zeugt
ebenso von Respektlosigkeit, wie die Eindeutigkeit, mit der ihr die Männer nachstellen
– wirkt Sybille Schmidt mit ihrem klaren Gesicht und ihrer sparsamen, wahrhaftigen Ausdrucksweise stärker als ihre Umgebung. Die gespenstische
Moorlandschaft, der Schatten, aus dem der Tod tritt, das blecherne Geräusch,
mit dem die Fähre gerufen wird, die Männer, die die schöne Frau begehren, aber
auch die Heimat, die auf sie wartet – sie alle bleiben weit hinter der
beeindruckenden weiblichen Hauptfigur zurück.
"Fährmann Maria" Deutschland 1936, Regie: Frank Wisbar, Drehbuch: Frank Wisbar, Hans-Jürgen Nierentz, Darsteller : Sybille Schmitz, Aribert Mog, Peter Voß, Carl de Vogt, Karl Platen, Eduard Wenck, Laufzeit : 81 Minuten
weitere im Blog besprochene Filme von Frank Wisbar:
"Die Unbekannte" (1936)
"Haie und kleine Fische" (1957)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen